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The Man Who Saves the World

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Ein kleiner Streifzug durch das Türkische Genrekino

The Man Who Saves the World Kritik

The Man Who Saves the World Kritik
1 Kommentar - 28.07.2022 von MobyDick
In dieser Userkritik verrät euch MobyDick, wie gut "The Man Who Saves the World" ist.

Bewertung: 3 / 5

Turksploitation - ein eigenes Subgenre voller kleiner Juwelen der Filmgeschichte, ein Subgenre, das Sie herzlich dazu einlädt mitzulachen und zu geniessen.

So ähnlich könnte man süffisant und leicht ironisch distanziert an das "Genre" rangehen und genüßlich das alles wahr- und mitnehmen.

ODER: Man könnte versuchen, den uninteressierten Leser hier tatsächlich mit etwas Greifbarem zu füttern und ein bißchen versuchen, das alles ins rechte (will sagen richtige) Licht zu rücken. Es ist nämlich keinesfalls so einfach und locker flockig wie es für den übersättigten Filmenthusiasten aus dem Abendland erscheinen mag, dass alles supi und dufte ist und man hier lustige und listige Klopperfilme serviert bekommt.

Mit dem Film Dünyayi Kurtaran Adam - The Man who saves the World (übrigens auch meine Tagline , winkewinke) werde ich auch zu Gericht ziehen, aber dieses Review wird extrem ausufernd das türkische Kino vergangener Tage sowohl kritisch würdigen als auch dem Leser versuchen hier und da was Wissenswertes dazulassen.

Zuallererst: Turksploitation ist kein Genre wie Blacksploitation, Exploitation oder sonstwas und die auf unzähligen Plattformen genannten Filme haben allesamt eigentlich nicht viel miteiander gemein außer ihrer billigen Machart, dem dreisten Copyrightverletzen von Sound- und Bildmaterial und einer manchmal durchaus unfreiwilligen Komik. Das jetzt als ein Genre anzusehen ist in etwa so, wenn man Louis de Funes-Filme und The Room als ein Genre ansehen würde.

Aber eines nach dem anderen:

Das türkische Kino etablierte ab den 1960ern richtige Kassenschlager, sogenannte Blockbuster, die auch im Kino zu regelrechten Schlangen vor den Kinokassen führten. Zumeist waren dies recht einsilbige melodramatisch überhöhte Filme, die allerdings weniger mit so jemandem wie Douglkas Sirk gemein hatten sondern sich eher am indischen Kinomelodram orientierten (ohne deren Getanze). Je erfolgreicher diese Filme wurden, desto mehr konnte man das Budget in die Höhe schrauben und teurere Action-Filme inszenieren. Da das Budget für solche Genre wie Western, Historienschinken oder Sci-Fi nicht vorhanden war, begnügte man sich vorerst mit dem Gangster-Genre.

Das Haupt-Problem hier war damals, dass es eben keine Filmmusikindustire per se gab und die immer populärer werdende, sich am Westen orientierende Musik-Entwicklung des Arabesk (eine frivoler werdende Mischung aus orientalisch angehauchter Musik mit westlicher Orientierung, welche die traditionelle türkische Kammermusik, welche durchaus immer noch als quasi ausgestorbene Kunstform angesehn wird) sich sehr wenig für solche Action-Vehikel eigneten, nahm man der Einfachheit halber einfach die reisserischen Musikstücke von Schiffrin, Frontiere, Rota und eigentlich zu 90% Morricone - natürlich ohne für diese Rechte zu zahlen. So bekam das Publikum teilweise gar nicht mit, was die Originalfilme waren, sondern assoziierten die einheimischen Filme mit der jeweiligen Musik.

Etwa zu der 68er Bewegung politisierte sich das Kino ziemlich stark (wie überall üblich)und es kamen gleichzeitig zwei Arten von Filmen zum Vorschein, die parallel nebenher existieren konnten: Das anspruchsvoller werdende sozialkritische Massenkino und die Dumpfbacken-Actionfilme mit recht simpler (heute mag man meinen etwas rechter) Moral, Hand in Hand gehen in unheiliger Allianz. Dabei waren die Filme mittlerweile durchaus sehr gut gemacht und tatsächlich gab es sogar Filme, die tatsächlich eine eigene Filmmusik vorweisen konnten.

