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Kleine schmutzige Briefe

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Kleine schmutzige Briefe Kritik

Kleine schmutzige Briefe Kritik

Kleine schmutzige Briefe Kritik
0 Kommentare - 09.04.2024 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Kleine schmutzige Briefe" ist.

Bewertung: 3 / 5

Im süßen Städtchen Littlehampton leben Rose Gooding (Jessie Buckley) und Edith Swan (Olivia Colman). Rose ist eine lebensfrohe und freischnäuzige Dame, während Edith konservativ und gottesfürchtig ist. Eines Tages erhalten mehrere Anwohner der Stadt anrüchige und obszöne Briefe mit dreisten Anschuldigungen. Scotland Yard schaltet sich ein und wegen ihrer Art wird schnell Rose verdächtigt. Für diese droht eine Welt zusammenzubrechen, denn das Sorgerecht für ihre Tochter wird daraufhin infrage gestellt. Als nach der Verhaftung von Rose allerdings die Flut an Briefen kein Ende findet, schaltet sich die Polizistin Gladys Moss (Anjana Vasan) ein, um den Fall noch einmal genau zu untersuchen.

Die Idylle der britischen Kleinstadt ist oft Opfer progressivem Kunstschaffens. Die gesellschaftlichen Gepflogenheiten werden dort zur Schau gestellt und es ist schnell klar, woran sich liberale bis linke Künstler dort abarbeiten. Insofern mag Kleine schmutzige Briefe eher durch Intimität, als durch tatsächlich beispielloses Storytelling überzeugen. Ja, man kann sagen der Film handelt kleinere Themen ab und die Frage der Wagnis ist hier eine Frage, der Rhetorik. Denn Sprache spielt hier unmittelbar eine Rolle. Ein Skandal, der das Skandalöse am Skandal verballhornt wie man so schön sagt. Und dann ist man natürlich als aufgeschlossener, ja sogar freischnäutziger Mensch ein wenig unterfordert. Wobei man hier erwischt wird? Nun, dabei Wortflatulenzen und reine Obszönitäten in einem Kreis der normalen, bis pseudo-gehobenen Klasse lustig zu finden. Ja, man ist eben doch nicht so intellektuell und der Sprache so erhaben, wie es vielleicht der ein oder andere Romantiker war. Dabei ist die Frage, ob anstößige Worte und Taten wirklich das sind, was den Skandal an Kleine schmutzige Briefe überhaupt ausmachen soll. In den Staaten werden die Ohren bluten, doch dort gelten Worte ja ohnehin als schlimmere Schandtat als etwa Gewalt in Filmen. Insofern kann man in einer ohnehin recht irren Welt nicht mit einem normalen Maßstab herangehen und das bewerten.

Der Gedanke, der einem zunächst aufkommt, ist, daß man hier mit einer Art Whodunit konfrontiert ist. Schmutzige Briefe in der Idylle. Rufmord und Behauptungen, die vor allem als psychischer Terror dienen. Die filminterne Logik und damit auch die Logik, die sich vermutlich auf fast jeden Zuschauer sofort überträgt, ist, daß die angebotene und einfache Lösung für diese Frage, nicht die richtige sein kann. Gut nur, daß Kleine schmutzige Briefe eben auch nicht einfach ein Krimi ist. Und die Verdächtigen in diesem Ort werden doch recht schnell recht rar und damit bietet der Film eigentlich nur eine unmittelbare Lösung an, wodurch nicht wirklich Spannung aufkommt. Aber wie gesagt, es handelt sich eben auch nicht um einen Krimi in dem Sinne. Viel eher kann man Kleine schmutzige Briefe als eine Art Parabel auf das Treiben in sozialen Medien lesen. Seien es Instagram, Twitter oder auch WhatsApp. Jeder in diesem Film hat eine klare und eine eindeutige Meinung zu dem, was diese Briefe machen und auch zu dem, den sie betreffen und wer dafür angeblich verantwortlich ist. Und in diesen Briefen werden Beleidigungen sexueller Natur, Tiervergleiche, Vergleiche mit Stuhlgängen und Potenzen am laufenden Band abgesondert. Daß ausgerechnet Olivia Coleman hier die Hauptrolle verkörpert wird zur unfreiwilligen Ironie, wenn man sie aus Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (2007) kennt.

