
Ellie und Joel - definitiv kann man dem Duo von The Last of Us seine augenscheinliche Schablonenhaftigkeit zum Vorwurf machen: Der kaltherzig gewordene Beschützer, der aufgrund seines fortgeschrittenen Alters jene Welt vor dem tragischen Zusammenbruch der Zivilisation kennt und ein vorlautes Mädchen, das sich inmitten ihrer beschwerlichen Phase des Erwachsenwerdens in einem wahrhaftigen Albtraumszenario befindet. Doch Ellie kennt im Gegensatz zu Joel keine andere Welt. Jenes Story-Konstrukt ist in anderen Medien hinlänglich bekannt, Fakt ist allerdings auch, dass die Kombination bestens funktioniert und in einem Videospiel anno 2013 ein besonderer Kniff war:
Beständig kann auf diese Weise etwas über die Szenerie und deren Regeln mitgeteilt werden, ohne, dass das störend und aufgesetzt anmutet. Ellie erweist sich außerdem als unglaublich hilfreich, wenn es um das gemeinsame Voranschreiten in der Story geht und sie wächst dem Spielenden zusehends ans Herz.
Die Handlung von The Last of Us wird in stilistischer Hinsicht nicht nur von Horrorelementen getragen, sondern auch durch Referenzen an die Genres Drama, Western und Action-Thriller. Das Tempo dieses bitteren Überlebenskampfes wechselt manchmal innerhalb von Sekundenbruchteilen, wobei sich stille Momente in verlassenen Häusern und Waldstücken mit adrenalingetriebenen Gefechten die Klinke in die Hand geben, nur um dann wieder auf neue Weise zu schockieren. Es geht also um den ständigen Widerstreit von Anspannung und Entspannung. Entscheidungsfreiheit gibt es zwar nicht, jedoch wird man dafür in Form eines durch und durch linearen Third-Person-Adventures von einer zugkräftigen Narrative geleitet, die den Controller nicht mehr aus der Hand legen lässt.
Es gibt eine ganze Reihe an Perspektiven, die das Spiel auszuloten vermag, doch beständig bleiben Ellie und Joel das Herz der Geschichte. In Anbetracht all der bisweilen schrecklichen und niederschmetternden Erfahrungen versuchen sie sich ihre Integrität zu bewahren, wodurch sie aneinander wachsen. Im Verlauf entwickelt sich eine feinfühlige und intensive Vater-Tochter-Dynamik, die spielend leicht eine Motivation dafür liefert, sich einen Weg durch verfallene Hochhausruinen und Vororte zu bahnen, während einem beinahe alles in dieser dystopischen Version des "land of the free" an den Kragen will.
Der größte Feind, so scheint es, sind dabei gar nicht die Infizierten, sondern andere Überlebende, die auf der Suche nach Waffen und Nahrung sind. Die zahlreichen Aufeinandertreffen beziehen die Umgebung mit ein, was insbesondere im Nahkampf in ziemlich hässliche Szenen mündet: Da werden Köpfe mit aller Kraft gegen Wände gehauen oder Messer auf denkbar schmerzvolle Weise in Körper gerammt. Die Detaillierten Animationen überlassen wenig Spielraum für die Fantasie, was in diesem Fall ein bewusstes Stilmittel ist, um die schonungslose und degenerierte Seite dieser Welt zu präsentieren.
Liest man sich weniger wohlwollende Kritiken zu The Last of Us durch, wird darin oftmals das dröge und schematische Gameplay gerügt: etwa das Suchen einer Leiter, um sich einen Weg durch ein Gebäude zu bahnen, zahlreiche Schleichpassagen, die an brutale Widersacher vorbeiführen oder auch das ständige Abgrasen der Handlungsorte nach verwendbaren Ressourcen. Hierin liegt allerdings durchaus eine große Stärke verborgen, denn es geht darum, dass man die Geschichte von zwei Menschen mit verschiedenen Stärken und Schwächen erlebt, die sich in einer unwirtlichen Umgebung zurechtfinden müssen.
