
Bewertung: 3.5 / 5
Mit "The Falcon and the Winter Soldier" (alternativ: "Captain America 3,5") orientiert sich das MCU an "The Winter Soldier" und kehrt auf erfrischende Weise zurück zu einem ernsthafterem und geerdeterem Politsetting, aufgrund des Serienformats leider weniger ein Thriller als damals der Film, dafür kommt die Action aber wieder härter und brutaler daher.
Ein "Captain America"-Heritage-Sequel, in dem sich Sam Wilson zunächst nicht in der Lage sieht, in Steve Rogers´ Fußstapfen zu treten und dafür auf eine Findungsreise geschickt wird, so ein bisschen die gewöhnlich-simple, aber sympathische Version eines Aragorns. Mit einer neuen Bedrohung am Horizont fühlt sich die US-Regierung derweil ohne Captain America als Nationalrepräsentation seltsam nackt und ernennt einen einfachen Soldaten zum neuen Captain America, der dann im Verlauf der Handlung zwischen den Fronten aufgerieben wird. Überraschend und spannenderweise schwingen hier nun Vibes aus "The Boys" mit, wenn das Saubermann-Maskottchen mit Superkräften ausgestattet schließlich die Kontrolle verliert und in der Öffentlichkeit Amok läuft, wenn der Übermenschen- und Vormachtsstatus der Superhelden - auch durch die Position der Antagonisten - auf den Prüfstand gestellt wird. Im MCU freilich mehr ein Sturm im Wasserglas, aber diese kritischen Ansätze nehme ich gerne mit, Daniel Brühls Zemo könnte ich auch stundenlang beim politisch-ideologischen Sezieren der Superhelden zuhören. Oder beim Tanzen in der Disco mit holprig-deutschen Tanzmoves zusehen. Zweifellos eines der größten Comebacks der MCU-Geschichte, Daniel Brühl spielt fantastisch auf.
Trailer zu The Falcon and the Winter Soldier
Als Antagonist der Serie fungiert eine antinationalistische und antifaschistische Gruppierung namens Flag Smashers, der nicht nur die Existenz der Superhelden ein Dorn im Auge ist, sondern auch die ungenügende bis verfehlte Sozial-, Wohnungs- und Wiedereinbürgerungs- bzw. Rückführungsspolitik der Global Repatriation Council (GRC), die sich nach dem Blip um die zurückgekehrten Menschen kümmert. Mit einer Tendenz dazu, Vertriebene oder Heimatlose als Menschen zweiter Klasse zu behandeln, werden sie beispielsweise in Notunterkunftslagern mit mangelhafter Versorgung untergebracht, als Flüchtlinge stigmatisiert und sollen je nach Nationalität in ihre Ursprungsländer abgeschoben werden.
Sam Wilson streift sich im Serienfinale nach abgeschlossener Findungsreise wie zu erwarten selbst den Schild um und wird zum neuen Captain America (mit hässlichem Anzug), symbolisch in der Handlung umrahmt von den Ausrufen seiner Neffen, die ihn "Uncle Sam" nennen, gelungen baut die Serie für die Heldengenese auch noch einen Handlungsstrang über die Entwicklung des strukturellen Rassismus in den USA vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart ein. Nach einem widerwilligen Sieg über die Flag Smashers findet die Serie ein starkes Ende mit einer empathischen Rede Sam Wilsons, in der er US-Senatoren und GRC-Repräsentanten für eine sozialere Politik und für eine Abkehr vom chauvinistischen Handeln in der Flüchtlingspolitik in die Verantwortung nimmt.
Im Review habe ich keinen passenden Platz für Bucky Barnes gefunden, diese Zeilen packe ich von daher an den Schluss. In "The Falcon and the Winter Soldier" versucht sich Bucky daran, ein normales Leben im 21. Jahrhundert zu führen, Sam und er harmonieren wunderbar als hurmorvolles Buddyduo miteinander, Bucky stellt sich ein letztes Mal den Dämonen, dem Trauma und den Taten seiner Vergangenheit als Winter Soldier und findet jetzt endlich seine Ruhe. Seine Reise im MCU ist charakterlich abgeschlossen, Bucky könnte sich nun in der Theorie also aus dem MCU zurückziehen. Dass Kevin Feige den Fanliebling ziehen lassen wird, wage ich aber zu bezweifeln.
