Heutzutage hat jeder zu jeder Zeit eine Kamera zur Hand, was es für Filmemacher und Studios immer schwieriger macht, ihre streng geheimen Projekte auch wirklich geheim zu halten. Manchmal schaffen sie es aber doch noch, auf erstaunliche Art und Weise.
Die gleich folgenden Filme wurden tatsächlich in aller Heimlichkeit gedreht, und das Geheimnis ihrer Existenz wurde erst gelüftet, als schon alles im Kasten war - oder sie sogar nur noch ein, zwei Monate vom Release entfernt waren, was den Überraschungseffekt natürlich verstärkt. In einer Zeit, in der große Filme jahrelang im Voraus gehypt werden, ist es doch sehr erfrischend, auch welche zu haben, die entstanden sind, bevor irgendjemand davon wusste.
Borat - Anschluss-Moviefilm
2007 behauptete Sacha Baron Cohen noch, er habe mit seiner kontroversen Kultfigur Borat Sagdiyev abgeschlossen, aber von wegen! Im Sommer 2020 wurde Cohen in Los Angeles auf einmal wieder im Borat-Kostüm (und zuvor schon in anderen Verkleidungen an anderen Orten) gesichtet, während er irgendetwas filmte... Das führte zu Spekulationen, er könnte ein Sequel zu Borat - Kulturelle Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen in Arbeit haben. Anfang September 2020 kamen Gerüchte auf, wonach dieses Sequel bereits abgedreht, geschnitten und ausgewählten Studiochefs vorgeführt worden sei. Kurze Zeit später bestätigen die Amazon Studios all das, wenige Wochen danach streamte Borat - Anschluss-Moviefilm auch schon.
Blair Witch
Abgesehen von dem jämmerlichen Sequel-Versuch mit Blair Witch 2 kam nach dem originalen Blair Witch Project lange nichts. Das änderte sich im Sommer 2016, als sich auf der San Diego Comic-Con herausstellte, dass ein unter dem (Fake-)Titel The Woods gedrehter und vermarkteter Found-Footage-Horrorfilm in Wahrheit eine Blair Witch Project-Fortsetzung war. Vor der SDCC-Premiere ging Lionsgate sogar so weit, dass man einen Trailer für den Film veröffentlichte und dessen Identität trotzdem noch geheim hielt. Selbst auf der SDCC war er anfangs noch als The Woods bekannt, bis die Zuschauer während des ersten Screenings begriffen, was Sache war. Danach wurde auch schnell das gesamte Promo-Material ausgetauscht, um den wahren Titel des Films wiederzugeben: Blair Witch.
Under the Skin
Heimlich einen Film mit Scarlett Johansson zu drehen, stellt man sich nicht so leicht vor. Aber man setze ihr eine schwarze Perücke auf und sie selbst in einen weißen Van, und ab geht die Post! Als verführerisches, Männer mordendes Alien ließ Jonathan Glazer sie für Under the Skin durch Schottland streifen, größtenteils ohne festes Drehbuch und mit versteckter Kamera, um an improvisierte, "reale" Gespräche zwischen Johansson und ahnungslosen Passanten zu kommen. Oft wussten ihre Gesprächspartner also gar nicht, dass sie Teil eines Filmdrehs waren - auch eine Form der Geheimhaltung. Kleine Digitalkameras wurden an dem Wagen angebracht, aus dem heraus Johansson Männer auf der Straße ansprach, während Glazer ihr per Knopf im Ohr Regieanweisungen gab. Skurril wie der Film selbst.
The Visit
Nach mehreren bösen Big-Budgets-Flop (allen voran Die Legende von Aang und After Earth) wollte M. Night Shyamalan wieder kleinere Brötchen backen. Also nahm er einen 5 Mio. $-Kredit auf und finanzierte sein neues Projekt selbst, um sicherzustellen, dass er völlige kreative Freiheit hatte und ihm kein Studio im Nacken saß. Unter dem Arbeitstitel Sundowning ging es Anfang 2016 los, und als die Dreh beendet war, tüftelte Shyamalan während der Postproduktion lange am Ton des Found-Footage-Films herum. Alle großen Studios lehnten dankend ab, nachdem sie eine Rohfassung gesehen hatten, bis nach weiteren Überarbeitungen Universal einwilligte, den Film zu veröffentlichen. Das Resultat: The Visit bescherte Shyamalan die besten Kritiken seit Jahren und spielte fast 100 Mio. $ ein.
A Ghost Story
Casey Affleck als Geist unter einem weißen Bettlaken, der seine um ihn trauernde Frau heimsucht, gespielt von Rooney Mara. A Ghost Story ist ein Film, der die Geduld des Zuschauer auf eine harte Probe stellt - allein die berüchtigte Szene, in der Mara in Echtzeit einen ganzen Kuchen verspeist... Weil David Lowery selbst nicht sicher war, ob dieses experimentelle Konzept funktionieren würde (was es erstaunlicherweise tat) und wie das Endergebnis aussehen würde, finanzierte er den Film aus eigener Tasche und dreht ihn heimlich im Sommer 2016, quasi bei sich um die Ecke. Vier Monate später, als die Dreharbeiten längst abgeschlossen waren, wurde erstmals darüber berichtet, und weitere zwei Monate später dann schon Weltpremiere beim Sundance Film Festival gefeiert. Experiment geglückt!
