Bewertung: 2.5 / 5
Ryan Gosling, der einst verzückend den romantischen Noah in Wie ein einziger Tag spielte, als seltsamer Single in Lars und die Frauen brillierte und 2011 in Drive beeindruckte, lieferte mit Lost River sein Regiedebüt ab. Nun kommt der Film, der in den USA nur in ganzen drei Kinos veröffentlicht und direkt auf Silberling gepresst wurde, Ende Mai auch in unsere Kinos. Filmfestivalgänger, darunter in Cannes, konnten letztes Jahr schon ein Auge darauf werfen und dessen sollte man sich bewusst sein, dass Lost River eindeutig nicht fürs breite Publikum gemacht ist.
Im einst florierenden Lost River harren nur noch wenige Einwohner in ihren heruntergekommenen Hütten aus. Von der Hand in den Mund lebend, versucht die alleinerziehende Mutter Billy (Christina Hendricks) alles, um das Heim für sich und ihre beiden minderjährigen Söhne nicht zu verlieren. Der ältere, Bones (Iain De Caestecker), versucht selbst so gut es geht, seine Mutter zu unterstützen und hat doch keine Chance. Der gewalttätige Bully (Matt Smith) terrorisiert die Gegend und schafft Gehorsam mit überaus brutalen Methoden. Als Bones von der gleichaltrigen Nachbarin Rat (Saoirse Ronan) hört, dass im angrenzenden Fluss etwas Geheimnisvolles verborgen ist, erscheint die Bergung wie ein Aufbruch in eine neue, bessere Zukunft...
Trailer zu Lost River
Lost River Kritik
Wir könnten in den Tenor vieler Reviews einstimmen und Ryan Gosling raten, doch lieber weiter sein schönes Haupt in die Kamera zu halten, denn als Regisseur dahinter zu stehen. Doch dieser Angriff wird Lost River nicht gerecht, denn so wirr das Spielfilmdebüt anmutet, so szenisch gehoben wirkt es in vielen Momenten. Goslings Gedankenwelt verbirgt zudem interessante Ansätze, der auch das Drehbuch verfasste, er liefert "food for thought", etwas, das nicht einfach zu verdauen ist und zum Debattieren nach dem Kinogang anregt. Sein Werk wirkt wie ein heißer Fiebertraum, aus dem alle Beteiligten lieber gestern als heute erwachen wollen, jeder aus seinem ganz persönlichen Albtraum, zusammengeschweißt in dieser toten Stadt - nur ist man als Zuschauer als Beteiligter auch mittendrin und das nicht vorrangig im positiven Sinne.
Lost River ist eine bizarre, surrealistische und vor allem überambitionierte Geschichte über den Niedergang einst blühender Landschaften in den USA. Gosling möchte derart viel richtig machen und kann sich doch nicht auf das Wesentliche konzentrieren. Er möchte berühren, kreiert über weite Strecken wundervolle Aufnahmen, Landschaftsbilder und Closeups von Gesichtern, und schafft es doch nicht wirklich, den Zuschauer für die Figuren zu erwärmen. Irgendwann im ersten Teil des Films wird von menschlicher Tragödie zu Mystik gewechselt und irgendwie erschließt sich nicht ganz, was das alles soll. Spätestens bei so mancher Szene im "Club" wirkt vieles derart grotesk, dass man sich spätestens hier fragt, was, wenn man so will, die Richtung bzw. Aussage des Films sein mag. Man kann sich den gezeigten Albtraumvisionen, ob nun real oder surreal, kaum entziehen, will es aber. Zu konfus, zu hochgesteckt wirkt Goslings künstlerischer Anspruch, der definitiv vorhanden ist, sich aber wie Druck ungebändigt in alle Richtungen verteilt und damit den Zuschauer verwirrt mitreißt.
Auch der Soundtrack mag im ersten Moment beeindrucken, legt sich aber neben manchen äußerst schwer zu ertragenden Szenen - weil äußerst brutal - ebenso schwer über die Story. Spätestens hier erkennt man einen David Lynch, einen Nicolas Winding Refn, denen Gosling vieles abschaute, der aber aufgrund der allzu deutlich erkennbaren Nähe auch selbst nichts Beeindruckendes schafft. Lost River ist ein wundersames Experiment, das nicht wirklich etwas in einem auszulösen vermag, das nicht hängenbleibt und kaum zum wiederholten Schauen anregt. Was traurig ist, da sich die Schauspielerriege mit Christina Hendricks, Matt Smith, Saoirse Ronan und Ben Mendelsohn sehen lassen kann und auch viel Schmerz erlebbar macht. Besonders möchten wir an dieser Stelle Smith betonen, welcher dermaßen sadistisch pervertiert, dass selbst die treuesten Doctor Who-Fans erst spät das sympathische Gesicht des einstigen Serienhelden wiedererkennen werden. Auch Ronan und Hendricks sind zu erwähnen, wobei letztere fast 1:1 die Verzweiflung ihrer Rolle in Dark Places aufleben lässt, so nah sind sich beide Frauen.
Hätte Lost River ein guter Film werden können? Sicherlich. Wir gehen auch bewusst nicht weiter auf die fantastische Ebene ein, da diese zum einen ein bisschen den Zauber des Films ausmacht, der einen im Kinosessel ein wenig reizt, andererseits aber auch zu abstrus ist, um sie in Worte zu fassen, ohne zu viel preiszugeben. Wir hätten gern positiver über Ryan Goslings Regiedebüt geschrieben, aber trotz toller Darsteller, grandioser Bildsprache, einer faszinierenden Grundidee über desolate Verhältnisse und ein Morgen, das es eventuell für manche Menschen nie gibt, bleibt nur ein überstilisiertes Drama, das in den entscheidenden Momenten nicht packen kann.