Bewertung: 4 / 5
Es war einer dieser Tage, in denen man ins Kino geht, und plötzlich einen Bekannten trifft. Auf dem Land geschieht sowas schonmal häufiger. In diesem Fall handelte es sich um einen guten Freund, wie ich ebenso ein großer Filmliebhaber. Schnell hatten wir uns auf den neuesten filmtechnischen Stand gebracht. "[i]Schau dir Who Am I an, der strotzt nur so vor Fight Club Anspielungen! Ich bin sicher, dass er dir gefallen wird![/i]" Das waren die ersten Worte, welche ich über den Film gehört habe. Eine Fight Club Hommage? Ich war unsicher, ob und wie das überhaupt funktionieren sollte. Nun, jetzt kann ich sagen: Es funktioniert! Benjamin (Tom Schilling) ist schüchtern, unscheinbar und von schweren Kindheitstraumata geprägt. Sein Vater verließ die Familie früh, seine Mutter beging Selbstmord und seitdem lebt er bei seiner Großmutter. Um dem Trauma zu entfliehen, begibt er sich in die Welt der Superhelden. Spider-Man, Batman, Superman - sie alle teilen sein elternloses Schicksal. Im realen Leben alleine gelassen, widmet er sich mehr und mehr dem virtuellen Leben und der Kunst des Hackens. Nachdem er wegen eines "Auftrags" seines Schwarms Marie (Hannah Herzsprung) aufliegt und zu Sozialarbeit verdonnert wird, trifft er den extrovertierten und charismatischen Max (Elyas M´Barek). Dieser erkennt seine Fähigkeiten und stellt ihn seinem Team Stephan (Wotan Wilke Möhring) und Paul (Antoine Monot Jr) vor. Nach mehreren erfolgreichen Angriffen erregen sie sowohl die Aufmerksamkeit anderer Hacker als auch die der polizeilichen Ermittlungen... Man merkt, dass Regisseur Baran bo Odar wie David Fincher aus dem Werbefilmbereich stammt. Beide haben ein Gefühl dafür, Geschichten rasant inszenieren zu können und den Zuschauer dadurch in den Bann zu ziehen. Handwerklich ist "Who Am I" perfekt. Die Kamera passt sich der Handlung an. In ruhigen Momenten verweilt sie bei den Charakteren und zeichnet das Bild gelassen auf. Actiongeladenere Momenten werden durch schnelle Schnitte und wilde Kamerafahrten unterstützt. Verschiedenste Blickwinkel wechseln sich ab, so manche Einstellung könnte glatt aus "Fight Club" übernommen worden sein. Musikalisch wird die Kameraarbeit durch peppige, elektronische Melodien aufgewertet. Für seine Bilder wählt Odar dunkle bis schwarze Farbtöne. Insgesamt ergibt sich dadurch eine düstere und packende Atmosphäre. Sowas braucht die erzählte Geschichte jedoch auch, denn diese ist nicht minder rasant und verrückt. Es folgt gefühlt ein Party- und Drogenexzess dem nächsten, Odars Inszenierung funktioniert aber so gut, dass man als Zuschauer sofort einbezogen ist. Des Weiteren vermag Odar es, die Planung und Durchführung der Hackerangriffe spannend und interessant darzustellen. In bestimmten Szenen wird es sogar ziemlich witzig. Als besonders gelungen empfand ich die visuelle Ausarbeitung der virtuellen Welt. Ein Eisenbahnwagon als Chatroom, maskentragende User stehen oder sitzen sich gegenüber und unterhalten sich mithilfe von Sprechblasen in englischer Sprache. Statt E-Mails gibt es Briefe, etc etc. Das hat schon ordentlich Flair! Einen großen Einfluss auf die Geschichte und die Atmosphäre haben natürlich auch die Schauspieler. Manche der Darsteller bleiben zwar im Hintergrund, Ausfälle gibt es jedoch keine. Vor allem mit dem Viererteam Schilling, M´Barek, Möhring und Monot hatte Odar ein glückliches Händchen. Monot mimt in bester Tech-Nick Manier den Hardwarespezialisten und Möhring ist... einfach nur krank drauf. Allein schon die Szene, in der er in Unterhose zu der Elektromusik tanzt, der Hammer! Schilling und M´Barek bilden bezüglich ihrer Charaktereigenschaften einen Kontrast aus. Von Elyas M`barek mag man ja halten, was man will, aber in die Rolle des extrovertierten, charmanten Max passt er perfekt rein. Er ist sowas wie der Brad Pitt der Geschichte. Tom Schilling meistert die Rolle des schüchternen Benjamin ohne Mühe, gibt seinen Charakterwandel authentisch wieder und sieht obendrein noch genauso aus wie Edward Norton. Dies hier ist eindeutig sein Film! Wenn ich hier jetzt aber schon bei Darstellervergleichen bin: Natürlich spielen Norton und Pitt in Fight Club in einer weit höheren Klasse und auch Hannah Herzsprung ist keine Helena Bonham Carter. Allerdings macht dies dem Filmempfinden keinen Abbruch, denn für "Who Am I" funktioniert der Cast außerordentlich gut. Des Weiteren nimmt der Film genügend Abstand von "Fight Club", Handlung und Charaktere sind definitiv nicht die gleichen! Trotz all des Lobes hat "Who am I" aber auch ein paar Schwächen vorzuweisen, vornehmlich in der Ausarbeitung der Geschichte. Zum Einen gerät der Film vor dem Finale etwas in Leerlauf, wodurch sich ein paar Längen ergeben. Zum Anderen werden manche Themen nur angerissen, da hätte ich dann gerne mehr gesehen. Vor allem bezüglich der Superheldenthematik ist mir das aufgefallen. Benjamin wurde von diesen Helden geprägt und aus dem Gedankengang "[i]In der Realität ein Superheld sein[/i]" hätte man noch mehr rausholen können. Mit der Komplexität eines "Fight Club" kann "Who Am I" nicht dienen, aber das hat der Film auch gar nicht vor. [b]Fazit:[/b] Baran bo Odar ist mit "Who Am I" sowohl eine großartige Hommage an David Finchers Fight Club als auch ein spannender Hackerthriller gelungen. Eine packende und düstere Atmosphäre sowie ein toller Cast sind ein guter Ausgleich für die paar Schwächen des Drehbuchs. Für diese Leistung vergebe ich [b]8/10 Punkten[/b] bzw. [b]4/5 Hüten[/b].
Who Am I - Kein System ist sicher Bewertung