"Leb deinen Traum, denn er wird..." nein, falsch. "Finde deine sieben Dragon..." nein, das war es auch nicht. "Ich will der allerbeste..." nein, ganz falsch. "Reichtum, Macht und Ruhm." Ja, das war es! "Immer den Wolken hinterher, einer Legende auf der Spur." Und jetzt alle: "Ooooh One Piece!"
"One Piece" Season 1 Finaler Trailer (dt.)
Der Tag ist endlich gekommen, die Strohhutbande sticht auf Netflix in See. Und nicht nur langjährige Fans des weltweit beliebten und erfolgreichen Anime waren äußerst gespannt auf diese Live-Action-Umsetzung. Denn schon so mancher Anime bekam bereits eine Realverfilmung, sowohl als Film als auch als Serie. Ghost in the Shell, Cowboy Bebop, Death Note oder der legendär schlechte Dragonball Evolution, um ein paar zu nennen. Doch keiner der bisherigen Versuche war so richtig von Erfolg gekrönt. Es gab zwar durchaus einige, die ganz okay geworden sind, aber was richtig Gutes war noch nicht dabei. Und schon gar nicht etwas, wo man das Gefühl hatte, dieser Film oder Serie könnte endlich die Tür zu weiteren, guten Anime-Verfilmungen öffnen, gar einen Hype auslösen. Wie Videospielverfilmungen scheint seit Jahren ein Fluch auf Anime-Verfilmungen zu liegen. Und wie bei Videospielverfilmungen könnte dieser Fluch in diesem Jahr endlich gebrochen werden.
Unsere Review zu One Piece
Hochwertig. Dies ist vielleicht das beste Wort, um diese erste Staffel von One Piece zu beschreiben. Denn in so vielen Aspekten ist sie genau dies, hochwertig. Das zweite Wort wäre wohl leidenschaftlich, denn man merkt der ganzen ersten Staffel die Hingabe der gesamten Crew hinter dieser Serie an. Wir wollen euch nicht länger mit unserer Bewertung auf die Folter spannen: Wir fanden One Piece verdammt gut! Also so richtig gut. Und ein erster Blick in die sozialen Medien zeigt, dass wir mit dieser Meinung wohl nicht alleine sind und auch die vielen Fans des Anime größtenteils sehr zufrieden scheinen. Ein größeres Lob gibt es eigentlich kaum.
One Piece fans after watching the Live Action ONEPIECE OnePieceNetflix OnePieceLiveAction ONEPIECE1091 pic.twitter.com/XMyZJlyG0O
— Mugiwara Stephen D Smith (@MugiwaraSAS) August 31, 2023
Es wurde wohl noch kein Anime bisher so gut als Realverfilmungen umgesetzt wie One Piece. Man sieht es jeder Folge spürbar an, wie viel Geld in diese Serie geflossen sein muss. Nach den ersten Trailern gab es durchaus die Sorge, dass One Piece wie ein Amateurfilm mit Cosplayern aussehen könnte. Aber diese Sorgen sind absolut unbegründet. Und weil dies eine so große Produktion ist, auf der so viel Verantwortung lastet, nehmen wir uns auch die nötige Zeit und blicken im Detail auf die unterschiedlichen Aspekte der Serie.
Sets, Ausstattung und Effekte
Die Sets, die Ausstattung und ja, auch die Kostüme, bei allem hat man sich hier wirklich große Mühe gegeben. Es ist schon beeindruckend, zu sehen, was für die Serie alles erbaut wurde. Man hat nie das Gefühl, dass hier eine bekannte Stadt als umfunktioniertes Set dient. Es gelingt der Serie, den Zuschauer durch den ganzen Aufwand tatsächlich in eine völlig neue Welt zu katapultieren. Und auch wenn manche der Schiffe erkennbar aus dem Computer stammen, so sieht man wiederum anderen an, dass sie tatsächlich erbaut wurden, inklusive natürlich der Flying Lamb.
Und auch die Effekte sind nicht wirklich schlecht, aber durchaus immer mal wieder als Effekte sichtbar. Gerade Ruffys Gummi-Kräfte fallen mit am negativsten auf, was aber nicht heißt, dass sie wirklich schlecht umgesetzt wurden. Man spürt, dass gerade hier auch viel mit Schnitten gearbeitet wurde. Aber selbst große Kino-Blockbuster tun sich bis heute schwer damit, gerade solche Kräfte glaubhaft darzustellen. Langgezogene Gummi-Körper sehen einfach immer Fake aus.
