Bewertung: 3.5 / 5
In schöner Regelmäßigkeit überrascht Woody Allen seine Fangemeinde mit einem neuen Film. Nach zuletzt Blue Jasmine und Magic in the Moonlight steht nun Irrational Man in den Startlöchern und mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle als deprimierter und vom Leben enttäuschter Professor kann auch einiges an Melodramatik erwartet werden. Allen tut das, was er seit Jahrzehnten gut an, die stillen, traurigen und nachdenklichen Momente des Lebens so zu verpacken, so dass am Ende eine fast heitere Geschichte bei herauskommt. Und das sieht folgendermaßen aus:
Abe Lucas (Phoenix) tritt seinen neuen Job als Philosophie-Professor in einer altehrwürdigen Kleinstadt-Uni an. Sein Ruf eilt ihm voraus: Ein interessanter Womanizer zu sein, in den sich auch prompt die Dozentin Rita (Parker Posey) und die junge Studentin Jill (Emma Stone) vergucken. Jede mit ihren eigenen Ansprüchen, die dem Charme des etwas abgehalftert wirkenden Abe erliegen. Denn dieser trägt nicht nur schwer an Lebensanalysen, die seine Wissenschaft fast automatisch mit sich bringt, sondern ist nach dem Ende seiner Beziehung durch und durch depressiv und nur schwer aus diesem Tief herauszuholen. Als er mit Jill, die ihn nur zu gerne aufmuntern will, eines Tages das Gespräch Wildfremder belauscht, regt sich ein verwegener Gedanke in Abe: Würde die Welt kein besserer Ort sein, wenn man einen Menschen tötet, um anderen zu helfen? Wohlgemerkt steht doch ein guter Gedanke hinter der Tat! Mit frischem Lebensmut ausgestattet macht sich Abe ans Werk...
Trailer zu Irrational Man
Irrational Man Kritik
Machen wir es kurz, Irrational Man ist kein Film vom Schlag eines Der Stadtneurotiker oder Manhattan. Das liegt nicht an der Story, die generell gar nicht so unintelligent, wenn auch eben fast naiv - eben irrationell - anmuten mag. Es sind wie so oft die Details, denn so stimmig der Film einerseits daherkommt, so prompt und überraschend wirkt andererseits Abes Sinneswandel, der in einem Moment noch an der Grenze zum Suizid entlangschrabbt, in der anderen regelrecht aufgeladen wirkt. Doch auch wenn dieser Moment ein bisschen unausgegoren wirken mag, so ist er doch das Tor für die weitere Entwicklung und die hat es in sich.
Joaquin Phoenix hat nie stolzer einen Bauch im besten Mannesalter vor sich hergetragen und seine Normalität und Natürlichkeit sind erfrischend, gerade wenn man seinen Schlag bei Frauen im Film bedenkt. Warum wie Brad Pitt aussehen, wenn das, was du im Kopf hast und dein Ruf, der dir vorauseilt, dich irre sexy machen? Und das kommt an, zum einen bei der frustrierten und ihrer Ehe enttäuschten Rita, zum anderen bei der jungen Jill, die in ihrer Beziehung wahre emotionale Tiefe vermisst. Den moralischen Kompass sollte man vielleicht nach keiner der Figuren stellen, doch das beabsichtigt Allen auch nicht. Dieser hat einen trotz trauriger Untertöne unterhaltsamen Film kreiert, der sogar zum Schmunzeln einlädt. Morbide, ja, aber auch überaus lebensbejahend auf seine Art.
Natürlich wird wieder viel debattiert und geredet und wem das generell bei Allen zu viel ist, der wird einen großen Bogen um diesen Film machen. Spannend wird es aber, wenn Abe mit großer Begeisterung von seiner Überzeugung spricht und auch nicht abzubringen ist von seinem Plan, den er - der "Menschenfreund" - im Verborgenen hegt. Wer, wenn nicht ein anerkannter Philosophie-Dozent mit seiner "Liebe zur Weisheit" hätte sonst das Vermögen, Gut und Schlecht zu erkennen?! Phoenix spielt dies derart unschuldig, dass seine Präsenz in Irrational Man allein ein großer Pluspunkt ist.
Irrational Man Fazit
Woody Allen-Fans sollten sich Irrational Man nicht entgehen lassen, einfach um den Vergleich ziehen zu können. Wie das Leben so spielt, das ruft uns auch dieser Film zu und schenkt uns dabei wieder so einige Momente zum Nachdenken und Heitersein. Kein großer Film, aber auch kein schlechter Film, der auf seine obskur-komische und depressiv-verstimmte Art irgendwie erheitert.