Bewertung: 2.5 / 5
Als Fiktion funktioniert Tolkien ganz wunderbar, was vor allem an den tollen Darstellern und der ergreifenden Erzählung der Geschichte liegt. Doch vor dem Hintergrund, eine ernstzunehmende Biographie zu sein, die auf dem Leben von J.R.R. Tolkien beruht, scheitert der Film, denn Fiktion wird als Fakten dargestellt und vieles, wogegen sich Tolkien Zeit seines Lebens wehrte, als Wahrheit verkauft. So verkommt die "Biographie" zu einer Fantasygeschichte über einen Fantasyautor.
Tolkien Kritik
Wer war dieser Mann, der später als J.R.R. Tolkien den Grundstein für die moderne Fantasyliteratur legte? Dieser Frage will Tolkien nachgehen, indem die jungen Jahre des angehenden Autors (Nicholas Hoult) beleuchtet werden. Dabei prägen Tolkien vor allem Freundschaft und Liebe, die ihn über den Verlust seiner Mutter und seines Vaters hinweghelfen. Mit seinen drei Freunden gründet er die Tea Club - Barrovian Society (T.C.B.S.) und gegenseitig befeuern sie die eigene Kreativität in Kunst, Literatur, Poesie und Musik. Doch es ist vor allem die Zuneigung zu Edith (Lily Collins), welche Tolkien zu dem Menschen werden lässt, an den man sich erinnert...
Trailer zu Tolkien
Tolkien funktioniert auf so vielen Ebenen. Die Geschichte berührt in ihrer Darstellung, die Szenen über den Ersten Weltkrieg gehen unter die Haut und die eingebaute Romanze zwischen Edith und John ist herzerwärmend. Wäre Tolkien einfach nur eine fiktive Geschichte, die wenig mit der Realität gemein hätte, man könnte gar nicht genug lobende Worte über die Art der Inszenierung finden und wie großartig Hoult und Collins sowie der übrige Cast die Figuren zum Leben erwecken. Doch es geht nicht allein darum, was dieser Film richtig macht, sondern was Tolkien sein will. Es soll eine Biographie sein, welche dem Zuschauer die Person J.R.R. Tolkien näherbringt, man will zeigen, wie jener Philologe den Grundstein für sein Lebenswerk legte, welches als "Der Herr der Ringe" in die Annalen eingehen sollte.
Wie jede gute Biographie muss dabei nicht zwingend jedes Detail aus dem Leben eines Menschen nacherzählt werden, aber bei Tolkien macht man den Fehler, sich zu sehr von der echten Person zu entfernen. So werden an unzähligen Stellen Fakten mit Fiktion vermischt, die Wahrheit verschwimmt, und so gut die gezeichneten Figuren in diese dargestellte Welt passen, so wunderbar harmonisch alles ein großes Ganzes ergibt, so wenig hat dies am Ende mit der echten Person zu tun. Die Vergangenheit dieses großen Autors wird romantisiert und überhöht, es werden Vermutungen angestellt, wie er zu seinen Ideen gekommen sein mag und was ihn prägte. Mit der Realität hat dies oft nichts zu tun, auch wenn Regisseur Dome Karukoski dies dem Zuschauer weißmachen will.
Das führt letztlich dazu, dass viele Elemente aus Tolkiens Leben herausgepickt werden, die in dieses gezeigte Weltbild passen, andere prägende Elemente und Charaktereigenschaften aber komplett unter den Tisch fallen. Kein Wort wird über seinen Glauben verloren, der entscheidend sein Weltbild und seine Werke definierte. Im Gegenzug wird auf die T.C.B.S. so eine Aufmerksamkeit gelegt, während seine Zeit bei den Inklings und die Freundschaft zu C.S. Lewis (Narnia-Reihe) keine Rolle spielen. Diese Willkür sorgt für einen massiven Schiefstand zwischen dem Anspruch, den Tolkien erhebt und dem tatsächlichen Ergebnis.
Dabei ist es dann kein Wunder, dass die Tolkien Estate diesen Film energisch ablehnt, wird er dem echten Menschen in keiner Weise gerecht. Es ist eine fantasievolle Fiktion, die dabei den größten Fehler überhaupt macht: Sie widerspricht dem, wogegen sich Tolkien Zeit seines Lebens wehrte. Der Film macht aus seiner Welt eine Allegorie, etwas, was er selbst immer ablehnte. Und auch wenn Tolkien immer sagte, ein Autor sei nicht frei davon, dass seine persönlichen Erlebnisse das eigene Schaffen beeinflussen, so betonte er doch gleichzeitig, dass es stets ein komplizierter Prozess sei und diesen zu erklären, bestenfalls in Mutmaßungen mündet. In Tolkien werden diese Mutmaßungen zur Wahrheit verklärt und eine "Realität" gezeichnet, die so nie existiert hat.
Und so ist Tolkien ein unglaublich zweischneidiges Schwert, welches den Zuschauer verzaubern kann, wohl wissend, dass hier Grenzen verschwimmen und man eben nicht die wahre Lebensgeschichte Tolkiens erlebt. Dabei zehrt dieses Werk aber so sehr von der echten Person, dass es schwer ist diesen Film losgelöst von ihr zu betrachten, denn ohne den echten Tolkien, der hier versucht wird zu porträtieren, verliert der Film nicht nur seine Bedeutung, sondern seine ganze Daseinsberechtigung.