Bewertung: 4.5 / 5
Am Mittwoch habe ich mir "Avatar – The Way of Water" im Kino angesehen. Hier mein persönlicher Eindruck vom Film. Die Kritik ist fast spoilerfrei! Ein paar minimale Spoiler zur Ausgangslage sind im ersten Abschnitt zur Handlung enthalten, aber nichts, was man nicht schon aus den Trailern kennt.
Handlung / Storytelling (wenige Spoiler zur Ausgangslage)
Trailer zu Avatar - The Way of Water
Die Handlung von „Avatar - The Way of Water“ setzt zeitlich ungefähr 15 Jahre nach den Ereignissen von Avatar aus 2009 an. Die Na’vi leben seit dem Sieg gegen die Himmelsmenschen wieder in Frieden miteinander und mit den wenigen Menschen, die bleiben durften. Jake Sully und Neytiri haben mittlerweile zwei jugendliche Söhne (Neteyam und Lo’ak) und eine jüngere Tochter (Tuktirey) und quasi einen menschlichen Adoptivsohn, der zu jung für die Kryostasis war, um ihn zur Erde zurückzuschicken. Außerdem wäre da noch die Adoptivtochter Kiri, dessen Herkunft ich hier nicht verraten werde. Es kommt, wie es kommen muss: die Himmelsmenschen kehren plötzlich zurück und sie wollen den Frieden mit den Na’vi erzwingen, weil sie Pandora besiedeln wollen, weil die Erde stirbt. Dazu wollen sie Jake aber töten, weil er ihnen im Weg steht. Darüber hinaus steckt aber auch ein Rachemotiv dahinter, doch auch dazu werde ich nichts weiter erzählen.
Hauptthema der Handlung sind Jake und seine Familie und das Überleben der Familie. Nichts ist Jake wichtiger, aber er will auch seinen Stamm nicht weiter in Gefahr bringen und sucht daher mit seiner Familie Zuflucht bei einem fernen Meeres-Stamm. Ein Großteil der Handlung besteht aus dem Kennenlernen dieses neuen Meeres-Stammes, deren Sitten und vor allem der völlig neuartigen Flora und Fauna des Meeres. Der Film nimmt sich viel Zeit, um die Familie und die neuen Gegebenheiten als Flüchtlinge darzustellen, mit all den guten wie auch den schlechten Seiten. Und natürlich ist auch die Akzeptanz des Volkes von Fremden Kriegsflüchtlingen ein großes Thema. Auch Thema ist natürlich das Erwachsenwerden von Jakes und Neytiris Kindern und den Problemen, die damit einhergehen.
Zweites Thema ist die Rache eines alten Feindes in neuer Gestalt in Form der Suche nach Jake, von grausamen Handlungen an Na’vi und den Meereslebewesen, um Jake aus dem Versteck zu locken und der anschließende Endkampf.
Grundsätzlich „kann“ man sagen, dass in den 192 Minuten nicht sehr viel Handlung passiert, aber dem würde ich mich nicht anschließen. Für mich passierte immer etwas, denn auch das Kennenlernen des neuen Volkes, neuer Na’vi, neuer Charaktere und auch der neuen Flora und Fauna ist so gefühlvoll und detailreich inszeniert worden, dass mir als Zuschauer zu keinem Zeitpunkt langweilig wurde. Immer liegt auf allem halt auch die Bedrohung und ich hatte immer Angst, dass bald etwas Schlimmes passieren wird und der Friede und die Harmonie dem Krieg weichen wird. Die Spannung und die interessante Darstellung haben meine Emotionen ständig auf Trab gehalten und mich einfach völlig mitgerissen. Die 192 Minuten vergingen für mich wie im Flug, und meinetwegen hätte der Film auch noch länger gehen können.
Pacing
Das Pacing ist langsam, aber mir gefällt das Tempo sehr gut, da halt auch immer etwas passiert und man auch visuell unglaublich viel geboten bekommt. Die Handlung ist einfach gehalten und die Schnitte sind gut gesetzt und die Szenen werden nicht ständig gewechselt, sodass man sich geistig auch immer voll auf die Handlung einlassen und seinen Geist in der Handlung und der Welt gleiten lassen kann, ohne gehetzt zu werden. Wenn ich eines nicht mag, dann ist es eine gehetzte Handlung, und davon ist „Avatar – The Way of Water“ zum Glück sehr weit entfernt. Man kann jede Situation auf sich wirken lassen, nebenbei über alles nachdenken und kann die Handlung vollends wirken lassen und genießen.
