Bewertung: 4 / 5
Ridley Scott ist auch mit seinen inzwischen 83 Jahren noch nicht am Ende. Wer wie er seit Jahren Filme gefühlt am Fließband dreht, schafft es natürlich nicht immer, die Zuschauer mit seinen Werken auch zufriedenzustellen, wir denken da z.B. an Alien - Covenant. Doch dank toller Schauspieler und eines überzeugenden Drehbuchs liefert er mit The Last Duel ein atmosphärisch dichtes Mittelalter-Epos ab, welches vom behandelten Thema her kaum aktueller sein könnte. Bei dieser Qualität kann man nur hoffen, dass Scott noch lange weitermachen wird.
The Last Duel Kritik
Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt der Film über das letzte in Frankreich gerichtlich angeordnete Duell zwischen Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver), zwei Freunden, die zu erbitterten Rivalen werden. Als Le Gris gegenüber Carrouges´ Frau Marguerite (Jodie Comer) brutal übergriffig wird und dies vehement bestreitet, weigert sie sich zu schweigen und bringt ihn vor Gericht - ein Akt der Tapferkeit und Willensstärke. Der darauffolgende Zweikampf auf Leben und Tod legt das Schicksal aller drei in Gottes Hand...
Trailer zu The Last Duel
Ridley Scott liefert ein packendes Stück Geschichte ab und beweist erneut, dass er genau der Richtige ist, wenn es darum geht, historische Filme zu drehen. The Last Duel versetzt einen mittenhinein ins Frankreich des 14. Jahrhundert und Scotts Stil ist unverkennbar. Während vor allem Gladiator aber auch Königreich der Himmel groß angelegte Epen sind mit monumentalen Aufnahmen und Schlachten, liefert er hier ein viel intimeres Epos ab. Neben dem titelgebenden Duell darf auch die eine oder andere kurze Schlachtszene nicht fehlen, alles von Scott gewohnt großartig und durchaus auch brutal inszeniert.
Neben der Machart ist auch das Drehbuch ein Pluspunkt des Films. Hier haben sich nach Good Will Hunting erstmals wieder die beiden Freunde Matt Damon und Ben Affleck zusammengetan. Aufgrund der Thematik holten sie sich noch die Oscarnominierte Nicole Holofcener (Can You Ever Forgive Me?) ins Team, um dem Drehbuch die wichtige, weibliche Perspektive zu verpassen. Herausgekommen ist ein Drehbuch, welches teilweise wie ein Theaterstück geschrieben wirkt und in manchen Dialogen gar an Shakespeare erinnert. Wie das Ganze jedoch im Deutschen wirkt, können wir euch nicht sagen, da wir den Film im englischen Original gesehen haben. Gut möglich, dass einiges vom mittelalterlichen Charme in der Synchronisation verlorengeht.
Aber Scott schafft es auch abseits der Dialoge, für die richtige Stimmung zu sorgen. Ein knisterndes Kaminfeuer in den Mauern einer kalten Burg, Räume nur erleuchtet durch den Schein der Kerzen. Das Klirren des Metalls der Rüstungen, das Trampeln der Hufen der Pferde in die Erde. Wer Lust auf einen richtigen Mittelalter-Film hat, wird mit The Last Duel seine helle Freude haben. Scott zieht alle Register, um euch in diese Zeit zurückzuversetzen. Und wie man es von ihm gewohnt ist, wirkt dabei alles echt und greifbar und eben nicht wie ein seelenloses CGI-Fest.
Regie und Drehbuch sind also top, wie sieht es mit den Schauspielern aus? Auch hier haben wir im Grunde nur Lob übrig. Sie alle liefern eine tolle Leistung ab, vor allem Damon, Driver und Comer. Gerade die beiden Erstgenannten spielen im Grunde drei verschiedene Rollen. So ist die Person, als die sich Damons Figur bspw. selbst sieht, eine andere, als ihn Driver oder seine eigene Frau sieht. Besonders hervorheben müssen wir aber natürlich Jodie Comer (Free Guy, Killing Eve). Sie trägt die Bürde dieses Films. Sie vermittelt uns die Brutalität und Ungerechtigkeit dieser Zeit. Sie zeigt uns den Schmerz, den sie durchlebt und die Ohnmacht der Frauen inmitten einer von Männern kontrollierten Justiz, ohne dabei jedoch ihre innere Stärke zu verlieren. Ihre Vernehmung vor Gericht ist schmerzhaft mitanzusehen und die dort vorgebrachten Argumente der Männer gegen Comers Marguerite erinnern sicher nicht ungewollt an so manche Kommentare, die sich Frauen, die ähnliche Vorwürfe gegenüber Männern erheben, heute vor allem in den sozialen Medien ständig ausgesetzt sehen. Es ist traurig und erschreckend, wie aktuell das im Film Gezeigte immer noch ist.
