Anzeige
Anzeige
Anzeige

Elle

Kritik Details Trailer News
Elle Kritik

Elle Kritik

Elle Kritik
3 Kommentare - 23.01.2022 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Elle" ist.
Elle

Bewertung: 4 / 5

Michèle Leblanc (Isabelle Huppert) arbeitet als Leiterin einer großen Videospielfirma. Als Chefin ist sie bemüht, das beste Resultat aus der Arbeit mit ihren Kollegen zu ziehen und schreckt dabei auch nicht davor zurück, direkte Kritik zu äußern. Auch abseits ihres Berufes ist die Frau von einer unterkühlten Ader geplagt und findet daher keinen Anschluß in zwischenmenschlichen Beziehung. Auch zu ihrem Sohn Vincent Leblanc (Jonas Bloquet) und seiner Ehefrau Rebecca (Virginie Efira) hat Michèle ein angespanntes Verhältnis, da sie ihren Sohn finanziell unterstützen muss, und auch von ihrer Schwiegertochter nicht viel hält. Als Michèle eines Tages von einem fremden Mann vergewaltigt wird, ändert sich ihr Leben sofort.

Paul Verhoeven gehört zu der Sorte Regisseur, die eigentlich mit jedem Film den Rahmen sprengen. Sexuelle Macht, explizite Gewalt oder die vermeintliche Dysbalance zwischen den Geschlechtern. Seine Filme erzählen in der Regel Geschichten, die nicht zwangsläufig einen ebenfalls vermeintlichen ordinären Subtext zu sich haben, dennoch in ihrer Explizitheit durch die weitere Ausführung zu heftigen Diskussionen führen. Nun veröffentlichte Verhoeven nach zehnjähriger Abstinenz mit Elle einen weiteren Film, der natürlich ob seiner Prämisse die Frage nach sexistischen Konnotationen seitens Verhoeven in seinen Filmen präsent hält. Jedem anderen Regisseur wäre die Inszenierung einer solchen Geschichte vermutlich ohne großes Aufsehen in der öffentlichen Verarbeitung des Werkes gelungen, doch bei Verhoeven ist das anders. Dabei muss man dem Film natürlich zurechnen, daß es sich eigentlich um einen Skandal in einem Skandal handelt. Denn Tatsache ist, daß schon allein der Umstand einer Frau mittleren Alters in der (ungewollten) Auslebung, besser gesagt der puren gewaltausstrahlenden Version von Sex ein Skandal ist. Die Frau als Opfer. Die alte Frau als Opfer. Viel besser kann man eigentlich keine Schlagzeilen machen. Nun muss man dazu sagen, daß die Figur von Huppert nochmal etwas mehr als zehn Jahre jünger sein soll, als die Schauspielerin zu der Zeit war. Doch vermutlich ist das Alter der Figur/der Schauspielerin nicht mal so ausschlaggebend, als der reine Akt zwischen diesen Menschen.

Trailer zu Elle

Und so genau will man das vielleicht auch gar nicht sehen. Schließlich ist nicht einvernehmlicher Sex die pure Ausübung von Macht, Gewalt und der Verlust der juristisch sonst oftmals verklärten Ehre. Nur in diesem Kontext vielleicht gelingt die Greifbarkeit des Begriffes als solches. Während Basic Instinct (1992) seiner Zeit noch den Feminismus in den Vordergrund stellte, bedient ihn Elle in subtileren Momenten. Gerade dieser Umstand scheint für viele Personen auch ziemlich zweifelhaft und so waren die Aufschreie nach dem Film auch zum Thema männliche Dominanz nach dem Film erneut groß. Dabei ist es eigentlich offensichtlich. Denn während die pure Gewalt durch einen Mann durchgeführt wird, so liegt die eigentliche Macht im Film ganz klar bei den Frauen. Denn Michèle und ihre Freundin Anna betreiben eine kleine Videospielfirma, in welcher sie sich tagtäglich gegen jüngere, männliche Kollegen behaupten müssen und auch behaupten. Ihre Schwiegertochter Rebecca scheint auch ihren Sohn komplett unter Kontrolle zu haben, indem sie ihm Anweisungen über den Umgang mit ihrem Kind und den gesellschaftlichen Vorgehensweisen weist. Und auch ihre Mutter Irène kann sich an einer eher subtilen Macht über das männliche Geschlecht auf gesellschaftlicher Ebene erfreuen. So verlobt sie sich mit einem weitaus jüngeren Mann. Unweigerlich kommen dabei auch Erinnerungen an die Schullektüre Der Vorleser, sowie an den Klassiker Harold and Maude (1971) auf. Natürlich darf man hier keinen kompletten Vergleich ziehen, weil auch die Thematiken beider Werke sich unmittelbar auf das Dritte Reich beziehen, dennoch ist es in allen Fällen ein Spiegel, weil die soziale Wertung jener Beziehungsmodelle, das Waagenverhältnis aus Mann jung, Frau alt und Frau alt, Mann jung, deutlich zugunsten Ersten auslegt, was hier in dieser Form Gängiger und akzeptierter ist.