Wir haben wirklich nicht viel zu kritisieren in diesen Punkten. Hin und wieder sieht manches Fake aus und man erkennt auch, wenn per Kameraeinstellungen versucht wird, manchen Ort, der als Set vermutlich einfach nicht existiert, nicht zu zeigen. Aber hier muss man sich auch noch mal in Erinnerung rufen: Es ist eine Serie. Dies ist vermutlich ein Punkt, den wir alle heutzutage zu oft vergessen.
Serien haben eine wahnsinnige Entwicklung durchgemacht. Der Herr der Ringe - Die Ringe der Macht sieht optisch einfach unglaublich aus, Game of Thrones hat die Fans zum Staunen gebracht und auch so etwas wie Star Trek - Picard sieht heute als Serie im Grunde so aus, wie Star Trek-Fans es eigentlich nur aus dem Kino gewohnt waren. Die heutige Qualität ist enorm. Dennoch darf man nicht den Fehler machen, Serien direkt mit Kino-Blockbustern zu vergleichen. Es sind eben am Ende doch "nur" Serien. One Piece sieht verdammt gut aus, aber eben nicht perfekt. Hier und da sieht man dann eben doch, dass Abstriche gemacht wurden, weil es halt eine Serie ist. Dies ist aber meckern auf hohem Niveau.
Vom Anime ins reale
Anime haben einen bestimmten Charme und gewisse Eigenschaften, die nur schwer als Realverfilmung umzusetzen sind. One Piece hat aber tatsächlich das Wunder geschafft, eine glaubhafte Realverfilmung zu sein und gleichzeitig einiges von dem Anime-Charme mitzubringen.
Die für Anime typisch bunten Haare? Check. Ein Essen mit den typischen gestapelten Schüsseln auf dem Tisch? Check. Ein übertrieben großes Schwert, was nur mit einem Windschlag ein beeindruckendes Schiff halbiert und versenkt? Check!
One Piece hat so einiges zu bieten, was Fans bislang nur aus einem Anime kannten. Hier könnte es aber durchaus zwei Sorten von Menschen geben, die dies unterschiedlich annehmen werden. Denn jemand, der so gar nicht vertraut mit der Welt der Anime ist, könnte tatsächlich etwas überfordert werden. Und wir haben die Fischmenschen ja noch gar nicht erwähnt. Oder den Clown, der sich mehrfach teilen kann. Oder, oder, oder. Noch nie wurde ein Anime so Anime-getreu ins Reale umgesetzt wie hier. Wir sind selbst sehr gespannt auf die Reaktionen von Menschen, die mit so etwas bislang noch keine Berührungspunkte hatten.
Lebendig gewordene Zeichnungen
Für jeden Fan ist es schwer, wenn Figuren, die man über Jahre, gar Jahrzehnte, mit einem bestimmten Aussehen und bestimmten Stimmen verbindet, plötzlich eine andere Inkarnation erhalten. Oder, wie in diesem Fall, plötzlich von einem echten Schauspieler gespielt werden. Ist der reale Ruffy noch mein geliebter Anime-Ruffy?
We are ready. #OnePiece pic.twitter.com/zXP2Ud6UyQ
— Toei Animation (@ToeiAnimation) August 30, 2023
In Live-Action ist natürlich einiges anders als in einem Anime, muss es sogar. Doch wir können glücklich sagen, dass wir mit dem Casting sehr zufrieden sind. Uns fällt niemand im Verlauf dieser acht Episoden ein, wo wir dachten, es sei eine völlige Fehlbesetzung. Gerade die Strohhutbande ist wirklich gut getroffen und sie machen alle einen tollen Job. Unser Herz erobert hat vor allem Mackenyu, der Zorro verkörpert und für uns das Highlight dieser Staffel war. Aber auch Iñaki Godoy als Ruffy hat seine Aufgabe mit Bravour gemeistert. Bei ihm ist es jedoch vielleicht mit am auffallendsten, dass sich eine Charakterisierung im realen zu einem Anime unterscheiden muss. Ja, auch dieser Ruffy ist der positive und stets gut gelaunte Optimist. Doch er läuft hier nicht die ganze Zeit mit geschlossenen Augen und einem Dauergrinsen durch die Gegend.
Großes Lob haben wir auch für die Kampf-Choreografien. Die Action kann sich wirklich sehen lassen und der Kampfstil der einzelnen Charaktere wurde nahezu 1:1 umgesetzt. Auch hier müssen wir wieder vor allem Zorro hervorheben. Es ist jedes Mal einfach ein Highlight, wenn er mit seinen Schwertern in den Kampf zieht. Und man sieht dabei auch deutlich, dass Mackenyu viel mit den Schwertern trainiert hat.
