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A Most Wanted Man

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Prädikat: besonders wertvoll

A Most Wanted Man Kritik

A Most Wanted Man Kritik
1 Kommentar - 26.08.2014 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).
A Most Wanted Man

Bewertung: 4 / 5

Der junge Muslim Issa flüchtet ohne Papiere nach Deutschland. Er findet Unterschlupf in der Islamischen Gemeinde, wo man ihm die junge, engagierte Menschenrechtsanwältin Annabel vorstellt. Mit ihrer Hilfe versucht er an sein Erbe, das "unreine" Mafiavermögen seines Vaters, zu gelangen. Als Moslem gerät er ins Visier der Geheimdienste und bietet das perfekte Feindbild. Der idealistische Agent Günther Bachmann, grandios gespielt von Philip Seymour Hoffmann, will Issa helfen und ihn aus der Schusslinie ziehen. Doch auch die CIA hat die Spur aufgenommen. Ein Kampf der Mächte um den angeblichen Terroristen beginnt.

Der niederländische Regisseur Anton Corbiijn erzählt ruhig und unaufgeregt und entspricht damit ganz dem Stil der Vorlage des berühmten Autors John Le Carré. Auch ohne große Actionszenen gelingt es ihm, in A Most Wanted Man immer mehr Spannung aufzubauen, wobei insbesondere durch die Szenerie der Hamburger Hinterhöfe eine eigentümlich mysteriöse Atmosphäre geschaffen wird. Das internationale Schauspieler-Ensemble überzeugt mit minimalistischem Minenspiel und durchweg stimmigen Figuren. Bis zum Schluss lässt die deutsch-britische Koproduktion den Zuschauer im Unklaren und fordert hohe Aufmerksamkeit für seine verrätselte und komplexe Geschichte. Ein weiterer kluger Spionagethriller nach einer Vorlage John Le Carrés, der alle Genreerwartungen vollends erfüllt.

Trailer zu A Most Wanted Man

Locations und Ausstattung betonen den Kontrast zwischen der kühlen Eleganz der Machtzentralen und den nächtlich dunklen Straßen und Hinterhöfen, in denen ein Großteil der Handlung stattfindet. In diesen Szenen ist die Handkamera den Protagonisten dicht auf den Fersen und zieht den Zuschauer in das Geschehen hinein. Insgesamt zeichnet sich Benoit Delhommes Bildgestaltung aber durch gedämpfte, düstere Farben aus, wobei die gekonnte Ausleuchtung interessante Akzente setzt. Dieser Look lässt Hamburg herbstlich kalt und nass erscheinen und trägt wesentlich zur melancholisch-mysteriösen Stimmung des Thrillers bei. Die von Herbert Grönemeyer komponierte Filmmusik unterstreicht diese Atmosphäre, treibt aber gleichzeitig die Handlung voran.

Im hochkarätigen internationalen Schauspieler-Ensemble ragt Philip Seymour Hoffman heraus, der in seiner letzten Rolle den Agenten Günther Bachmann spielt, den Leiter einer halboffiziellen deutschen Antiterror-Einheit. Kettenrauchend, Kaffee und Whisky in sich hineinkippend, gibt er den Spion der alten Schule, der in der Welt herumgekommen ist, Erfolge und Misserfolge zu verzeichnen hatte und sich darüber eine sehr eigene Sicht der Welt und seines Berufes zulegte. Alle Beteiligten wollen aus politischen oder persönlichen Motiven die Welt "besser" oder "sicherer" gestalten, alle haben ihre Tricks und ihre Schwächen, und alle spielen mit verdeckten Karten. Das findet seine Entsprechung im minimalistischen Spiel der Darsteller. Neben Seymour Hoffman, Willem Dafoe, Rachel McAdams und Robin Wright überzeugt die erste Garde der deutschen Schauspieler in kleinen und kleinsten Rollen. Neben Nina Hoss als Günther Bachmanns Assistentin sind dies u. a. Daniel Brühl (der wortlos und mit Kopfhörern im Ohr Monitore beobachtet), Kostja Ullmann, Martin Wuttke, Rainer Bock und Herbert Grönemeyer. Sie verleihen den Figuren Kontur und halten die komplexe Geschichte mit ihren vielen Verästelungen und Ränkespielen bis zum Schluss spannend.

