
Da man offenbar auch von der Qualität der Spezialeffekte durch die Effektschmiede Industrial Light & Magic (ILM) noch nicht vollends überzeugt war (würden sie wirklich brauchbar werden? Und vor allem: würden sie überhaupt rechtzeitig fertig werden?), produzierte man auch regelmäßig Live-Action-Effekte. Cockpit-Szenen (im Millennium Falcon, oder auch Landspeeder) wurden teilweise nicht vor Bluescreen, sondern mittels Rückprojektionen gedreht, für den Fall, dass die richtigen Effekte nicht fertig, oder gar schlecht aussehen würden. Dadurch waren diese Szenen durchweg im "Lost Cut" vorhanden. Dass ILM so unfassbar gute Arbeit abliefern würde, war nie zu 100% sicher und so erstaunt es auch nicht, dass viel Spannung durch zusätzliche Szenen aufgebaut werden musste inkl. der tieferen Beleuchtung von Nebencharakteren. All das konnte dann im Zuge der atemberaubenden Effekte wieder fallengelassen werden, wodurch die Kinofassung wieder um einiges kürzer wurde.
Der verlorene Slapstick
Was Reynolds überhaupt nicht fassen konnte, waren teilweise völlig unterirdisch komödiantische Situationen, die ebenfalls ernsthaft produziert worden waren und letztlich – glücklicherweise – in der Endfassung nicht mehr auftauchten. So gab es Quasi-Slapstick-Einlagen, nachdem die Rebellen-Gruppe aus der Schrottpresse des Todessterns entkommen war: Man stelle sich die Szene aus Kevin - Allein zu Haus vor, in der die "feuchten Banditen" mit dem Van Kevin verfolgen. Als sich Kevin umdreht und sieht, dass er beschattet wird, bremsen die beiden, schauen umher und pfeifen ein Liedchen, als seien sie einfach nur zufällig da. In der Art verhielt es sich mit Han, Luke, Leia und Chewbacca wenn sie einer Gruppe Sturmtruppler über den Weg liefen – sie schauten teilnahmslos umher und spielten an ihren Blastern (!). Eine andere verrückte Szene wird durch das Bild von der Titelseite des Magazins visualisiert (s.o. die "kleine Person und die Beine eines Riesen"): Hierbei handelt es sich um ein Easteregg. Der Name der kleinen Person lautet Flash Gordon und er rennt auf der Flucht vor dem Riesen zwischen dessen langen Beinen hindurch. Diese Szene wurde letztendlich im berühmt-berüchtigten Star Wars Holiday-Special recycelt. Der "Erfolg" jenes Machwerks spricht für sich.
"Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung" Trailer 1 (dt.)
Welche Laufzeit hatte der "Lost Cut"?
Wie lange der "Lost Cut" abschließend ist oder war, kann nicht genau zurückverfolgt werden. Auf jeden Fall existiert dieser im Archiv als Schwarzweiß-Stummfilm auf 13 Spulen, wobei Reynolds für seinen Artikel Farbillustrationen der Original-Filmrollen ergattern konnte, die in jener Augabe des OSWM veröffentlicht werden konnten und mittlerweile auch online zu finden sind. Um nun die Gesamtdauer des "Lost Cuts" berechnen zu können, fehlt freilich die Größe (Durchmesser) der Spindeln. Für gewöhnlich wurde auf 10-Minuten-Spindeln (27cm) gefilmt, was bei 13 Spulen eine Gesamtlänge von 130 Minuten ausmachen würde – somit wären wir bei etwa 10 Minuten Zusatzmaterial (zusätzlich zum Alternativmaterial). Es ist natürlich auch nicht ausgeschlossen, dass 38cm-Spindeln benutzt wurden, bzw. das Filmmaterial nachträglich auf diese größeren Spulen gewickelt wurden. Diese beherbergen stattliche 20 Minuten pro Spindel, was die gesamte Länge deutlich verändern würde. Dies fällt jedoch in den Bereich der Spekulation und soll hier nicht abschließend diskutiert werden.
Zum Schluss des OSWM-Artikels resümiert Reynolds seine Recherche: „Es war eine faszinierende Reise durch ein wohlbekanntes Land, in dem alles anders wirkte.“
Was denkt ihr? Würdet ihr auch gerne mal den "Lost Cut" sehen? Reizt es euch, diesen Film einmal mit ganz anderen Augen zu sehen?