
Bewertung: 3.5 / 5
Der großmäulige Deadpool (Ryan Reynolds) träumt davon, ein Avenger zu werden. Doch das will nicht so richtig gelingen. Eines Tages jedoch, bietet ihm der unseriöse TVA-Agent Mr. Paradox (Matthew Macfadyen) an, die Zeitlinie zu wechseln. Das würde für Deadpool aber beuten, daß er seine Welt hinter sich lassen müsste. Das kann Deadpool nicht zulassen und deshalb schickt Mr. Paradox ihn und eine heruntergekommene Variante von Wolverine (Hugh Jackman) in die Leere. Dort angekommen treffen sie auf Cassandra Nova (Emma Corrin), die dort ein Regime voller Schrecken aufgebaut hat.
Man sagt wir Menschen bewerten Geschichten meist nach ihrem Ende. Die Konklusion einer Reise wertet je nach Umsetzung ein Produkt noch einmal auf, oder ab. Und das ist knifflig geworden, wenn wir dieser Tage nach Hollywood blicken. Serielles Erzählen hat nicht erst seit gestern die Oberhand über die Filme und Filme sind ohnehin doch eher nur noch der nächste Höhepunkt. Da kann man einem Martin Scorsese, unabhängig davon, daß er den falschen Kern benennt, nur zustimmen. Und da wären wir also wieder bei Marvel. Ja, Marvel hier, Marvel da. Auch da, es gab diese Zeit, in der man Marvel-Filme an einer Hand abzählen konnte und jeder, der auch nur im Entferntesten mit Comics zu tun hatte, sich danach gesehnt hätte, eine Adaption von Iron Man (2008) oder eben ein Werk wie The First Avenger: Civil War (2016) zu erhalten. Das ist die Zeit, der Comicverfilmungen gewesen und wenn man sich mal die 2020er filmisch anschaut, dann scheint diese ihre Götterdämmerung zu erleben. Wobei totgesagte natürlich länger leben und auch im Hinblick auf das, was da noch kommen wird, sicherlich noch der ein oder andere filmische Paukenschlag vorhanden ist. Einer dieser Paukenschläge soll nun Deadpool & Wolverine sein. Ein Titel, so selbsterklärend, wie er nur sein kann und die Frage, die sich alle im Vorhinein stellen dürften ist, wie das im Hinblick auf Logan – The Wolverine (2017) funktioniert. Nun im Multiversum ist ja alles möglich und insofern war die Frage vielleicht auch von Grund auf sehr dumm. Aber nun ja, so ist es halt.
Trailer zu Deadpool & Wolverine
Was dieser Tage auffällt oder zumindest ein breites Gefühl darstellt, ist, daß Marvel-Filme irgendwie nicht mehr ganz zugänglich erscheinen. Diffus zuweilen, verfasst mit Irrungen und Wirrungen und man fragt sich als Zuschauer sicherlich auch in Deadpool & Wolverine nicht nur einmal, ob man wirklich die kognitiven Fähigkeiten besitzt, die Filme zu verstehen. Denn wenn man die letzten Marvel-Filme, so ab Doctor Strange in the Multiverse of Madness (2022) betrachtet, dann fällt auf, daß Geschichten in Marvel-Produktionen nur noch zweitrangig sind. Und das ist an sich kein Problem, weil Geschichten innerhalb eines Films eigentlich auch immer die zweite Geige spielen sollten. Doch es fällt schon auf, daß man in diesem Universum kaum noch hinterherkommt, wenn man nicht tausende von Trivialitäten im Großhirn mit sich trägt und diese nicht immer anwendet, wenn man einen Marvel-Film schaut. Denn das muss man schon wollen. Irgendwie ist da ein Paralleluniversum. Irgendwie ist Deadpool nun im Marvel Cinematic Universe. Irgendwie ist Wolverine Wolverine und irgendwie aus einem anderen Universum. Irgendwie hat Charles Xavier eine Schwester, die irgendwie böse ist und irgendwie ist irgendwie alles irgendwie erklärbar. Ja, man versteht den Film und man braucht auch keine Doktorarbeit in Marvel-Literatur, um irgendwie dahinterzusteigen, was Deadpool & Wolverine nun für ein Film ist. Doch das wirkt alles einfach nur wie Fanservice und Pseudo-Skandale um ein paar schmutzige Wörter und abgeschnittene Gliedmaßen. Denn auch wenn sich der Film explizit auf einige Zensurgesetze republikanischer Hardliner bezieht und diese durch den Kakao laufen lässt, so geht das alles viel zu schnell, ohne, daß irgendein bleibender Eindruck entsteht.