A Most Wanted Man ist ein kluger Agententhriller aus dem klassischen Repertoire John le Carrés, der die Geheimdienstarbeit entmystifiziert und die Methoden des "Kriegs gegen den Terror" und moralische Grundsätze ausbalanciert, der aber vor allem von der ersten bis zur letzten Minute packend unterhält.

Prädikat: besonders wertvoll

Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung

A Most Wanted Man Bewertung
Bewertung des Films
810

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1 Kommentar
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
28.09.2014 21:03 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.380 | Reviews: 180 | Hüte: 634
Meine Eltern wollten Philip Seymour Hoffman die letzte Ehre erweisen und haben mich gefragt, ob ich Lust hätte mitzukommen. Ich habe zugesagt, der Kinobesuch gestern abend hat sich gelohnt!

Vorab möchte ich erwähnen, dass ich weder die Buchvorlage kenne noch den Film im englischen Original gesehen habe. Daher kann ich nicht sagen, wie gerecht die Adaption der Vorlage wird und wie glaubhaft die eingebauten Akzente der Darsteller rüberkommen. Da es sich bei den Charakteren aber größtenteils um Deutsche handelt, ist eine Synchronisation gar nicht mal so verkehrt.

"A Most Wanted Man" möchte jedenfalls ein authentisches Bild über die Arbeit der Geheimdienste zeichnen, was ihm mMn auch super gelungen ist. Anton Corbijn setzt dabei auf unterkühlte Farbtöne, realistische Kameraeinstellungen und eine äußerst ruhige Inszenierung. Er legt den Wert auf Kleinigkeiten und Dialoge werden oft durch einfaches Schweigen ersetzt. So ergibt sich eine triste und pessimistische Atmosphäre, die mich bis zum Ende nicht losgelassen hat. Die eigentliche Handlung wird durch alltägliche Trivialitäten ziemlich weit aufgefächert, ich verlor währenddessen aber nie an Interesse. Es werden ständig kleine Indizien gestreut, Stück für Stück erfährt man mehr und zum Schluss entlädt sich alles in einem unerwarteten Knall. Wer schnelle Schnitte, Explosionen und Verfolgungsjagden braucht, sollte um diesen Film jedoch einen großen Bogen machen.
Darüberhinaus sorgen die deutschen Einflüsse für eine Bereicherung des Sehvergnügens. Zu Beginn ist es zwar etwas merkwürdig, wenn sich englischsprachige Schauspielergrößen mit Günther, Dieter, Erna, etc. ansprechen, aber das legt sich nach einiger Zeit. Hamburg eignet sich als Kulisse hervorragend und wird von der Kamera wundervoll eingerahmt. Der Cast fährt "zweigleisig", so treffen z.B. Philip Seymour Hoffman, Willem Dafoe und Robin Wright auf Daniel Brühl, Herbert Grönemeyer und Martin Wuttke. Der großartige Soundtrack stammt ebenfalls aus der Feder von Grönemeyer.

Mit dem Wissen um Hoffmans Schicksal enthält der Film leider einen ironischen Beigeschmack. Es kam mir oft so vor, als würde Hoffman nicht nur den Spionage-Leiter Günther Bachmann spielen sondern auch sich selbst. Er ist getrieben vom Druck und Stress seiner Arbeit und sucht Zuflucht in Zigaretten und Alkohol. Es gibt kaum eine Szene, in der er nicht raucht, trinkt oder beides tut. Zudem wirkt er körperlich einfach nur verbraucht. Des Weiteren denkt man in der Endszene, dass er sich selbst oder anderen gleich etwas Böses antun wolle. Die Inszenierung der Endszene gleicht auch 1:1 einem Abgang von der großen Bühne. Naja, vielleicht waren Hoffmans Leiden und Drogensucht ja genau die Basis für solch eine grandiose Schauspielerleistung...

9/10 Punkten

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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