Weiterhin kann man wohl sagen, daß Kleine schmutzige Briefe im Untergrund mit den verruchten Verlangen seiner Figuren spielt. Im Zentrum steht nicht umsonst eine Frau mittleren Alters, die bei ihren Eltern wohnt und vermutlich noch jungfräulich ist. Es zeigt sich, daß gerade Menschen, die ihre sexuellen Triebe nicht ausleben können, eben dazu neigen diesen auf anderen Wegen freien Lauf zu lassen. Unterdrücktes Verlangen ist ja nicht umsonst in der Psychologie einer von vielen Auslösern für Erkrankungen im Geiste. Nun würde ich an der Stelle zwar ungern einen Vergleich dieser Art wagen, zumal die ethische und philosophische Debatte dahinter ja auch nicht zu kurz geführt werden kann. Aber ja, das Zölibat zum Beispiel ist eines von vielen Problemen. Und der Glaube spielt hier ohnehin eine nicht unwesentliche Rolle. Denn die Figuren sind, wie es für Kleinstädter nicht unüblich ist, auch relativ gläubig. Am laufenden Band beobachtet der Zuschauer Edith Swan in die Kirche geht, sich dort anderweitig noch beteiligt und ansonsten auch ein angesehenes Mitglied ihrer Gemeinschaft ist. Es ist klar, daß dadurch aber eben auch klar ist, daß sie ansonsten recht wenig vom Leben hat. Denn immerhin wohnt sie immer noch bei ihren Eltern und hat auch sonst keine sexuellen Abenteuer, wie einen Geliebten, oder einen Mann. Da ist nichts als der bloße Zustand der Familie. Nun wäre das im freudschen Sinne sicherlich auch noch einmal spannend zu analysieren, aber so weit wollen wir dann nicht gehen.

Die Angst vor dem gesellschaftlichen Ausstoß und die willkürliche Bewertung der eigenen Existenz durch andere bringt die Figuren an ihre Grenzen. Sie haben das Gefühl, sie müssten lügen, um nicht alleine zu sein. Aber wie gesagt, es handelt sich um Willkür, denn warum kann man nicht dazu stehen, daß man ein uneheliches Kind hat? Ja, jetzt könnte man argumentieren, daß man da a inzwischen gesellschaftlich wesentlich weiter ist. Aber mal ehrlich, ist man das wirklich? Kleine schmutzige Briefe ist eine Komödie, die sich sehr mit der Bedeutung der Frau innerhalb einer von Männern dominierten Gesellschaft befasst. Das ist nicht allzu außergewöhnlich, schließlich sind Filme wie Barbie (2023) oder Priscilla (2023) aktueller denn je. Tatsächlich gelingt diesem Werk hier aber eine systemische Analyse deutlich besser, weil der Film eben nicht auf plumpe Feindbilder zurückgeht und aus dem gesamten Treiben einen peinlichen Geschlechterkampf macht. Der Paukenschlag dabei ist, daß man sich jemanden nimmt, der Teil eines verlogenen Systems ist und diese Person dann wiederum entlarvt. Natürlich sorgt das zum Ende hin für recht verdutzte Minen und man kann sagen, daß das wohl auch nicht zu einer kompletten Änderung der Verhältnisse kommt. Denn ja, die Figuren wissen gar nicht so recht, wie ihnen geschieht. Doch genau dadurch regt der Film letzten Endes zum Nachdenken an.

Die Kleinstadtromantik findet ihr jähes Ende in Kleine schmutzige Briefe. Ein Film wie ein Spiegel unserer Zeit, der sich mit Banalitäten befasst, weil es für viele Menschen das einzige ist, was sie haben. Die Wirkung nach Außen und Abbauen von Vorurteilen ist hier zentral. Gepaart mit tollem Schauspiel und bitteren Momenten ist der Film zu jedem Zeitpunkt unterhaltsam.

Kleine schmutzige Briefe Bewertung
Bewertung des Films
610

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