Deadpool ist ein Phänomen. Von 20th Century Fox jahrelang verschmäht, weil als viel zu risikoreich empfunden, schlug die Marvel-Comicverfilmung ein wie eine Bombe und zerschmetterte sofort diverse Rekorde. Über 130 Mio. $ am Startwochenende, das ist mehr, als jeder andere Film aus dem X-Men-Universum geschafft hat, und dann auch noch mit R-Rating! Selbst die meisten PG-13-Superheldenfilme können von solchen Zahlen nur träumen. Eine Riesensache und Genugtuung für alle Beteiligten, die dafür gekämpft haben, Deadpool möglich zu machen. Ihre Mühen haben sich jetzt schon gelohnt.
Was bedeutet das für die zukünftige Ausrichtung von Superheldenfilmen oder Comicfilmen allgemein? Der natürliche Lauf der Dinge wäre, dass nun eine Fülle von R-Rated-Filmen auf uns einprasselt, da man sicherlich versuchen wird, den Erfolg von Deadpool zu reproduzieren. So könnte sich Produzent Simon Kinberg, der gewissermaßen das Mutanten-Universum beaufsichtigt, auch für andere Filme ein R-Rating vorstellen. Nicht für die X-Men-Hauptfilme, die ihren eigenen, opernhaften und dramatischeren Ton haben, aber für X-Force zum Beispiel.
Gegen mehr R-Rated-Superheldenfilme spricht erst mal auch nichts, wir würden es sogar begrüßen. Zu bedenken ist aber, dass Deadpool ein R-Rating brauchte, um funktionieren zu können, während andere Comicverfilmungen nicht in diesem Maße darauf angewiesen sind und auch ohne auskommen. Jetzt jedem Film eins aufzuzwingen, nur weil Deadpool so phänomenal läuft und kräftig Kasse macht, bringt auch nichts, wenn es nicht passt. Diese Sorge hat James Gunn, der für Marvel gerade Guardians of the Galaxy Vol. 2 dreht.
Wie damals, als plötzlich Hunderte von Filmen so sein wollten wie Guardians of the Galaxy und auf einmal Dutzende von Trailern mit einem großen Popsong unterlegt wurden, werde Hollywood die falsche Lehre aus Deadpool ziehen, befürchtet er. Man werde lauter Filmen "wie Deadpool" grünes Licht geben, was dann aber nicht "gut und originell" heiße, sondern "vulgärer Superheldenfilm" oder "durchbricht die vierte Wand". Man werde uns behandeln, als wären wir blöd, und genau das habe Deadpool nicht getan. Die richtige Lehre wäre laut Gunn, dass Deadpool etwas Eigenständiges, Originelles und verdammt Gutes ist, mit Liebe gemacht und ohne Angst vor Risiken. Darauf sprechen die Zuschauer an. Es gehe also darum, uns etwas zu geben, das wir nicht schon haben.
Könnt ihr diese Argumentation nachvollziehen? Und denkt ihr, Gunn liegt mit seiner Befürchtung richtig?