Ein großes Lob gebührt aber auch Netflix. Wir haben bereits die Hingabe für diese Serie gelobt, die spürbar hinter den Kulissen vorgeherrscht hat. Sichtbar ist dies auch durch die vielen Kleinigkeiten in der Serie, die am Ende eben doch viel ausmachen. Und auch Netflix hat etwas gemacht, was sie nicht hätten machen müssen, wofür ihnen aber so viele Fans dankbar sind: Die Synchronisation.
Hätte man One Piece ganz normal synchronisiert, hätte es wohl kaum Kritik gegeben. Aber man hat sich eben dafür entschieden, in vielen Ländern die Synchronsprecher des One Piece-Anime für die Synchronisation der Realverfilmung zu verpflichten, auch in Japan und eben hier in Deutschland. Und es ist eben dieses berühmte i-Tüpfelchen, welches diese Umsetzung am Ende so besonders macht. Denn es macht schon viel aus, die, zumindest in großen Teilen, vertrauten Sprecher aus dem Anime auch hier zu hören.
Keine 1:1-Umsetzung
Eiichiro Oda hatte es bereits in einem seiner Briefe an die Fans angedeutet: Es wird Abweichungen gegenüber dem Anime geben. Es wird Charaktere geben, die fehlen werden und er rechnet damit, dass so mancher Fan Kritik daran üben wird. Wir wollen inhaltlich natürlich aus Spoilergründen nicht zu sehr ins Detail gehen.
So gibt es eine Szene zwischen Ruffy und Korby, die durchaus große Relevanz hat, gerade für die Charakterisierung von Ruffy, die hier jedoch fehlt. Auch manche Storyline wurde stark verkürzt. Es wird sicherlich viele Fans geben, die sich daran stören werden. Aber anders ist etwas mit einer inhaltlichen Größe wie One Piece wohl nicht umzusetzen.
Man hätte diese erste Staffel sicherlich auch auf 20 Episoden erweitern können, um am Ende genau dort anzukommen, wo man jetzt nach acht Episoden ist. Aber dann hätte man auch 20 Episoden finanzieren müssen und darunter hätte wiederum die Qualität stark gelitten. Und so sehr wir auf eine Fortführung der Serie hoffen, so ist es eben auch unrealistisch, dass es am Ende 20 oder mehr Staffeln geben wird. Will man One Piece als Realverfilmung umsetzten, muss man kürzen und Abstriche machen. Und darauf hoffen, dass es den Machern dennoch gelingt, den Kern der Vorlage zu treffen, und dies ist ihnen unserer Meinung nach hier vollkommen gelungen.
Auch der ein oder andere Charakter wird nicht jedem Fan gefallen. Fischmenschen im Anime sind eben das eine, in einer Realverfilmung aber halt das andere. Auch müssten manche Figuren eigentlich wesentlich kräftiger sein. Jetzt gibt es halt nicht so viele The Rocks auf der Welt, die auch als Schauspieler für die jeweiligen Rollen geeignet wären.
Auch sonst gibt es einige Änderungen. So gibt es bereits in dieser Staffel Begegnungen mancher Figuren, die es im Anime erst viel später gibt. Das Intro besteht schlicht aus dem Logo, hier hat man sich aber was Schönes überlegt. Auch musikalisch kopiert man nicht den Anime, gleichwohl sollte man in bestimmten Szenen die Ohren spitzen. Manches fehlt also oder wurde geändert, dafür hat man aber auch neues hinzugefügt. So erscheinen immer die Fahndungsplakate der jeweiligen Piraten, wenn sie in der Serie ihren ersten Auftritt haben.
Nicht perfekt
Wir haben jetzt viel gelobt, doch perfekt ist One Piece nicht. Die Effekte haben wir schon angesprochen. Doch auch die Inszenierung selbst ist nicht immer ganz rund. Manchmal merkt man, dass die Kameraeinstellungen etwas verbergen bzw. kaschieren wollen. Manchmal wirkt der Hintergrund merkwürdig unscharf. Und auch der Schnitt ist teilweise so gesetzt, dass man Ausführungen mancher Tritte oder Schläge nicht wirklich sieht, und nur den Treffer zeigt. Jetzt ist der One Piece-Kampfstil ein spezieller, nicht nur der von Zorro oder Ruffy, sondern gerade auch von Sanji. Eventuell sah manches einfach dann doch zu merkwürdig aus, so dass man es mit dem Schnitt entschärfen musste, um nicht zu lächerlich zu wirken. Dies ist aber nur eine Vermutung.