Ein Vorreiter des linksintellektuellen Mainstreamkinos war Yilmaz Güney, der einer der ersten und größten männlichen Superstars der Türkei war, als Action-Star groß wurde, und zunehmend immer stärker ambitioniertere linksgerichtete Filme inszenierte, welche zu ihrer Zeit durchaus auch international Beachtung fanden, ob ihrer einnehmenden Inszenierung. Inhaltlich muss man aber ganz klar sagen, dass die Filme trotz allem Können gelinde gesagt falsch motiviert, teilweise hanebüchen und extrem fragwürdig in ihrer moralingetränkten Art waren. Heute in der Szene gefeierte Werke wie Arkadas (Freund) oder Düsman (Feind) sind einerseits Zeugnis jener Zeit, aber auch sehr ärgerliche Vertreter davon, wenn man das Quellmaterial des Kommunismus nicht versteht und für seine eigenen Zwecke propagandastisch mißbraucht. Dennoch Baba (Vater) zum Beispiel ist ein Paradebeispiel, wie es eben doch geht, wenn man nur mal den Zeigefinger einfach in der Hosentasche lässt und den Film für sich sprechen lässt. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass der wahrscheinlich beste türkische Film aller Zeiten (Yol - der Weg) dann ein Jahrzehnt später von eben jenem Mann stammt. Aber das ist eine völlig ander Story und hat mit Turksploitation dann auch zum Glück gar nichts mehr gemein, eigentlich wie so ziemlich alles, was in diesem Absatz stand. Also back to topic:

Etwa zu der Zeit als Herr Güney in Ungnade zu fallen begann auf Grund seiner Unbequemheit, wurde ein junger Akteur, der bisher in Melodramen als Zulieferer für solche Grande Damen wie Türkan Soray (Spitzname Sultan, so in etwa wie die Imperatorin) herhalten durfte (also im Grunde ein junger türkischer Rock Hudson für Superarme, da bei dem Kerl wirklich gar kein Talent vorhanden), so langsam als Action-Star der Führung als Gegenbewegung, ob von Anfang an bewusst oder später instrumentallisiert, mag ich nicht beurteilen, installiert: Cüneyt Arkin. Sein Auftrag: Möglichst unpolitische Action-Filme für die breite Masse drehen. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn ihn das Publikum annimmt. Und das tat es zu seinem Glück auch. Mit der Zeit etablierte er sich tatsächlich als Action-Mega-Star, da er die damals extrem beliebte Kampfsportart Karate in der Türkei salonfähig machte und angeblich in all seinen Filmen seine Stunts selber machte. Dazu nur kurz zwei Fakten: Dass ausgerechnet Karate überall salonfähig wurde, ist ein Umstand, der sich mir nicht im Geringsten erschliesst, denn dieser ganze Karate-Scheiss etablierte sich erst durch die ganzen Kung-Fu Filme der Shaw Brothers und bekam seinen absoluten Hype mit Bruce Lee - alles wie gesagt Kung Fu. Aber sei es drum. Und zweitens: Er machte all seine "Stunts" selbst: Ja, das tat er wirklich, aber das lag daran, dass es in der Türkei einfach keine Stuntleute gab, dementsprechend sahen die ganzen Szenen dann auch aus (Jeder Hill-Spencer-Klopper hat glaubwürdigere "Action-Set-Pieces"), und das was man als seine Stunts ansehen kann, war eigentlich sein seine Filmographie übergreifende Fähigkeit, die er immer wieder zur Schau trug: Trampolinspringen.

Zu seinem absoluten Höhepunkt drehte er europäische Koproduktionen, hauptsächlich mit Italien (damals nicht unüblich), die sich tatsächlich auch heute noch optisch sehen lassen, sowohl Produktionsniveautechnisch (Schnitt, Kameraführung, Ausstattung), da sehen einige Corbucci-Western als Vergleich heute deutlich schäbiger aus. Und zunehmend gelang es ihm auch in Sandalenfilmen eine gute Figur zu machen. Sein Kara Murat (Schwarzer Murat) beispielsweise schlägt den Original-Film-Urtürken Tarkan (ja, der Name steht für so etwas wie den türkischen Siegfried aus den Nibelungen) in jeglichem Belang.

