Drei Meilen pro Stunde klingen harmlos. Wer regelmäßig spaziert, kennt das Tempo: zügig, aber nicht rennend. In The Long Walk liegt die Grausamkeit genau darin, dass dieses Tempo zur Bedingung für ununterbrochenes Weitergehen wird.
Der Film ist durchaus sehenswert, wir sprechen eine Empfehlung aus. Doch wenn ihr im Kino sitzt, werdet ihr euch sicher fragen: wie realistisch ist The Long Walk in Bezug auf die Laufleistung der Teilnehmer? Also, vorausgesetzt man akzeptiert die Prämisse, dass die Regierung zu Motivationszwecken diesen Lauf organisiert. Wir versuchen uns an einer Antwort:
Körperliche Arbeit ist kumulativ: jede Stunde addiert Belastung, Flüssigkeitsverlust und Mikroverletzungen an Haut und Muskel. Nach einigen Stunden tauchen erste Warnsignale auf: Schwindel, Muskelermüdung, Blasen. Nach einem ganzen Tag ohne vernünftige Pause wächst das Risiko ernsthafter Komplikationen: Kreislaufinstabilität, starkes Flüssigkeits- und Elektrolytdefizit, und Stoffwechselstress.
Der Schlafmangel verschärft das Problem dramatisch. Nach 24 Stunden ohne Schlaf sinken Aufmerksamkeit und koordinative Fähigkeiten messbar; nach 36–48 Stunden treten oft Wahrnehmungsstörungen und Mikro- oder Makrohalluzinationen auf. Körperliche Erschöpfung und schwindende Urteilsfähigkeit bilden eine gefährliche Kombination: Fehler beim Gehen, falsche Mengen an Wasseraufnahme oder das Übergehen von Schmerzen können katastrophale Folgen haben. Bei andauernder Belastung drohen außerdem Belastungsfrakturen, schwerwiegende Muskelzerstörung und als Folge Nierenprobleme. Im Film schaffen es relativ viele Läufer, mehr als zwei Tage durchzuhalten, das ist allerdings schon völlig utopisch.
Was könnte die Chancen verbessern, wenn man sich trotzdem am The Long Walk versuchte? Ausrüstung kann Zeit kaufen, sie kann den Körper aber nicht unendlich machen. Sinnvoll wäre: gut gedämpfte Laufschuhe mit stabiler Ferse (Road- oder leichte Trailrunning-Schuhe je nach Untergrund), hochwertige Funktionssocken und ein Wechselset, Blasenpflaster und Fußtape, isotonische Getränke und energiedichte Nahrungsgels, Elektrolyt-Tabletten, Kompressions- und Stützbandagen für empfindliche Gelenke sowie ein kleines Erste-Hilfe-Set. Schuhe mit ausreichender Dämpfung und gutem Sitz vermindern Blasen und Gelenkbelastung; Sockenwechsel ist oft entscheidender als das „beste“ Modell. Aber im Film ist das kein Thema, keiner scheint sonderlich auf die Ausstattung geachtet zu haben, einer der Läufer trägt sogar Chucks.
Also: Mit perfektem Equipment ließe sich das Leiden verlängern, nicht aber die biologische Grenze verschieben. The Long Walk ist eine sehr gelungene Parabel über Willenskraft und Grenzüberschreitung, keine realistische Anleitung für einen Langstreckenmarsch.
