Bewertung: 4.5 / 5
Geht man in ein fremdes Land, lässt seinen Alltag hinter sich, passieren die unglaublichsten Dinge. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war, nicht mal man selbst. Patricia Clarkson spielt Juliette, die Hauptfigur in Cairo Time. Sie gehört zu den aufrichtigen Leinwandgrößen, die viel zu selten große Rollen bekommen. Wer Schauspielerinnen wie Charlotte Rampling oder Tilda Swinton mag, weil es einfach schön ist, ihrem Charisma zu erliegen, wird auch an Clarksons Ausflug nach Kairo Gefallen finden.
Juliettes Mann Mark (Tom McCamus) arbeitet bei den Vereinten Nationen in Gaza. Sein Aufenthalt im Krisengebiet verlängert sich unfreiwillig auf unbestimmte Zeit, sodass er zum geplanten Beginn des gemeinsamen Urlaubs nicht am Treffpunkt in Kairo sein kann. Daher schickt er seinen alten Arbeitskollegen und Freund Tareq (Alexander Siddig), einen Ägypter. Eigentlich soll er Juliette nur vom Flughafen ins Hotel bringen.
Doch nach Tagen des Wartens und dem Einsehen, dass es als blonde Frau in Ägyptens Straßen nicht sonderlich einfach ist, sucht sie den höflichen Mann erneut auf. Fortan machen sie ihre Spaziergänge gemeinsam.
Oftmals gleicht Cairo Time einer Doku über die Stadt; wie versessen will die Kamera all die Gegensätze des Ortes zeigen, der manchmal so laut und aufgewühlt ist, dass schon das Überqueren einer Straße zur Herausforderung wird. Die Regisseurin ist eine Frau, und das merkt man.
Ruba Nadda (Sabah) ist kanadisch-syrischer Abstammung, und sie stellt vorwiegend Frauen in den Mittelpunkt ihrer Geschichten. So zeigt sie lange, wie Juliette hadert, sich verloren fühlt in dieser fremden Stadt, sich in viel zu langen Schlaf flüchtet, bevor sie den Schritt nach draußen wagt. Man kann mitfühlen, wie sich diese Frau langsam auf ein Land, einen Menschen einlässt, obwohl gerade etwas völlig Ungeplantes passiert.
Die Komposition aus schönen und schroffen Bildern harmoniert mit der Annäherung zweier grundverschiedener Menschen. Aber die bestimmt nicht die Handlung. Tareq, der Kaffeehausbesitzer, und Juliette, die Modejournalistin, begleiten einander. Er begleitet sie bei neuen Erfahrungen, die sie oftmals überrollen. Durch ihre Engstirnigkeit und Naivität bringt sie sich selbst in Gefahr, staunt über die anderen Sitten, als wäre sie überrascht, hinter der Kulisse der Pyramiden eine lebendige Kultur vorzufinden.
Vieles von dem, was Ruba Nadda in ihrer vergänglichen und romantischen Geschichte erzählt, schwebt im luftleeren Raum. Doch auch wenn die Gefühle so wenig greifbar sind, wie die wichtigen Momente im Leben, versteht man tief drin nicht nur diesen Film, sondern auch etwas über den Wert der Dinge.
Cairo Time bekommt 4,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)