Was macht ein Studio wie Pixar so erfolgreich? Wie gelingt es den Kreativen hinter Toy Story, Oben oder Alles steht Kopf, immer wieder Geschichten zu erzählen, die Generationen berühren, und das mit einer erstaunlichen Konstanz?
Ein Bericht des US-Wirtschaftsmagazins Fast Company erlaubt nun einen seltenen Einblick hinter die Kulissen der legendären Animationsschmiede und zeigt: Der Weg zum Meisterwerk beginnt bei Pixar nicht selten mit einem richtig fiesen Bild.
Während andere Firmen auf Teambuilding durch Escape Rooms oder gemeinsame Kochabende setzen, verfolgt Pixar einen radikal anderen Ansatz. Bei sogenannten „Mean Caricature Nights“ treffen sich Mitarbeitende abends, um - ganz offiziell - „wirklich fiese Karikaturen“ voneinander zu zeichnen. Was zunächst wie ein alberner Scherz klingt, hat in Wahrheit eine tiefere Funktion: Die humorvolle Bloßstellung soll Hemmungen abbauen und das Teamgefüge stärken. Wer lernt, über sich selbst zu lachen, ist offener für Kritik - und genau das ist bei Pixar erwünscht. Denn kreative Ideen entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Umfeld, das Vertrauen schafft und ehrliches Feedback zulässt.
Pixar-Chef Pete Docter betont, dass psychologische Sicherheit ein entscheidender Faktor für kreatives Arbeiten sei. Wer sich sicher fühlt, traut sich, mutige Ideen zu äußern, selbst wenn sie im ersten Moment schräg oder unausgereift erscheinen. Und weil alle wissen, dass selbst die besten Pixar-Filme in ihrer ersten Fassung „mies“ sind - wie Mitgründer Ed Catmull einst sagte - entsteht eine Kultur des gemeinsamen Weiterdenkens statt des Bewertens. „Unsere Aufgabe ist es, Filme von mies zu nicht-mies zu machen“, erklärte Catmull nüchtern, und genau dafür gibt es bei Pixar auch den berüchtigten „Braintrust“.
Der „Braintrust“ ist ein regelmäßig tagendes Gremium aus Regisseuren, Autoren und Storykünstlern, die sich gegenseitig Feedback geben. Ohne Hierarchie, ohne Vorschriften, dafür aber mit schonungsloser Offenheit. Jeder darf seine Meinung sagen, niemand ist gezwungen, sie umzusetzen. Doch die Erfahrung zeigt: Wer bereit ist zuzuhören, profitiert davon und das Ergebnis sieht man auf der Leinwand. Dass sich Pixar trotz der Übernahme durch Disney im Jahr 2006 diese Offenheit bewahren konnte, ist keineswegs selbstverständlich. Vielmehr hat sich diese Philosophie sogar auf Disney Animation übertragen, mit Erfolgen wie Die Eiskönigin - Völlig unverfroren oder Ralph reichts.
Ein weiterer Baustein dieser kreativen Infrastruktur ist der bewusst gestaltete Campus im kalifornischen Emeryville. Von der zentralen Cafeteria über die Poststelle bis hin zu den Toiletten – alles ist so platziert, dass sich die Mitarbeitenden zwangsläufig über den Weg laufen. Denn viele Ideen entstehen eben nicht in Meetings, sondern zwischen Tür und Angel, beim Kaffeetrinken oder beim Mittagessen. Pixar glaubt an die Magie des Zufalls und schafft Räume, in denen er wirken kann.
Dass diese Methoden funktionieren, zeigen nicht nur die vielen Oscars und Kassenerfolge, sondern auch die nachhaltige Begeisterung für neue Pixar-Projekte. Für 2026 ist Toy Story 5 angekündigt und auch originäre Stoffe wie Hoppers stehen in den Startlöchern.
Pete Docter betont, dass Pixar nicht endlos Fortsetzungen produzieren wolle. Man wolle das kreative Gleichgewicht zwischen neuen Ideen und beliebten Franchises wahren. Trotzdem gilt: Ohne wirtschaftlichen Erfolg kein kreativer Spielraum und beides scheint Pixar in bemerkenswerter Balance zu halten.
Was für Außenstehende zunächst ungewöhnlich oder gar bizarr wirken mag - von „Mean Caricature Nights“ über schonungsloses Feedback in der „Braintrust“-Runde bis hin zu einer offenen, vertrauensvollen Teamkultur - ist bei Pixar Ausdruck einer kreativen Philosophie, die Mut, Vertrauen und Humor in den Mittelpunkt stellt.
Genau diese Mischung scheint das Erfolgsgeheimnis eines Studios zu sein, das immer wieder Geschichten erschafft, die sowohl Kinderherzen höher schlagen lassen als auch Erwachsene tief berühren und zum Nachdenken anregen.