Das "Abenteuer" der beiden Figuren ist von Monotonie durchzogen, denn es geht um eine realistische Artikulation ihrer begrenzten Handlungsmöglichkeiten. Anders gesagt: Für sich allein genommen gewinnen die rudimentären Aufgaben von The Last of Us definitiv keinen Innovationspreis, doch in Kopplung mit der Geschichte wird eine Erfahrung generiert, die einen förmlich aufsaugt, weil man ständig vor neue Gefahren und Probleme gestellt wird. Hierbei spielt nicht nur das Kämpfen gegen Horden von Untoten und feindlich gesinnter Menschen eine Rolle, sondern auch die sich ständig im Wandel befindliche Umwelt der Figuren.
Während Ellie etwa durch kleine Schlupflöcher kriechen kann, um versperrte Türen zu öffnen oder durch ihre Neugier auf verborgene Botschaften in der Umgebung hinweist, ist der bärige Joel nicht nur im Nah- und Fernkampf geschult, sondern er hilft dem heranwachsenden Mädchen auch dabei, wenn es mal wieder ins kalte Nass geht. Die in dieser dystopischen Kulisse der USA aufgewachsene Ellie hat nämlich niemals das Schwimmen erlernt, weshalb Joel hier kreativ werden muss, um sie sicher von A nach B zu geleiten.
Durch diese ungleichen Fähigkeiten wird im Verlauf von The Last of Us zunehmend der Instinkt zum Beschützen und Entdecken geweckt. Zugleich ist das Spiel so beiläufig imstande, etwas über die Beziehung der Figuren zur präsentierten Welt und zueinander preiszugeben. Was uns dabei ebenfalls im Gedächtnis geblieben ist, wäre der Perspektivwechsel, nachdem sich Joel eine schlimme Verletzung zugezogen hat. Plötzlich streifen wir nicht mehr als rüstiger 51-Jähriger Überlebenskünstler, sondern als zierliche Ellie mit Pfeil und Bogen bewaffnet durch die bitterkalte Wildnis, um Rohstoffe für unseren angeschlagenen Partner zu bergen. Dieser erzählerische Zaubertrick, der sich sogleich auf das Spielgefühl niederschlägt, hat uns Mitte 2013 wahrlich kalt erwischt!
Zwar mögen all diese Elemente für sich genommen bieder und konventionell erscheinen, doch das clevere Sampling erzeugt gemeinsam mit dem Erkunden der Umgebung, die viele kleine Geschichten in Form von Briefen und andere Hinterlassenschaften wie Graffitis bereithält, ein beklemmendes Soggefühl. Die jeweiligen Interieurs, die Ellie und Joel während ihrer beschwerlichen Reise erkunden, wurden spürbar mit dem Blick für Details und viel Hingabe designt.
Fast wirkt es so, als ob die einzelnen Schauplätze hier direkt aus einem realen apokalyptischen Szenario entstammen. Authentizität und Einzigartigkeit sind die großen stichwortgebenden Instanzen für das Gefühl, wenn man die Welt von The Last of Us durchstreift.
Unsere Zivilisation artikuliert sich hier in einer Zeichenhaftigkeit, die Film- und Serienformaten allein deshalb abgeht, da diese Medien passiv wahrgenommen werden und sie nur von der vorgegebenen Perspektive leben. In dieser Disziplin hebt sich The Last of Us von den genannten Vorbildern wohltuend ab, wodurch das Spiel seinen einzigartigen Status in der Popkultur legitimiert.
Besonders wären aber die Dialogpassagen zu nennen, wenn wir mit Ellie und Co. durch leergefegte Gegenden streifen. Beständig unterfüttern die gewitzten Wortwechsel die Handlung, wobei wir nicht nur mehr über das Seelenleben der Figuren erfahren, sondern auch vor existenzielle Fragen gestellt werden, deren Beantwortung aus Sicht einer durchweg auf Konsum gestützten Gesellschaft entlarvend und vernichtend ausfällt.
Es gibt in The Last of Us eine tolle Szene, die zeigt, wie Ellie und Joel darüber sprechen, weshalb eine dünne Frau auf einem Werbeplakat für eine Aufführung zu sehen ist, obwohl die Menschheit früher doch gar nicht hungern musste. Nachdem Joel ihr die Umstände erklärt hat, dass es um ein gewisses Schönheitsideal ging, quittiert Ellie das mit ablehnendem Unverständnis.