Wie gesagt, diese Filme waren wie üblich bei solchen Filmen weltweit eher unpolitisch bis unterschwellig rechtskonservativ als links und zudem wie üblich weltweit auch sehr erfolgreich, da ein dreistes und schäbiges Feindbild einfach mal installiert und weg getötet werden konnte, guilty pleasure for all.

Doch das ist natürlich nur die Spitze des Eisberges und wo Licht, da auch Schatten. Es wurden 300-500 Filme pro Jahr gedreht, und zunehmend mussten die erfolglosen Filme auch eine Daseinsberechtigung haben, entweder als Auffangbecken für strauchelnde Fans oder als genrekino, um im Fahrwasser von Hollywood mitzufahren und den schnellen Reibach zu machen. Zunehmend griff man also neben Soundklau auch zu Filmmaterialklau, sei es bei Süpermen (der Name spricht für sich), Turist Ömer Uzayda (Ömer, der Tourist, im All) oder Kareteci Kiz (Karate Girl, dazu später mehr). Hier wurde sehr unverblümt einfach Bildmaterial von anderen Werken hinten auf die Leinwand projiziert, während der Protagonist und andere darsteller sich vorne aufhielten, und auch solche Werke waren recht erfolgreich. Zumindest erfolgreich genug, dass sie in Erinnerung blieben.

Doch eigentlich diente das den Filmemachern grundsätzlich auch dazu, damit ihre politisch motivierten Werke zu finanzieren, welche dann natürlich deutlich weniger Finanzhilfen bekamen und dementsprechend auch billiger wirkten, dafür aber deutlich pointiertere Drehbücher hatten. Und die Filmemacher waren natürlich auch kleine Eulenspiegel, denn sie erkannten, dass ernste Dramen hier nicht wirklich was brachten, also etablierte sich das sehr gelungene Sub-Genre der Anarcho-Vulgär-Satire, dessen Superstars Kemal Sunal, Sener Sen, Ilyas Salman das türkische Kino von hinten aufzumischen begannen, denn das Publikum frass diesen leuten nur so aus der Hand, dass sogar das Action-Kino ins Hintertreffen kam.

Einschnitt: Putsch in der Türkei und Beschneidung der künstlerischen Freiheit gepaart mit dem Aufkommen von VHS: Tod des türkischen Kinos und ein letztes Aufbäumen der Industrie.

Cüneyt Arkin liess sich nunmehr immer stärker politisch instrumentalisieren und drehte immer abgedrehtere Werke binnen kürzester Zeit, so auch den mittlerweise als Klassiker geltenden Dünyayi Kurtaran Adam (der hier vorliegende Film): Hierbei geht es um einen türkischen Space-Raider, der das Weltall vor einem bösen Herrscher befreit, dabei kämpft er trampolinspringend zu Sounds aus Indiana Jones und Hintergrundbildern aus unter anderem Star Wars und Battleship Galaktika gegen Hexen, Mumien, Muppets, Skelette und was noch alles. Dabei schwafelt er die ganze Zeit über was davon, dass die Menscheit den Weltraum nicht benötigt, aber der Weltraum die Menscheit benötigt. Die Monster sehen allesamt Megabillig aus, die Effekte sind teilweise Kratzer auf dem Negativ und natürlich kriegt er die blonde Schickse, die natürlich auch keine Sprechrolle hat, sondern ihn nur anhimmeln darf. Die Legende besagt, dass der Regisseur nachher in den Osten der Republik ausgewandert ist und dort seither Kühlschränke verkauft, dass der Film als Kunstwerk aber in Italien in einem Filmmuseum ausgestellt wird. Der Film ist so schlecht gemacht, dass sogar ein Ed Wood im Grab rotieren würde. Und er war ein absoluter Megaflop zu seiner Zeit. Doch der Film ist so scheisse, dass er einfach Spass macht, und er ist so scheisse, dass man gar kein türkisch sprechen muss, um ihn zu verstehen, es hilft sogar, dass man nicht versucht ist, ihn zu verstehen. Das Ding ist auf einer Skala so Bad it is Beyond Everything von 0-10 eine 238!

