
Als Man of Steel 2013 in die Kinos kam, wurde er von einigen Fans als moderner Neuanfang für Superman gefeiert, sogar die Moviejoneskritik war gut und dennoch wurde er schnell zum Streitfall. Die Reaktionen waren gespalten: Kritiker warfen dem Film vor, zu düster, zu bombastisch und zu emotional distanziert zu sein. Der Held, einst Symbol für Licht und Hoffnung, wurde nun als grüblerischer, innerlich zerrissener Einzelgänger inszeniert und tötete am Ende sogar seinen Gegner General Zod. Für viele ein Tabubruch, der Supermans moralische Integrität infrage stellte.
Die spektakulären Zerstörungsorgien im Finale, insbesondere die Schlacht in Metropolis, wurden kritisiert. Die Bilder weckten ungewollte Assoziationen an reale Katastrophen wie 9/11, ohne diese Reflexion filmisch aufzugreifen. Der Film geriet dadurch ins Kreuzfeuer: zu laut, zu lang, zu seelenlos, eine Zerstörungsorgie. Dazu wurden noch technische Effekte kritisiert, wie das CGI und die wackelnde Handkamera.
Auch strukturelle Schwächen wurden kritisiert. Ein langatmiger Krypton-Prolog, viele Rückblenden und eine fragmentierte Erzählweise ließen wenig Raum für echte emotionale Bindung. Lois Lane, ihr journalistischer Ehrgeiz wirke unglaubwürdig, ihre Beziehung sei zu Clark gehetzt eingeführt worden, General Zod wirke eindimensional, und selbst Jonathan Kent irritierte mit fatalistischer Moral (Sinngemäß: „Lass ruhig Deine Mitschüler sterben, um Deine Identität zu schützen“).
Und dennoch: Mit der Zeit änderte sich der Blick. Man of Steel wurde von vielen neu bewertet, er ist gereift wie guter Wein. Im Internet liest man viele wohlwollende Kritiken wie "Jetzt erst bemerkt, wie gut er ist" oder "ein unterschätztes Meisterwerk". Heute gilt er anscheinend vielen als ambitionierter, visuell beeindruckender und ernstzunehmender Superheldenfilm. Auch Henry Cavill wird im Rückblick als idealer Superman gesehen, männlich, aber verletzlich, glaubwürdig, ikonisch.
Vor diesem Hintergrund wird nun der neue Superman-Film von James Gunn mit Spannung und Skepsis erwartet. Der kürzlich veröffentlichte Trailer hat zwar große Begeisterung ausgelöst: Der Ton wirkt leichter, optimistischer, die Bilder farbenfroher. Viele loben die Rückbesinnung auf klassische Superman-Motive. Und doch: Auch die Kritik ist laut. Einige stören sich am vermeintlich kindlicheren Stil, andere vergleichen Hauptdarsteller David Corenswet bereits jetzt negativ mit Cavill. Wieder geht es um Tonalität, um Erwartungshaltungen, um die Frage: Was muss ein Superman-Film leisten?
Vielleicht ist genau das die Lehre aus Man of Steel: Filme brauchen Zeit. Zeit, um jenseits von Hype, Trailerreaktionen und nostalgischer Überhöhung beurteilt zu werden. Man muss sie sich vielleicht auch erst einmal ansehen, um sie ernsthaft bewerten zu können. Denn was heute polarisiert, kann morgen vielleicht sogar Kultstatus erreichen.