Das Bild ist die meiste Zeit gut, doch hin und wieder schleicht sich dieser neblige Netflix-Look ein. Auch das Pacing war soweit gut, manches ging uns dann aber doch zu schnell. Gerade Lysop ist dann doch schnell Teil der Crew und nach wenigen Minuten versucht man bereits das Gefühl von besten Freunden zu vermitteln, die füreinander ihr Leben riskieren würden. Bei manchen Entwicklungen und Beziehungen merkt man dann eben doch, dass hier alles verstärkt zusammengefasst und so manches übersprungen wurde.
Willkommen in einer neuen Welt
Für uns persönlich gibt es einen wichtigen Punkt, der One Piece zu den eher hochwertigen Serien zählen lässt. Es gab so einige Serien in den letzten Jahren, die in einer fiktiven Welt spielen. Mittelerde, Westeros, der Kontinent. Eine wirklich gute Serie zeichnet dabei aus, dass sie es schafft, dem Zuschauer diese Welt auf natürliche und nicht zu erzwungene Weise näher zu bringen und ein Gefühl für sie zu vermitteln.
Game of Thrones hat dies beispielsweise geschafft. Sei es das Intro mit dem Blick auf die Welt und den verschiedenen Orten oder aber auch klassische Karten, die uns während vieler Episoden im Laufe der Staffeln präsentiert worden. Die Zuschauer haben schnell ein Gefühl und eine Vorstellung dieser Welt erhalten. Das Gegenbeispiel ist The Witcher. Auch nach drei Staffeln hat es die Serie nicht geschafft, dem Zuschauer klar zu machen, wie dieser Kontinent eigentlich aussieht, wie groß er ist und wo sich wer und was befindet. Die Welt ist einfach nicht greifbar.
One Piece gehört zu den besseren Serien, weil ihnen genau dies gelungen ist. Nicht nur sehen wir im Verlauf der ersten Staffel einige Karten, es gibt sogar explizit eine Szene, in der Nami uns allen die Welt und ihren Aufbau bildhaft erklärt. Und auch wie diese Welt und ihre Regeln funktioniert, oder welche Fraktionen es hier gibt, bekommt der Zuschauer gut erklärt. Schon nach diesen acht Episoden kennt man als Zuschauer diese Welt um einiges besser als nach drei Staffeln den Kontinent in The Witcher. Und dies ist eben etwas, was am Ende eine gute von einer nicht ganz so guten Serie unterscheidet.
Unser Fazit
Zusammenfassend können wir sagen, dass uns One Piece richtig gut gefallen hat. Schon nach wenigen Minuten waren alle Sorgen verflogen und wir hatten mit dieser ersten Staffel richtig viel Spaß. Den Machern ist hier wohl die beste Anime-Umsetzung gelungen, die es bisher gegeben hat. Und vor allem die Hochwertigkeit hat uns dann doch sehr beeindruckt. Dies war ein Projekt, wo die Verantwortlichen genau wussten, welches Material sie in Händen halten und was damit zu tun ist.
One Piece hat den Fluch bislang oft enttäuschender Anime-Umsetzungen gebrochen. Und wenn One Piece so gut umzusetzen ist, warum dann nicht auch so etwas wie Naruto? Oder Dragonball? Vielleicht ist dies endlich der große Türöffner, den es gebraucht hat. One Piece beweist, was möglich ist, wenn Leute mit Talent und entsprechender Leidenschaft das nötige Geld bekommen, um so eine Vorlage umzusetzen und dieser dabei auch treu bleiben. Vielleicht beginnt mit dieser ersten Staffel eine neue Ära der Anime-Verfilmungen.
Zu hoffen ist natürlich erst einmal, dass One Piece auch über diese acht Episoden hinaus weiter gehen wird. Denn Netflix ist mittlerweile berüchtigt dafür, Serien bereits nach nur einer Staffel abzusetzen. Vorstellbar erscheint uns dies hier nicht, dafür ist One Piece einfach zu gut geworden und das Potenzial zu riesig. Und es fällt uns bei dieser tollen Qualität auch schwer zu glauben, dass diese Serie keinen Erfolg haben wird.
Es gab so viele Sorgen und Ängsten im Vorfeld, doch jetzt kann man es beruhigt sagen: One Piece gehört zu den besten Serien, die in diesem Jahr erschienen sind. Wir hatten viel Spaß mit der Strohhutbande und können es kaum erwarten, sie auch auf ihren nächsten Abenteuern zu begleiten.