Klar könnte man negativ anmerken, dass die Story bekannte Wege beschreitet und nicht sonderlich kreativ ist. Und klar bleiben die meisten Charaktere insgesamt recht flach, eindimensional und blass und machen eine klischeebehaftete Entwicklung durch, die man auch öfter durchaus im Vorfeld schon erahnen kann. Aber all das ist auf so wunderschöne und spannende Weise inszeniert worden, dass ich dies hier gar nicht als so negativ empfunden habe. Auch eine einfache Handlung kann man dramatisch, spannend und eindrucksvoll präsentieren. Und auch einfache Handlungen können halt starke Emotionen auslösen. Und genau das hat „Avatar – The Way of Water“ geschafft, zumindest in meinen Augen.
Schauspieler / Charaktere
Die Schauspieler holen allesamt das Beste aus ihren Rollen heraus, was das Drehbuch halt hergibt. Klar sind die Charaktere teilweise oberflächlich und klischeehaft, doch das bringen die Darsteller/-innen klasse rüber. Die CGI-Technik und das Motion-Capturing sind so gelungen, dass man auch den animierten Na’vi-Gesichtern immer die Emotionen ansehen kann.
Jake Sully ist der typische Vater, der seine Familie um jeden Preis beschützen will, dem aber auch Pandora und die Na’vi wichtig sind. Er ist in einigen Situationen hin und hergerissen, weil er oft zwischen seiner Familie und dem Na’vi-Volk entscheiden muss, doch die Familie kommt für ihn halt immer zu erst. Das bringt Sam Worthington glaubhaft und emotional rüber.
Neytiri bleibt hier leider recht blass und entwickelt sich kaum weiter, doch trotzdem überzeugt ihre Emotionalität, die sie oft zeigt. Zoe Saldana hat hier aber leider nicht viel Spielraum für schauspielerische Leistungen. Aber dennoch glaubhaft genug gespielt, um mich nicht aus der Handlung rauszureißen.
Die Kinder spielen auch sehr überzeugend. Vor allem Britain Dalton als jüngerer Sohn Lo’ak hat hier viel Screentime bekommen und hat mich überzeugt. Er handelt glaubhaft und ihn konnte ich später sehr ins Herz schließen, auch wenn er anfangs doch eher der bockige und eigensinnige Jugendliche ist, so entwickelt er sich später zu einem verantwortungsbewussten Sohn, der nicht nur an sich, sondern auch an andere denkt. Seine Entwicklung hat mir gut gefallen.
Die Rolle, die mir allerdings am besten gefallen hat, ist die von Kiri. Sie ist von Anfang an sympathisch und freundlich, aber auch klug und einfühlsam. Sie liebt die Natur von Pandora und fühlt mehr, als andere Na’vi es tun. Den Grund dafür erfährt man noch nicht gänzlich, aber man kann sich halt denken, warum das so ist, wenn man ein wenig darüber nachdenkt. Mehr werde ich über sie auch nicht verraten. Für mich auf jeden Fall mein neuer Lieblingscharakter.
Dann ist da noch der Antagonist. Hier will ich nicht zu viel zu seiner Rolle verraten. Allerdings gefällt mir seine Darstellung hier gut und man merkt auch, dass sich gewisse Interessenkonflikte im Innern abspielen. Es scheint, als mache er eine Entwicklung durch, dessen Ende man nur erahnen kann. Jedenfalls zeigt er deutlich mehr Emotionen, als man es erwarten könnte. Mir gefällt die Entwicklung, und ich bin gespannt, wohin seine Rolle sich in den Fortsetzungen weiterentwickelt.
CGI-Animationen / Actionszenen
Kommen wir zum absoluten Sahnestück des Films: Der Technik.
