Bewertung: 4 / 5
Netflix stellt mit Wir sind die Welle eine sechs-episodige deutsche Miniserie vor, welche das altbekannte Thema unserer Zeit gelungen anpasst, am 1. November ging sie online. Die Frage lautet nicht mehr, ob "Die Welle" heutzutage noch möglich ist, diese Frage dürfte durch Pegida und Co. beantwortet sein, sondern allgemeiner, welche desaströsen Wellen solche Gruppendynamiken schlagen, egal in welche Richtung. Ein frischer Blick, der für Spannung, Action und gehörig gesellschaftskritisches Drama sorgt!
Wie weit würdest du für deine Überzeugung gehen? Das müssen sich die fünf Die Welle-Mitglieder und Schulkameraden in Wir sind die Welle fragen, welche nicht mehr tatenlos zuschauen, sondern aktiv etwas verändern wollen. Rekrutiert wird in der Serienadaption durch einen neuen Mitschüler, doch das Ganze entwickelt sich ganz anders, als es Kenner der Vorlage im Buch oder Film kennen...
Trailer zu Wir sind die Welle
Kritik "Wir sind die Welle"
Es ist schwer, eine Review zu schreiben, ohne die überraschend andere Interpretationslinie von Jan Bergers Wir sind die Welle zu spoilern, selbst angedeutet werdet ihr genug erahnen. Sagen wir es so: Rassismus und wieder erwachendes Volksdenken sind ein Thema, ebenso werden Hierarchiekonflikte und alle möglichen Untiefen einer Wellen-Bewegung ausgelotet, angepasst auf unsere Zeit, inklusive Korruption. Gerade die Aktualität macht die Serie spannend, die fragt, wie weit man bereit ist, für seine Überzeugung zu gehen, für den Wunsch, etwas zu bewirken, zu verändern. Und damit die alte Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt.
Statt aber diktatorische Gefüge in den Mittelpunkt zu stellen, wird eher die Demokratie mit ihren Freiheiten und Grenzen infrage gestellt, zudem müssen sich die Charaktere immer wieder entscheiden, inwiefern ihre subjektiven Wünsche mit objektiven Idealen zusammenpassen - und was davon die Priorität ist. Wann wird aus rebellischem Spaß Ernst, wann aus zivilem Ungehorsam Terror? Dabei wird die Gesellschaftskritik so ganz ohne allzu deutlichem moralischen Zeigefinger ausgerollt: der Zuschauer muss sich selbst fragen, hinter welchen Taten er noch stehen würde, und hinter welchen eben auch nicht mehr - wo läge die eigene Grenze?
All diesen Fragen geht Wir sind die Welle gelungen nach, mit spannenden Wendungen und sich fragwürdig entwickelnden Charakteren, auch wenn die Figuren gewisse allzu typische Klischee-Gruppenzusammensetzungen erfüllen - trotz moderner Anpassung. Die Darsteller, angeführt von vor allem Ludwig Simon (Beat) als Tristan und Luise Befort (Club der roten Bänder) als Lea, machen ihre Sache dabei durch die Bank überzeugend, und die Inszenierung zeigt auch visuell, wie gut deutsche Serien sein können. Über die eine oder andere Logikmacke schaut man dabei gern hinweg.
Nach Dark ist Wir sind die Welle für uns die beste deutsche Netflix-Serie bisher, und vielleicht auch die wichtigste ganz allgemein - gern mehr davon, Netflix! Das Finale hält die Tür für eine weitere Staffel schließlich auf, wir sähen sie gerne kommen.