10 Cloverfield Lane
Das gab es so gut wie noch nie, zumindest bis dahin: Weniger als zwei Monate, bevor 10 Cloverfield Lane ins Kino kam, wurde das, was Produzent J.J. Abrams gern einen "Blutsverwandten" oder "geistigen Nachfolger" von Cloverfield nennt, angekündigt und als solcher enthüllt. Abrams, der alte Geheimniskrämer, hatte den Film unter dem unschuldigen Titel Valencia drehen lassen, und erst während der Produktion fiel den Machern auf, dass er im Kern thematische Ähnlichkeiten zu Cloverfield aufwies. Also beschloss man, eine offizielle Verbindung herzustellen - wovon selbst die Hauptdarsteller Mary Elizabeth Winstead und John Gallagher Jr. erst erfuhren, als sie über den finalen Titel (von Abrams auf den letzen Drücker festgelegt) informiert wurden, nur ein paar Tage vor Erscheinen des ersten Trailers.
Unsane - Ausgeliefert
Claire Foy war hier voll und ganz Steven Soderberghs iPhone ausgeliefert. Aus reiner Neugier und Experimentierfreude beschloss Soderbergh, auf professionelle Kameras zu verzichten und seinen Horrorthriller Unsane - Ausgeliefert komplett mit einem iPhone 7 Plus und einer winzigen Crew zu drehen, was größtenteils im Geheimen geschah. Das erlaubte es ihm, den Film für nur 1,5 Mio. $ in nur zehn Tagen fertigzustellen. Im Juli 2017, als schon alles gelaufen war, wurde das Geheimnis dann gelüftet. Trotz dieser Vorgehensweise und des unkonventionellen visuellen Formats schaffte es der Streifen auf die Kinoleinwand und nahm fast das Zehnfache seines Mini-Budgets ein. Der Beweis dafür, dass die besten Regisseure unabhängig vom Equipment beeindruckende Resultate erzielen können.
Hatchet - Victor Crowley
2017 bei einem Screening zum zehnjährigen Jubiläum des originalen Hatchet überbrachte Adam Green, der Schöpfer der Slasher-Reihe, den anwesenden Fans die frohe und sehr überraschende Botschaft, dass er insgeheim einen vierten Teil gedreht hatte, und widmete ihnen dieses neueste Blutbad. Im Verborgenen hatte er über zwei Jahre hinweg daran gearbeitet, und niemand hatte etwas davon mitbekommen, ganz so, wie es beabsichtigt war. Letztlich erntete Hatchet - Victor Crowley die besten Kritiken aller vier Hatchet-Filme (was nicht sooo viel heißt, aber gut...), und Green bestätigte auch, dass es ein kommerzieller Erfolg war. Kein Wunder also, dass er schon von einer weiteren Fortsetzung spricht. Es würde uns nicht mal übermäßig wundern, wenn er Hatchet 5 bereits im Kasten hätte.
Malcolm & Marie
Welch besseren Zeitpunkt gibt es, um einen Film in aller Heimlichkeit zu drehen, als eine Pandemie? Im März 2020 wurde Sam Levinson von HBO darüber informiert, dass sich der Start der Dreharbeiten zur zweiten Euphoria-Staffel verzögern würde. Dann, eines Nachts, klingelte Zendaya, seine Hauptdarstellerin in der Serie, bei ihm durch und fragte ihn, ob er während der Quarantäne einen Film schreiben und inszenieren könnte. Er konnte! Innerhalb von nur sechs Tagen hatte Levinson Malcolm & Marie fertiggeschrieben, und mit John David Washington war der passende Partner für Zendaya schnell gefunden. Gedreht wurde ausschließlich im "Caterpillar House" in Carmel, Kalifornien. Es dauerte auch nicht lange, bis der Schwarz-Weiß-Film für satte 30 Mio. $ in den Besitz von Netflix überging.
El Camino - Ein Breaking Bad Film
So ein Breaking Bad-Film ist doch eine angenehme Überraschung. Erst gegen Drehstart wurde gemunkelt, dass ein solcher in Entwicklung sein könnte, um die Geschichte von Aaron Pauls Jesse Pinkman weiterzuerzählen. Aber es blieb ein Gerücht, bis Netflix die Existenz des Films bestätigte - sechs Wochen vor Release und sechs Monate nach Abschluss der 50-tägigen Dreharbeiten. Vince Gilligan hatte extreme Anstrengungen unternommen, um El Camino - Ein Breaking Bad Film unter Verschluss zu halten. Der Arbeitstitel Greenbrier war nur der Anfang: Cast- und Crewmitglieder sollten nicht mal ihren Familien erzählen, woran sie arbeiteten, die Schauspieler abseits des Sets den Kontakt zueinander meiden und geradeheraus lügen, falls nötig. Von einem gewissen Cameo ganz zu schweigen... Am Ende machte es sich mehr als bezahlt, da die Fans baff waren, zu erfahren, dass der Film schon fix und fertig war und sie nur noch sechs Wochen darauf warten mussten.