Bewertung: 4 / 5
Der junge Muslim Issa flüchtet ohne Papiere nach Deutschland. Er findet Unterschlupf in der Islamischen Gemeinde, wo man ihm die junge, engagierte Menschenrechtsanwältin Annabel vorstellt. Mit ihrer Hilfe versucht er an sein Erbe, das "unreine" Mafiavermögen seines Vaters, zu gelangen. Als Moslem gerät er ins Visier der Geheimdienste und bietet das perfekte Feindbild. Der idealistische Agent Günther Bachmann, grandios gespielt von Philip Seymour Hoffmann, will Issa helfen und ihn aus der Schusslinie ziehen. Doch auch die CIA hat die Spur aufgenommen. Ein Kampf der Mächte um den angeblichen Terroristen beginnt.
Der niederländische Regisseur Anton Corbiijn erzählt ruhig und unaufgeregt und entspricht damit ganz dem Stil der Vorlage des berühmten Autors John Le Carré. Auch ohne große Actionszenen gelingt es ihm, in A Most Wanted Man immer mehr Spannung aufzubauen, wobei insbesondere durch die Szenerie der Hamburger Hinterhöfe eine eigentümlich mysteriöse Atmosphäre geschaffen wird. Das internationale Schauspieler-Ensemble überzeugt mit minimalistischem Minenspiel und durchweg stimmigen Figuren. Bis zum Schluss lässt die deutsch-britische Koproduktion den Zuschauer im Unklaren und fordert hohe Aufmerksamkeit für seine verrätselte und komplexe Geschichte. Ein weiterer kluger Spionagethriller nach einer Vorlage John Le Carrés, der alle Genreerwartungen vollends erfüllt.
Trailer zu A Most Wanted Man
Locations und Ausstattung betonen den Kontrast zwischen der kühlen Eleganz der Machtzentralen und den nächtlich dunklen Straßen und Hinterhöfen, in denen ein Großteil der Handlung stattfindet. In diesen Szenen ist die Handkamera den Protagonisten dicht auf den Fersen und zieht den Zuschauer in das Geschehen hinein. Insgesamt zeichnet sich Benoit Delhommes Bildgestaltung aber durch gedämpfte, düstere Farben aus, wobei die gekonnte Ausleuchtung interessante Akzente setzt. Dieser Look lässt Hamburg herbstlich kalt und nass erscheinen und trägt wesentlich zur melancholisch-mysteriösen Stimmung des Thrillers bei. Die von Herbert Grönemeyer komponierte Filmmusik unterstreicht diese Atmosphäre, treibt aber gleichzeitig die Handlung voran.
Im hochkarätigen internationalen Schauspieler-Ensemble ragt Philip Seymour Hoffman heraus, der in seiner letzten Rolle den Agenten Günther Bachmann spielt, den Leiter einer halboffiziellen deutschen Antiterror-Einheit. Kettenrauchend, Kaffee und Whisky in sich hineinkippend, gibt er den Spion der alten Schule, der in der Welt herumgekommen ist, Erfolge und Misserfolge zu verzeichnen hatte und sich darüber eine sehr eigene Sicht der Welt und seines Berufes zulegte. Alle Beteiligten wollen aus politischen oder persönlichen Motiven die Welt "besser" oder "sicherer" gestalten, alle haben ihre Tricks und ihre Schwächen, und alle spielen mit verdeckten Karten. Das findet seine Entsprechung im minimalistischen Spiel der Darsteller. Neben Seymour Hoffman, Willem Dafoe, Rachel McAdams und Robin Wright überzeugt die erste Garde der deutschen Schauspieler in kleinen und kleinsten Rollen. Neben Nina Hoss als Günther Bachmanns Assistentin sind dies u. a. Daniel Brühl (der wortlos und mit Kopfhörern im Ohr Monitore beobachtet), Kostja Ullmann, Martin Wuttke, Rainer Bock und Herbert Grönemeyer. Sie verleihen den Figuren Kontur und halten die komplexe Geschichte mit ihren vielen Verästelungen und Ränkespielen bis zum Schluss spannend.
A Most Wanted Man ist ein kluger Agententhriller aus dem klassischen Repertoire John le Carrés, der die Geheimdienstarbeit entmystifiziert und die Methoden des "Kriegs gegen den Terror" und moralische Grundsätze ausbalanciert, der aber vor allem von der ersten bis zur letzten Minute packend unterhält.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung