Bewertung: 4.5 / 5
Mit Once Upon a Time... in Hollywood unterstreicht Quentin Tarantino einmal mehr, warum er nicht nur zu den besten Regisseuren Hollywoods gehört, sondern dass er auch einer der wenigen ist, die das klassische Medium Film derart lieben. Es ist ein Film, der sich auf den ersten Blick eines schweren Themas annimmt, es von einer ungewöhnlich fiktiven Ausgangssituation betrachtet und den Zuschauer über lange Zeit im Unklaren lässt, wie alles zusammenpasst. Dabei erlebt man vielleicht nicht den besten Film aller Zeiten, aber ein Werk, welches eine echte Seele hat und dem eine wahre Magie innewohnt.
Once Upon a Time... in Hollywood Kritik
Einst war Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ein gefeierter Westernheld, doch diese ruhmreichen Zeiten sind vorbei. Inzwischen verdient er vor allem mit Nebenrollen sein Geld, während sein Stern nach und nach zu sinken beginnt. Immer an Ricks Seite, Cliff Booth (Brad Pitt), der nicht nur Ricks Stunt Double ist, sondern auch Fahrer, Mädchen für alles und sein bester Freund. Sie beide versuchen, ihren Platz in Hollywood zu finden bzw. zu halten, dem Ort, der Menschen groß macht und dann gnadenlos gegen neue und frischere Gesichter austauscht. So unterscheiden Rick und Cliff sich nicht ein bisschen von anderen Kämpfenden in Hollywood - würde Rick nicht zufällig neben Sharon Tate (Margot Robbie) wohnen und wir das Jahr 1969 schreiben...
Trailer zu Once Upon a Time... in Hollywood
Inzwischen kommt es vor, dass Filme mit einem Hinweis der Macher veröffentlicht werden, man solle doch bitte nicht spoilern, damit jeder Zuschauer den Film so sehen kann, wie es vom Regisseur und seinem Team erdacht war. Doch während bei den meisten Filmen sowieso schon alles über Trailer verraten wird, Plots so simpel gestrickt sind, dass Wendungen auf Meilen erkennbar sind, so ist dieser Hinweis bei Once Upon a Time... in Hollywood wirklich verdient. Denn der neunte Film von Regisseur Quentin Tarantino ist ein Erlebnis, welches man möglichst unvoreingenommen erleben sollte. So werden auch wir auf alles verzichten, was in irgendeiner Weise spoilern könnte.
Kennt man einen, kennt man fast alle Filme von Quentin Tarantino, denn auch der begnadete Regisseur hat seinen ganz eigenen Stil, der sich durch seine filmisches Werk zieht. So findet sich in Once Upon a Time... in Hollywood eine Vielzahl von Elementen, die ganz typisch für ihn sind: Umfangreiche Dialoge, ein mitreißender und dennoch nicht aufdringlicher Soundtrack, Gewaltexzesse, Gastauftritte von Stars und Wegbegleitern aus früheren Werken und auch sein Fußfetisch kommt nicht zu kurz.
Und dennoch ist Once Upon a Time... in Hollywood anders, denn vor allem sein markantestes Markenzeichen - seine Filme nicht zwingend chronologisch und in Episoden zu erzählen - ist hier nicht zu finden. Dies macht Once Upon a Time... in Hollywood ungewöhnlich linear und sehen wir von einzelnen Einschüben ab, beinahe zum normalsten Film seiner Karriere. Wenn man das filmische Spektrum von Quentin Tarantino betrachtet, mit Filmen wie Pulp Fiction, Django Unchained und Inglourious Basterds auf der einen Seite, Death Proof - Todsicher und Kill Bill auf der anderen, dann liegt Once Upon a Time... in Hollywood irgendwo in der Mitte.
Dabei ist die Geschichte über Charles Manson, seine Manson Family und der Mord an Sharon Tate im Sommer 1969 kein Thema, welches einfach ist. Wie Tarantino dieses Thema angeht, war im Vorfeld nicht klar und die Besetzung mit DiCaprio und Pitt wirkte erst einmal seltsam. Doch seltsam gehört bei Tarantino dazu und dass er ein Händchen für Darsteller hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Nicht nur entlockt er allen Nebendarstellern Glanzleistungen, auch Pitt und DiCaprio laufen hier selbst für ihre Verhältnisse zu Höchstleistungen auf! Wartet da vielleicht schon ein Oscar? Das ungleiche Duo, welches einem typischen Buddy-Streifen entnommen sein könnte, ist dennoch in der Darstellung von Freundschaft und Zusammenhalt so gänzlich untypisch. Dabei vergisst man schnell, dass es mit Margot Robbie eine weitere Hauptdarstellerin gibt, welche ihrer Rolle auf bewegende Weise Leben einhaucht.
Entscheidend für das Erlebnis von Once Upon a Time... in Hollywood ist, dass man ein wenig Hintergrundwissen mitbringt. Grundlegende Kenntnisse über den Fall Sharon Tate und die Manson Family sind nötig, um das im Hintergrund lauernde Unbill wahrnehmen zu können. Denn auf Motivationen und Details zu den Vorkommnissen 1969 geht Tarantino so gut wie nicht ein. Man könnte dies als Kritikpunkt anmerken, aber Tarantino hat sein Augenmerk vor allem auf Dalton und Booth gerichtet.
Dies führt dazu, dass die Laufzeit von 165 Minuten einer Liebeserklärung an Hollywood gleichkommt, viele Szenen aber für die eigentliche Motivation des Films eher unnötiger Ballast sind. Jeden anderen Regisseur müsste man dafür fast abstrafen, hier ist es schwer, denn trotz seiner Länge ist Once Upon a Time... in Hollywood nie langweilig. Trotz des Ballasts ist jede Szene wegen ihrer schauspielerischen und inszenierten Perfektion ein absoluter Genuss. Viele Momente ziehen am Zuschauer vorbei, erblühen in einer Sinfonie aus Schauspiel, Regiearbeit und Musik. Dabei fällt oft erst nach einer Weile auf, wie lang manche Einstellung ist, die oft fast gänzlich ohne oder nur mit minimalen Schnitten auskommen.
Wie die Bausteine zusammenpassen, erschließt sich dem Zuschauer erst zum Ende. Vieles ist atmosphärische Bereicherung, und dennoch schwelt das eine unvermeidliche Thema immer über Once Upon a Time... in Hollywood. Tarantino spielt mit den Erwartungen, zielt darauf ab, alles zu einem runden Abschluss zu bringen, der lange Zeit nicht greifbar ist. Und doch, am Ende schließt sich der Kreis, denn Tarantino weiß, was er will und noch mehr, was er tut. Erst wenn der Abspann beginnt, wissen wir wirklich, wie alles zusammengehört und was Quentin Tarantino wirklich mit Once Upon a Time... in Hollywood aussagen wollte und wofür der Titel in Wahrheit steht. Und das ist tatsächlich eine Leistung.