Die CGI-Qualität ist auf allerhöchstem Niveau und kann dieses Niveau auch dauerhaft und in jeder einzelnen Szene halten. Niemals gibt es eine Szene, in der die CGI-Qualität plötzlich schlechter ist oder negativ auffällt. Die kompletten Animationen fügen sich so perfekt in das Gesamtbild und Geschehen ein, dass man immer denken könnte, diese Welt sei absolut real und keine Welt aus dem Computer. Einfach nur perfekt und das neue Maß aller Dinge. Hiermit wird sich in nächster Zeit bis Avatar 3 wohl alles messen müssen. Absolut grandios!
Doch damit ist noch lange nicht alles gesagt. Die Flora und die Fauna sind einfach wunderschön und extrem kreativ und toll in Szene gesetzt. Es berührt mein Herz, diese wunderschöne Welt von Pandora und vor allem auch die Unterwasserwelt von Pandora in dieser hohen Qualität zu sehen. Kein Zoobesuch in unserer Realität könnte diesem Erlebnis gleichkommen, weil es eben einfach keinen Zoo über Pandoras Flora und Fauna gibt. Punkt. Das ist Fantasy, und die gibt es nur in Film, Videospielen oder im eigenen Kopf. Und diese in Verbindung mit einer spannenden Handlung, die mich emotional mitnimmt, gibt es in einem realen Zoo erst recht nicht.
Die Actionszenen sind in dreierlei Hinsicht absolut herausragend. Zum Ersten deshalb, weil halt nicht eine Actionszene die nächste jagt und man der Action dadurch auch niemals müde oder überdrüssig wird und man halt immer viele Verschnaufpausen zwischen den Actionszenen bekommt. Zum Zweiten deshalb, weil die Actionszenen grandios inszeniert sind. Sie sind kurz, aber knackig und brachial. Die Kameraführung ist absolut perfekt, denn man behalt als Zuschauer immer die volle Übersicht über das Geschehen dank vieler Totalaufnahmen und einer sehr ruhigen Kameraführung. Wer Angst vor einer Wackelkamera hat, den kann ich hier beruhigen. Auch die Schnitte sind toll gesetzt und wirken nicht zu gehetzt oder hektisch, sondern dienen immer der Übersicht über das Geschehen. Jede Actionszene ist ein Fest für die Augen und den Geist.
Zu guter Letzt sind die Actionszenen auch deshalb so grandios, weil sie nicht nur da sind, um halt da zu sein, sondern weil auch die Actionszenen die Handlung vorantreiben und weitererzählen und weil auch die Charaktere in den Actionszenen eine Entwicklung durchmachen. Klasse!
Kommen wir nun noch zu der HFR-Technik (48 Bilder pro Sekunde). Diese Technik weiß, zumindest mich, zu 100 % zu überzeugen. Die 48 Bilder sorgen für ein nahezu perfektes 3D. Die 48 Bilder pro Sekunde (HFR) sind ein wahrer Genuss für die Augen. Da der Film allerdings nicht vollständig in 48 Bildern vorliegt, sondern auch Szenen mit 24 Bildern bietet, wirken diese schon fast störend und man will dann sofort wieder die 48 Bilder haben, zumindest ging es mir so. Soap-Effekt? Das ist meiner Meinung nach eine bloße Einbildung, weil wir halt seit Jahrzehnten im Kino 24 Bilder pro Sekunde so gewohnt sind. Wenn man sich erstmal nach einigen Minuten an die 48 Bilder pro Sekunde gewöhnt hat, dann nimmt man das als völlig natürlich hin und empfindet die 24 Bilder als grässlich und immersionsstörend. Die Bildruhe und auch die Bildschärfe bei 48 Bildern ist unglaublich und es fühlt sich im Vergleich zu 24 Bildern an, als hätte man einen Schleier von den Augen genommen, den man jahrzehntelang ge(er-)tragen hat.
Toll ist auch, dass Größe und Tiefe durch die Kombination der tollen Techniken hier richtig gut rübergebracht wird. Wenn z. B. ein großes „Walfänger-Schiff“ auf die Kamera zufährt, wirkt es echt bedrohlich und gigantisch.
Die 48 Bilder pro Sekunde in Verbindung mit dem hervorragenden 3D-Effekt und der extrem hohen CGI-Qualität und den herausragenden Actionszenen und dem Anschein nach diversen praktischen Effekten ergeben den visuell wohl beeindruckendsten Film, den ich je im Kino gesehen und erlebt habe.