Der Film legt sehr viel Wert auf die eigene Sichtweise, welche hier zu unterschiedlichen Perspektiven führt. Wir finden es daher wichtig, zumindest einmal zu erwähnen, dass diese Filmkritik von einem Mann geschrieben ist und diese Perspektive, vor allem bei dieser Thematik, niemals gleichgesetzt werden kann mit einer weiblichen.
The Last Duel zeigt uns nacheinander dieselbe Geschichte aus der Perspektive der drei Hauptfiguren und vermittelt uns dabei auf gekonnte Weise, wie die eigene Position das Geschehene definiert. Viele Szenen erleben wir gleich mehrmals aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Figuren und merken dabei teils große, teils auch nur kleine Unterschiede. Vor allem wie die beiden Männer sich entgegen der Realität selbst wahrnehmen, wird dadurch gekonnt dargestellt.
Dasselbe gilt auch für die Szene der Vergewaltigung. Scott verschont den Zuschauer weder vor der Brutalität in den Kampfszenen noch vor dieser viel intimeren Brutalität. Und er zeigt uns besagte Tat aus beiden Perspektiven, die eine nicht weniger schlimm als die andere und beide auf ihre eigene Art schmerzhaft mit anzusehen.
Es ist dabei kein Spoiler, wenn wir erwähnen, dass die Vergewaltigung auch eine war. Diese Frage steht nicht im Zentrum des Films. Vielmehr sind es die drei unterschiedlichen Blickwinkel und die Selbstwahrnehmung vor allem der beiden Männer, wodurch der Film seine Faszination schöpft. Während es Le Gris gar nicht erst als Vergewaltigung wahrgenommen hat, scheint Carrouges sich mehr um seine verletzte Ehre und seinen Namen zu sorgen und dabei zu vergessen, dass es seiner Frau war, der Unrecht angetan wurde. Durch die Männer bekommen wir einen teils freudigen und sogar heroischen Blickwinkel aufs Mittelalter. Erst durch Marguerites Augen erleben wir die wenig schmeichelhafte Realität für Millionen andere.
So sieht sich Adam Drivers Figur Le Gris im Film selbst als gutaussehend, charmant und gebildet an. Die Frauen liegen ihm oftmals zu Füßen. Er hat es nicht nötig, Frauen gewaltsam zu nehmen. Der Vorwurf der Vergewaltigung ist für ihn daher lächerlich, aus seiner Sicht gab eine beidseitige Anziehung. Sie wehrte sich zwar ein wenig, aber das muss sie als Lady ja auch, um den Anschein zu wahren. Es ist letztlich erneut Marguerites eigener Blickwinkel auf diese Situation, welche uns die schonungslose und schwer mit anzusehende Wahrheit zeigt.
Diese Art der Selbstwahrnehmung ist leider auch heute noch ein großes Problem, wo ein freundliches Lächeln oder ein unschuldiges Flirten von vielen gleich als Einladung zu sexuellen Übergriffen interpretiert wird. Frei nach dem Motto "Sie will es doch so."
Der Film behandelt ein schwieriges Thema und deckt dabei schonungslos Probleme auf, die auch heute noch den Alltag vieler Menschen bestimmen. Wir möchten The Last Duel aber keineswegs als reine Lehrstunde oder Anklage verstehen. Im besten Fall hilft er vielen einmal über die eigene Sichtweise nachzudenken und sich selbst im eigenen Verhalten zu hinterfragen. Abseits dessen ist es einfach ein toller, trotz der Thematik auch sehr unterhaltsamer Film, gespickt mit spielfreudigen Darstellern und einer tollen Ausstattung.
Wiederschauwert: 80%