Doch damit nicht genug, der Mann drehte binnen kürzester Zeit auch irgendwelche Mystery-Action-Ninja-Zombie-Filme, wo man nicht wusste, ob das Horror, Groteske, Action oder Farce sein soll, natürlich immer ernst gemeint. Und immer erfolgloser und billiger. Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie Autoverfolgungsjagden mit schnellen Schnitten und mit Spiritus angezündeten Matchbox-Autos drehten.

Während also Cüneyt Arkin der populistische Megastar für jedermann war, etablierte sich nun eine Gegenkultur mit nun wieder ernster werdenden nachdenklichen Filmen, die sich ihres niedrigen Budgets durchaus bewusst waren und daher mehr Wert auf Skript legten, und hier etablierte sich als Gegenentwurf zum eigentlich unpolitischen, sich aber instrumentalisierenden, Hallodrie Arkin ein gewisser Tarik Akan als charismatische Gallionsfigur. Aber auch das hat dann recht wenig mit Turksploitation zu tun.

So, als absolutes leckerlie nun nochmal kurz zurück zu Karateci Kiz: Hierbei handelt es sich um einen extrem schäbigen für damalige Verhältnisse üblichen Reisser der Sorte: Junge Polizisten nimmt Rache für ein ihr oder ihrer Familie angetanes Unrecht an ein paar damaligen Peinigern. Also eine Exploitation Variante von die Braut trug Schwarz (insofern tatsächlich auch eine Art Vorreiterin von Kill Bill, wen es interessiert). In einer extrem prägnanten Szene erschiesst sie gefühlt minutenlang einen Mann, nachdem sie ihn mit ihrem dilletantischen Karate entwaffnet hat. Das wirklich kuriose an dieser Szene ist, dass diese durchaus ernst gemeint ist und ganz offensichtlich stilistisch Sam Peckingpah nacheifern möchte, und auf Grund des mangels an Expertise im Filmschnitt und einfach nicht vorhendenm Können, dem Schauspieler nun gesagt wird, er solle doch bitte in Zeitlupe sterben. Dabei wird ihm auch noch recht plump ein Ballon mit roter farbe in die Hand gedrückt, so dass er sich auch noch gleichzeitig zum Sterben mit Blut beschmieren soll. Im Grunde wird der Schauspieler hier völlig im Stich gelassen, sich selbst überlassen und der Lächerlichkeit preis gegeben. Aber die Idee und die Ansätze sind ganz klar ersichtlich. Jahre später wurde diese Szene nun in den Untiefen von Youtube ausgegraben und neu synchronisiert und geschnitten in einer etwa 1,5-minütigen Sequenz als "Worst Death Scene of all times" (oder so ähnlich) auf die Menschehit losgelassen, mittlerweile mit zig nachahmungen, die allesamt keine Chance haben. Ironisch und lustig hierbei natürlich dass ausgerechnet die Sounddiebe von einst nun Opfer ihrer Verbrechen wurden und nun ein Fake Video für reichlich Lacher sorgt.

Also bitte: die Szene aus Karateci Kiz schauen und totlachen.

Zum kaum besprochenen Film abschließend: Als Trash 15 von 10 Punkten, als ernstzunehmender Film 0 von 10 Punkten, als Kulturgut dann nochmal 3 Punkte, macht im Schnitt 6 Punkte

The Man Who Saves the World Bewertung
Bewertung des Films
610

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MobyDick : : Moviejones-Fan
28.07.2022 19:44 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Mal wieder was anderes, diesmal etwas seit Jahren überfälliges, leider nicht ganz so lustig geraten wie erhofft, hoffe aber trotzdem interessant und irgendwie lesenswert wink

Dünyayi Kurtaran Adam
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