Setting
Pandora ist ein unglaublich schöner Planet, und ich liebe die Detailverliebtheit, mit der Cameron diese Welt zum Leben erweckt. Dadurch fühle ich richtig mit, wenn den Lebewesen etwas passiert oder diese verletzt oder getötet werden. Ich kann ich in dieser Welt verlieren und freue mich schon jetzt auf die drei weiteren Fortsetzungen, um noch mehr von der Welt erleben zu dürfen.
Kamera / Schnitt
Hierzu habe ich ja weiter oben schon einiges gesagt. Die Kameraführung ist auf Top-Niveau, weil die Kamera zum einen immer schön ruhig gehalten wird und es keinerlei nervige Wackelkamera gibt. Die Szenen sind immer toll in Szene gesetzt, sei es durch richtig schöne Totalaufnahmen und Panoramen, die mir sprichwörtlich die Kinnlade herunterklappen lassen. Die Kamerafahrten durch die Luft sind durch die 48 Bilder unglaublich schön und einladend. Auch in den Actionszenen behält man immer einen super Überblick.
Auch die Schnitte sind immer gut gesetzt und wirken weder gehetzt noch hektisch, sondern dienen immer der Übersicht über das Geschehen und die Handlung. Hier kann ich nichts negatives zu sagen.
Ton
Leider habe ich den Film nicht in einem Kinosaal mit Dolby Atmos gesehen, doch trotzdem ist die Tonabmischung auf sehr hohem Niveau. Die Klangkulisse ist sehr räumlich und differenziert und es gibt unzählige Details in der Geräuschkulisse, vor allem auch unter Wasser. Sprache und Musik sind gut abgemischt und kommen sich nie in die Quere. Actionszenen sind druckvoll und sehr dynamisch. Alles in allem auch tonal ein Ohrenschmauß.
Musik
Der Soundtrack von „Avatar – The Way of Water” ist ein wahrer Genuss für die Ohren und verstärkt immer die Emotionen, die der Film ständig in mir auslöst. Die Musik ist emotional und episch zu gleich, wirkt aber immer passend zum Geschehen und wirkt niemals zu aufdringlich oder störend. Einige Melodien hallen sogar jetzt, nach über zwei Tagen noch in meinem Kopf wider. Ein gutes Zeichen, und das schafft Filmmusik heutzutage bei mir nur selten.
Humor
Der Film ist glücklicherweise sehr ernst und Humor ist hier eigentlich kaum vorhanden, höchstens mal sehr subtil oder durch ein oder zwei Sprüche.
Fazit
„Avatar – The Way of Water“ hat mich emotional von Anfang bis Ende gepackt und die Handlung ist -wenn auch sehr einfach und klischeehaft- durchweg spannend und interessant und schafft es, mich 192 Minuten lang mitzureißen, ohne dass mir langweilig wurde. Die Charaktere bleiben zum Teil flach und sind ebenfalls klischeehaft umgesetzt, wachsen mir aber trotzdem zum Teil sehr ans Herz. Die 48 Bilder pro Sekunde in Verbindung mit dem hervorragenden 3D-Effekt, den perfekten CGI-Animationen, den vielen praktischen Effekten und den tollen Unterwasserszenen sind wahrer Genuss für die Augen. Die Actionszenen nehmen nicht Überhand und sind eher rar gesät, dafür aber knackig und grandios inszeniert. Die Kameraführung und die Schnitte sind auf hohem Niveau. Soundtrack, Tonabmischung und die detailreiche Geräuschkulisse sind ein wahrer Genuß für die Ohren.
Für mich ist „Avatar – The Way of Water“ eines der besten, packendsten und intensivsten Kinoerlebnisse der letzten zehn Jahre gewesen. Selbst nach fast zwei Tagen denke ich noch immer intensiv und sehr gerne an das Erlebnis zurück. Der Kinobesuch hat sich voll und ganz gelohnt und ich werde ihn mir sicherlich noch ein zweites Mal im Kino ansehen.
Für mich zeichnet sich hier ganz klar ab, dass es sich bei Avatar um ein echtes Epos handelt. Ich bin schon jetzt mächtig gespannt, wie es in Avatar 3 weitergeht und kann dessen Release kaum erwarten.
9/10 Punkte – Hoher Wiederschauwert