Interessant ist, daß der Film sich hier erstaunlich zurückhält, wenn es um die Blicke der breiten Masse geht. Denn gerade solche moralischen Pseudo-Eskapaden, rufen nicht selten auch die schelmischen und kritischen Blicke des sozialen Umfeldes, bzw. der näheren Umgebung auf den Plan. Der Film macht das zwar teilweise zum Thema, gibt den Figuren im Rahmen des Drehbuches aber genügend eigene Probleme, wodurch hier weniger karikierend wie noch in Edward mit den Scherenhänden (1990) vorgegangen wird. Witzigerweise könnte der Film zudem auch spielend den Einfluss der sogenannten Neuen Medien des digitalen Zeitalters zum zentralen Punkt seiner Geschichte machen. Dennoch wird auch dieser Gedanke nicht konsequent zu Ende gedacht. So gibt es zwar klare Verweise auf das Thema Cybermobbing und den systematischen Rufmord, der hinter dem Vorgehen steckt, allerdings wird dieser Gedanke auch nicht weit genug gedacht und dient dem Zuschauer als Finte im übergeordneten Kriminalplot.

Doch das ist nicht weiter wild, wenn man dafür dann in die Psyche der Hauptfigur abtauchen kann. Denn das Thema Missbrauch, beziehungsweise der Umgang der Menschen mit dem Thema folgt hier ähnlichen Verhaltensmustern, wie Trauer-Phasen-Modell nach Kübler-Ross. So werden wird der Umgang, die Verarbeitung vor allem in der Verdrängung gesucht, während die Figur in einen fast lethargischen Zustand verfällt. So wird auch die Arbeit als solche in den Mittelpunkt gestellt, während das eigentliche Problem bei Seite geschoben wird. Indes ist es vor allem die schauspielerische Leistung von Huppert, die diesen Umstand verdeutlicht. So wird beim netten Pläuschchen mit den Freunden in einem fast beiläufigen Satz erwähnt, daß man ja sexuell missbraucht wurde. Nun mag das allein für die Figur und auch im Hinblick auf die Psyche jetzt nicht so ausschlaggebend sein, dennoch darf auch die Frage gestellt werden, ob Verhoeven dahinter nicht sogar eine weitere Absicht verfolgt. Es könnte natürlich auch ein wenig weit gedacht sein, dennoch ist gerade das soziale Miteinander ein Kern des Filmes und wenn man das Gespräch auf einen sinnigeren Gehalt prüft, so entlarvt Verhoven mit Elle vielleicht sogar die Gepflogenheiten als solche. Was darf man erzählen, was darf man nicht erzählen und vor allem, wie erzähle ich etwas.

Nun ist es auch nicht das erste Trauma im Leben der Figur. Im weiteren Verlauf stellt sich auch die Bindung zum eigenen Vater als nicht unproblematisch heraus. Psychoanalytiker würden hier vielleicht sogar einen Zusammenhang, und man muss vermutlich auch keiner sein, um den zu erkennen. Allerdings gründet der Film damit grundsätzlich vielleicht eher die Unterkühlung der Hauptfigur, als die ein wahres Verständnis für das gesamte Wesen der Figur zu zeichnen.

Pure Gewalt schreitet in Elle auf den Zuschauer hinzu. Wenngleich manche Idee nicht konsequent genug gesponnen wird, so liefert der Film eine unglaubliche Charakterstudie und stellt ein Thema in den Mittelpunkt, welches ihm nur selten aus den Händen gleitet. Skandalös ist das vermutlich schon, wobei auch andere Werke Verhoevens dahingehend mehr Zündstoff hatten. Doch wenn man die typischen Provokationen mal ausblendet, gelingt es dem Film durch seine sozialen Stigmata zu analysieren, ohne dabei großartig peinlich zu wirken. Schauspielerisch großartig ist das zudem noch.

Elle Bewertung
Bewertung des Films
810

Weitere spannende Kritiken

Kung Fu Panda 4 Kritik

Kung Fu Panda 4 Kritik

Poster Bild
Kritik vom 17.03.2024 von ProfessorX - 0 Kommentare
Po (Jack Black) soll auf Anweisung seines Meisters Shifu (Dustin Hoffman) einen neuen Drachenkrieger als Nachfolger auswählen. Er selbst soll nämlich die Rolle des spirituellen Führers einnehmen. Doch Po ist noch nicht bereit die Rolle des Drachenkriegers aufzugeben, in der er sich so...
Kritik lesen »

Wolverine - Weg des Kriegers Kritik

Userkritik von Raven13

Poster Bild
Kritik vom 16.03.2024 von Raven13 - 2 Kommentare
Diese Kritik ist spoilerfrei! "Wolverine: Weg des Kriegers" ist in meinen Augen der verkannteste Film der X-Men-Reihe. Den niedrigen IMBD-Wertungsspiegel des Films kann ich absolut nicht nachvollziehen. Für mich einer der besten Filme der gesamten X-Men-Filmreihe. Die Handlung spielt nach &bd...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Horizont erweitern

Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!
3 Kommentare
Avatar
TiiN : : Goldkerlchen 2019
24.01.2022 18:49 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.975 | Reviews: 173 | Hüte: 604

Ein paar Kritiken auf Halde, oha laughing Ich freue mich drauf.


Avatar
ProfessorX : : Moviejones-Fan
24.01.2022 18:36 Uhr | Editiert am 24.01.2022 - 18:37 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 932 | Reviews: 1.016 | Hüte: 42

@TiiN

Ich hatte ihn schon im Dezember gesehen und was dazu geschrieben, will hier aber nichts vollspamen, deshalb hab ich so ein Paar Filme auf Halde XD

Ein Zufall war das aber sicherlich nicht.

Consider that a divorce!

Avatar
TiiN : : Goldkerlchen 2019
24.01.2022 18:33 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.975 | Reviews: 173 | Hüte: 604

Freut mich ProfessorX, dass du dir ebenfalls Elle angeschaut hast. Zufällig nach meinem Post oder konnte ich dich darauf aufmerksam machen?

Deine Kritik ist jedenfalls sehr gelungen und tiefgründig.


Forum Neues Thema
AnzeigeY