Unterdessen bleiben typische Probleme des Marvel Cinematic Universe auch in Deadpool & Wolverine erhalten. Diese Ausgeburt der Hölle, pervertiert durch Guardians of the Galaxy Vol. 2 (2017) und Thor: Tag der Entscheidung (2017) zeichnet erneut das Phänomen aus irgendwie lustig, aber irgendwie auch voll ernst. Auch da findet der Film mal einen cleveren Kommentar, wenn er sich über die Pseudo-Origin jedes Gen Z-Dramatikers lustig macht. Man kann diese Mentalität nicht mehr hören und wie gesagt, Deadpool funktionierte auch immer besser in einzelnen Sketchen, als in tatsächlicher Spielfilmlänge. Als Figur zu unzugänglich, zu distanziert und irgendwie immer noch pubertär. Ja, das mag in Amerika ein Skandal sein, doch auch Deadpool & Wolverine zeigt nichts, was es nicht schon einmal gegeben hätte. Weder in der Rhetorik, noch in den Bildern. Und nach dem dieses gebashe nun wirklich sein Ende gefunden hat, kann man nun auch mal über die Qualitäten vom Film reden. Diese gibt es nämlich auch und sie sind unverkennbar. Angefangen natürlich mit Hugh Jackman, dessen Rückkehr zu seiner Paraderolle zwar einen nicht ganz prickelnden Beigeschmack hat, aber grundsätzlich doch funktioniert. Die Physis, der er in die Rolle legt. Die Dramatik, die Jackman auch bei dieser durchaus tiefsinnigen Figur herausstellen kann. All das ist grandios und tatsächlich, als Fan der Figur kommt man dann auch auf seine Kosten. Reynolds hingegen spielt eigentlich nicht mehr, sondern hat sich zu seinem ohnehin sehr anstrengenden sonstigem Gelaber einfach nur eine Maske aufgesetzt. Schauspiel kann man das kaum noch nennen, aber es funktioniert in dieser Konstellation. Denn was Deadpool & Wolverine vorrangig, vor all dem Drama und dem Multiversumsgedöns ist, ist eine Buddy-Komödie. Eine Formel natürlich, die sich anbietet, die auch den Comics entspricht und die bisweilen ein sehr leichtherziges Gefühl entwickeln kann. Deadpool nervt und Wolverine sagt ihm höchst unsanft, daß er doch einmal die Fresse halten möge. Das funktioniert und ist als Blockbuster dann auch absolut in Ordnung.
Ihnen gegenüber steht mit Emma Corrins Cassandra Nova eine Figur, deren labile Ader durchaus spürbar ist und als Bedrohung dadurch funktioniert. Corrin spielt ziemlich überzeugend, wenngleich in dem Rahmen und mit den Möglichkeiten mit der Figur nicht allzu viel zu machen ist.
Klar, zu meckern gibt es an Deadpool & Wolverine vieles. Der inkonsistente Ton voller Selbstironie, aber einem Background in den Figuren. Dann wiederum ist das wirr, laut und mitunter zu infantil. Gleichzeitig gelingt es aber doch den Spaß an dem Werk herauszustellen und als seichter Buddy-Film ist das hier sicherlich nicht so schlecht. Und daher kann man nicht anders, als das auch als nicht so schlecht zu empfinden.
