Wenn Martin Scorsese auf dem Regiestuhl sitzt, kommt es schon einmal vor, dass er ein Werk realisiert, das dem Publikum ordentlich Sitzfleisch abverlangt. Im Falle des 206-minütigen Schwergewichts Killers of the Flower Moon hat sich manches Kinolabel gedacht, dass man der getragenen Erzählweise und Spieldauer durch eine nicht genehmigte Pause entgegenwirken müsse. Das hat nun Folgen, denn damit verstößt man ganz offensichtlich und bewusst gegen vorher akribisch abgestimmte Ausstrahlungsbedingungen der Apple-Produktion.
Die Praxis hatte sich unter anderem deshalb herumgesprochen, weil ein Foto in den sozialen Medien viral ging und ein Schild zeigte, das die Pause für Killers of the Flower Moon in einem Kino in Colorado ankündigte. Daraufhin haben Vertreter der Produktion die Teams der Spielstätten darüber informiert, dass diese Vorgehensweise gegen die erteilte Lizenzvereinbarung verstößt. Da die Kinos weiterhin diesen gewichtigen Film präsentieren möchten, haben sie die Zusicherung gegeben, dass der Film nicht mehr mit einer Pause gezeigt wird.
Die Rede ist von teils achtminütigen Unterbrechungen, die man im Zuge der Ausstrahlung von Killers of the Flower Moon ankündigte und geltend machte. Als ausführende Länder dieser Praxis führt der Hollywood Reporter unter anderem Colorado, Brasilien, Italien und auch Deutschland an. Bezüglich einer Ausstrahlung in Erfurt können wir selbst davon berichten, dass das örtliche Cinestar bei einer Abendvorstellung sogar mit satten 15 Minuten aufwartete und dies vor der Vorführung per Title Card mitteilte. Bei der Pause selbst blendete man dann eine Mitteilung ein, die die verbleibende Pausendauer in fünfminütigen Etappen anzeigte.
Es geht aber natürlich auch in Deutschland anders: Im UCI Kino Bochum etwa ist Killers of the Flower Moon vollkommen ohne Unterbrechungen über die Leinwand geflimmert, wie eine vertrauenswürdige Quelle gegenüber uns bestätigte. Natürlich setzte man darüber hinaus auch im Rahmen der offiziellen Pressevorführungen auf einen reibungslosen Ablauf, der dem Wunsch des Studios gerecht wurde, sodass wir hierbei auf das Mittel anekdotischer Evidenzen setzen müssen.
Ein Mitarbeiter eines Kinos äußerte sich gegenüber dem Hollywood Reporter darüber, dass die Verschnaufpausen bei der Länge von Killers of the Flower Moon vom Publikum dankend angenommen worden seien und man sich eine ähnliche Situation im Sommer für Oppenheimer gewünscht hätte. Dies sei nun aber keine Option mehr, da man andernfalls die Ausstrahlungsrechte für Scorseses neuestes Werk entzogen bekäme.
Einer der abtrünnigen Kinobetreiber, der es im Gespräch mit dem Magazin vorzog, anonym zu bleiben, gab folgende versöhnlich stimmende Worte zu Protokoll: "Abgesehen von der Debatte, ob es eine Pause geben sollte oder nicht, oder ob diese kreative oder künstlerische Entscheidung hätte getroffen werden sollen, hat Paramount genau das getan, was sich alle Filmliebhaber von den Studios erhoffen, nämlich dabei zu helfen, die Vision eines Regisseurs auf der Leinwand genau so umzusetzen, wie der Regisseur es sehen möchte."
Diesen Worten können wir durchaus zustimmen, allerdings muss man auch sagen, dass es manche Menschen dadurch schwer haben werden, den Film im ganzen Ausmaß zu sichten. Wir denken dabei etwa an Faktoren wie erhöhten Harndrang oder Aufmerksamkeitsdefiziten.
Als Lösung für das Dilemma bei Filmen mit deutlicher Überlänge würden wir eine zweigeteilte Ausstrahlungssituation vorschlagen, bei denen man zwischen Vorführungen mit bzw. ohne Pause wählen kann. Alternativ könnte man dies auch auf verschiedene Wochentage aufteilen. In jedem Fall sehen wir es aber ebenfalls durchaus positiv, dass man die Vision eines angesehenen Filmemachers nachzuvollziehen versucht und dieser bestmöglich Rechnung trägt. Schlussendlich bevorzugen wir eine differenzierte und nüchterne Herangehensweise an die Thematik.
Seit dem 20. Oktober läuft Martin Scorseses neuer Film mit Leonardo DiCaprio, Lily Gladstone, Robert De Niro und Jesse Plemons in den Kinos und darf sich zahlreicher positiver Stimmen erfreuen. Auch wir zeigten uns in unserer Kritik zu Killers of the Flower Moon angetan von dem Mammutwerk, das dem Leiden der Osage Beachtung schenkt. Trotz mancher Länge saßen wir bei dieser Geschichtsstunde der etwas anderen Art gebannt vorm Bildschirm. Das liegt vor allem am groß auftrumpfenden Cast - allen voran Gladstones Leistung - und einer beachtlichen Handschrift, die vom Kunstkönnen einer der wichtigsten Personen Hollywoods zehrt.
Wie steht ihr zu den nicht genehmigten Unterbrechungen bei Killers of the Flower Moon: nachvollziehbare Entscheidung der Kinobetreiber oder frevelhaftes Verhalten von Kunstbanausen?