Bewertung: 4 / 5
Bevor Edward Snowden vor einigen Jahren als Whistleblower an die Presse herantrat, ahnte kaum jemand, welches wirkliche Ausmaß die Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste angenommen hatten. Die veröffentlichten Daten lösten 2013 die NSA-Affäre aus, doch auch wenn seither viele Informationen an die Öffentlichkeit drangen, hat sich kaum etwas verändert. Nun nimmt sich Hollywood des Themas an und wer könnte besser für so eine Aufgabe geschaffen sein als Oliver Stone? Wem Citizenfour zu sperrig ist, bekommt hier etwas leichter verdauliche Kost geboten.
Snowden zeichnet dabei ein Portrait des berühmten US-amerikanischen Whistleblowers, gespielt von Joseph Gordon-Levitt, indem mehrere Stationen seines Lebens beleuchtet werden. Dabei wird ein Blick auf seine Tätigkeiten bei unterschiedlichen Geheimdiensten und Services geworfen und auch auf sein privates Umfeld mit seiner Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley). Über mehrere Jahre hinweg begleiten wir Snowden, bis zum Tag, an dem er wichtige Geheimdienstdokumente an die Presse weitergibt. Letztlich treibt ihn die Frage an, ob er weiter mitmachen und schweigen oder seinem Gewissen folgen soll?
Trailer zu Snowden
Snowden Filmkritik
Snowden ist als Film längst überfällig und findet weit weniger Beachtung als er verdient. Zum Glück steht mit Oliver Stone der richtige Mann hinter der Kamera, der sich genug Zeit lässt, um die Geschichte mit möglichst viel Ruhe zu erzählen. Und das gelingt ihm in den 134 Minuten ausgesprochen gut. Der Filmfluss wirkt weder abgehackt noch gehetzt und gerade Snowdens zunehmende Paranoia kommt deutlich hervor, die sich mit jedem weiteren Job, weiteren Interna und Erkenntnissen über die wahren Absichten von NSA & Co. steigert.
Gerade Joseph Gordon-Levitt brilliert einmal mehr, der eine unfassbare Ähnlichkeit hinbekommt, und wir möchten ihm auch ganz neutral Hochachtung zollen, sich mit solch einer Rollenwahl in die Schusslinie zu bringen und viel Kontra zu riskieren. Auch Shailene Woodley macht an seiner Seite eine gute Figur, die aber schauspielerisch nicht an Gordon-Levitts Leistung heranreicht. Viele andere Nebendarsteller glänzen ebenfalls in ihren Rollen, allen voran Rhys Ifans, daneben Zachary Quinto, Tom Wilkinson, Timothy Olyphant, Scott Eastwood und in einer kleinen, aber feinen Rolle Nicolas Cage. Bei seinen Darstellern setzt Stone auf Quantität und Qualität, was dem gesamten Film deutlich gut tut.
Natürlich nimmt sich auch Stone dramaturgische Freiheiten heraus, nicht umsonst wird zu Beginn auf eine dramatisierte Darstellung verwiesen. Jedoch spielt das im vorliegenden Fall keine so große Rolle, denn ungeachtet des Titels steht nicht wirklich nur Snowden im Mittelpunkt der Handlung, sondern der Skandal und die Doppelmoral, die mit diesem Namen verbunden sind. Aus welchen Gründen Edward Snowden gehandelt hat, steht nicht im Fokus, es geht nicht darum, ihn zum Helden, Egoisten, Verbrecher oder sonst etwas zu machen - denn schlussendlich ist das, was er offenlegte, egal wie man es dreht und wendet, beängstigend.
Drei Jahre nach der Veröffentlichung lässt sich festhalten, dass sich abseits der redaktionellen Aufbereitung und des kurzen medialen Aufschreis nichts verändert hat. Der Deckmantel, der sich Werte und Demokratie schimpft, zeigte in der Wirklichkeit seine hässliche Fratze. Wenn man dem Film etwas vorwerfen kann, dann dass er ein am Ende fast zu positives Bild der Situation zeichnet, als hätte sich wirklich etwas geändert. Bestenfalls wurden von den beteiligten Personen Nebelkerzen abgefeuert, zur Rechenschaft gezogen wurde niemand und Snowden wird, wenn nicht für den Rest seines Lebens, aber doch für lange Zeit, ein Getriebener sein, dem zeitlebens das Stigma Vaterlandsverräter anhaftet. Sicherlich ist sein Handeln eine Blaupause, um sich daran zu reiben, abhängig welcher Position und welchen Idealen man sich verpflichtet fühlt. Doch so wie er mutig an die Öffentlichkeit ging, wissend um die Repressalien, kann man nur den Hut ziehen, gerade weil das System weiter besteht und die letzten drei Jahre eher für mehr als für weniger Überwachung gesorgt haben. Hier hätte mit Snowden ein viel dramatischeres und kritischeres Bild gezeichnet werden müssen, denn die Büchse der Pandora wurde vor vielen Jahren geöffnet und die daraus resultierenden Möglichkeiten sind riskant. Snowden konnte diese Maschinerie nicht stoppen, aber er hat uns allen ermöglicht, die Dinge zu erfahren, wie sie sind.
Snowden Bewertung
Snowden ist nicht in allen Punkten akkurat, aber er öffnet die Augen. Es bleibt zu hoffen, dass der Film eine neue und echte Diskussion anstößt, die sich weniger um die Person und ihre Tat dreht, sondern mehr um das, was Edward Snowden offenlegte. Eine Diskussion, die vielleicht eines Tages auch etwas verändert, ist nötig. Ein Anfang könnte schon sein, dass sich jeder näher mit dem Thema befasst, denn es betrifft uns alle. Snowden verdient unser aller Respekt, vor allem wenn die gewählten Regierungsvertreter hier weltweit versagen. Dies sind wir, die Bewachten, ihm schuldig.