Wer weiß, vielleicht hat Violet Paley recht mit ihren Anschuldigungen gegen Franco, aber wir alle können dies nicht beurteilen. Wir wissen nicht, ob es diesen besagten rabiaten Blowjob-Moment gab. In diesem Fall kennen wir nur ihre Behauptung, die zu einer sofortigen öffentlichen Vorverurteilung führt. Ist das in Ordnung? Wie kam es denn überhaupt zu dieser besagten Szene und warum saß Paley in Francos Auto? Haben sie über Filme geredet oder hat Franco sie gezwungen, während auf magische Weise seine Hose aufsprang? Wie kam es zu jenem Moment in einer Branche, in der auch Frauen gerne mal ein paar Meter weitergehen, um eine begehrte Rolle zu ergattern? Nur mal nebenbei erwähnt, so wichtig wie echte Gleichberechtigung ist, sollte auch nicht vergessen werden, dass Frauen nicht automatisch Engel sind und es auch viele weibliche Arschlöcher gibt. Wie glaubwürdig ist eine Frau, die bereits in der Vergangenheit mehr als nur einen fragwürdigen Tweet veröffentlicht hat (der dann bloß ein Joke gewesen sein soll)? Vielleicht hat Paley sich bewusst darauf eingelassen und das Ergebnis lief nicht so, wie von ihr erhofft, jetzt also passend die Retourkutsche. Auch das ist möglich, aber wir wissen es nicht!
Diese ganzen öffentlichen Diskussionen, die derart exzessiv geführt werden, schaden echten Opfern. Denn wer sich direkt medial ins Rampenlicht begibt, sollte auch skeptisch beäugt werden. Wollen wir alles moralische Fehlverhalten nun ächten und eventuell in Zukunft sogar staatliche Reglementierungen ertragen müssen, die uns sagen, was noch von wem noch künstlerisch tragbar ist? Die Debatte um Filme mit Spacey, ob man die nun vielleicht nie wieder guten Gewissens schauen darf, zeigt die verlogene Doppelmoral, obwohl Woody Allen weiterhin Narrenfreiheit hat.
Was uns fehlt, ist das rechte Maß und vor allem Konsequenz in jeder Richtung. In Zeiten sozialer Medien scheint alles erlaubt zu sein, was Aufmerksamkeit generiert. Dabei werden potentielle Opfer selbst zu Tätern, die teils schlimmere Dinge tun, als ihnen möglicherweise angetan wurde. In diesem Fall hat es Franco erwischt, dessen Karriere einen empfindlichen Knick bekommen hat, kurz vorm Höhepunkt seiner Karriere.
Ob er es verdient hat, als ekliger Macho, der Frauen benutzt, wie es sich ihm bietet, wer weiß. Aber eine wirkliche Auseinandersetzung mit den angeblichen Taten, Hinterfragen und darauf folgende Stellungnahme offizieller Stellen und deren öffentliche Verbreitung: Wo bleibt das? Entweder um Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen bzw. Anschuldigungen zu entkräften, die Leben ruinieren können? Die bloße Tatsache, dass Sucht nach Ruhm, das Aufbauschen von Fällen und Rufmord in dieser ganzen Debatte auch ein Motiv sein könnten, wenn man einen Vorfall direkt medial verbreitet, sollte zumindest in Betrachtung gezogen werden.
Cute #TIMESUP pin James Franco. Remember the time you pushed my head down in a car towards your exposed penis & that other time you told my friend to come to your hotel when she was 17? After you had already been caught doing that to a different 17 year old?
— Violet Paley (@VioletPaley) 8. Januar 2018