Bewertung: 4 / 5
Stronger zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie ein einzelnes isoliertes Ereignis das Leben von Menschen gnadenlos aus der Bahn werfen kann. Zwar setzt Regisseur David Gordon Green (Die Wahlkämpferin) dabei auf viele bekannte Elemente, dennoch schafft er ein eindrückliches Portrait über Jeff Bauman, der als Opfer zum unfreiwilligen Helden hochstilisiert wird. Jake Gyllenhaal glänzt einmal mehr mit einer bewegenden Performance und macht so das menschliche Drama greifbar.
Stronger Kritik
Der 15. April 2013 ändert für Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal) alles, der Tag des alljährlichen Boston-Marathons. Eigentlich wollte er am Ziel auf seine Ex-Freundin (Tatiana Maslany) warten, die er wieder für sich gewinnen will, doch dann passiert es: Zwei Bomben werden in den Zuschauerreihen gezündet und in Jeffs Leben ist nichts mehr wie zuvor. Zwar überlebt er schwerverletzt den Anschlag, doch er verliert beide Beine und ist fortan an den Rollstuhl gefesselt. Langsam kämpft er sich ins Leben zurück und während sein Umfeld und die Nation ihn als Helden feiern, der überlebt hat und ihn als Symbol dafür sehen, dass Terror Menschen nicht klein bekommt, sieht es in Jeff ganz anders aus...
Trailer zu Stronger
Im Gegensatz zum ebenfalls im letzten Jahr produzierten Boston setzt Stronger einen gänzlich anderen Fokus. Weg vom Attentat selbst, hin zu den Folgen, die so ein Anschlag für ein Opfer, sein Umfeld und sogar eine ganze Nation bedeuten kann. Erneut kann dabei Jake Gyllenhaal sein schauspielerisches Talent unter Beweis stellen, nachdem er in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl verschiedener Rollen glänzen durfte. Hier macht er greifbar, wie die Träume eines Menschen zerschmettert werden, während sein Umfeld sich krampfhaft an ihm festhält, um selbst durch diese schwere Phase zu kommen.
Dabei geht Stronger auch durchaus kritisch mit dem Heldenkult in den USA um, denn schnell wird Bauman unfreiwillig zu einem Symbol der "Boston Strong"-Bewegung. Während er innerlich zerbrochen ist, soll er all jene Wunden der Nation kitten, die bei vielen Menschen psychologisch entstanden sind. Das Opfer soll zum Retter werden, hochstilisiert als Held. Dabei weiß Bauman nur zu gut, dass er kein Held ist, auch wenn die Medien immer gern "Helden" herauspicken und Geschichten konstruieren, wie jemand angeblich voller Mut und Tatendrang ins Leben zurückfindet. Wie tief der Fall sein kann, den ein Mensch erleiden kann, zeigt sich innerhalb der zwei Filmstunden insbesondere an der Beziehung zwischen Bauman und seiner Freundin Emily, deren Auf und Ab der Gefühle einen ergreift.
Der Fakt, dass Medien die vielen Umstände verschweigen, die es vielen dieser "Helden" erst ermöglicht, dort anzukommen, wo sie am Ende sind, ist unbestritten. Oft spielen gerade das Umfeld und viele glückliche Momente eine entscheidende Rolle, so auch bei Jeff Bauman. Aber gerade nach solch tragischen Ereignissen ist etwas Glück genau das, was diese Menschen verdient haben. Gleichzeitig ist Stronger an vielen Stellen hochaktuell, vor allem im Hinblick auf jüngste Anschläge in den USA, wie das Schulmassaker in Florida Anfang 2018. So greift der Film auch die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen mit ihrem Fake-News-Wahn auf, wo Opfer schnell als Lügner denunziert werden.
Trotz einiger typischer Freiheiten, die sich Hollywood bei solchen Adaptionen herausnimmt, bleibt Stronger dennoch ein sehr bodenständiger Film, der ein eindringliches Portrait über Jeff Bauman zeichnet und dem Zuschauer auf eindringliche Weise klarmacht, dass die Nachwirkungen eines Anschlags weitaus größer sind als die direkten Folgen und der Anschlag selbst. Gerettet werden bedeutet nicht gerettet sein, denn spätestens wenn der entbehrungsreiche Heilungsprozess beginnt, zeigt sich, dass so manche Wunde tiefer sitzt als es das Auge erkennen kann.