Bewertung: 4.5 / 5
Der Arzt Jurij Schiwago (Omar Sharif) wuchs in wohlhabenden, bürgerlichen Verhältnissen auf. Eines Tages verliebt sich in die junge Lara (Julie Christie). Doch aus Respekt und Dankbarkeit gegenüber seinen Pflegeeltern hereitat Jurij die Tochter Tonja (Geraldine Chaplin). Über Jahre schafft es Schiwago trotzdem nicht die schöne Frau zu vergessen, da sich auch ihre Wege immer wieder kreuzen.
Ach ja, wo sind sie eigentlich: Die großen Epen unserer Zeit. Man muss sie schon mit Lupe suchen, wenn man sie finden will. Es ist eigentlich gar nicht so meine Art romantisch zu verklären, und so zu tun, als wäre "Früher alles besser" gewesen, aber dennoch lässt sich zumindest dieser Umstand in einigen Berreichen nicht leugnen. Denn David Lean hat hier wirklich einen Epos geschaffen, der dieses Wort auch verdient.
Und woran liegt das? Nun ja, auch diese Frage gilt es zu ergründen und letztlich ist die Antwort dieser Frage auch vielschichtig. Zum einen sind es die Bilder, die so Ausdrucksstark und von einer enormen Größe auf den Zuschauer einwirken. Wenn hunderte Pferde auf der Stelle treten und Charaktere sich im Lichte des Bildes zeigen, hat dies etwas sehr theatralisches. Man muss das mögen um es zu lieben. Denn ja, früher hat man noch sehr Nahe dem Theater inszeniert. Heute würde man vermutlich etwas behutsamer an solche Szenen herangehen. Allerdings macht genau das Doktor Schiwago so faszinierend.
Was ihn ebenfalls faszinierend macht, ist sein Hauptdarsteller. Denn Omar Sharif ist der geborene Schiwago. Die Kämpfe in seinem Inneren, das Verlangen nach der schönen Lara und alles andere kann er spielend leicht verdeutlichen, ohne daß es dabei plakativ wäre.
Zudem ist auch der Hintergrund um die russische Revolution, im Nachklang des Ersten Weltkrieges eine sehr spannende Prämisse. Und eine Prämisse, die man nicht allzu oft im westlichen Teil der Welt zu Gesicht bekommt. Immer wieder klingen die Rufe der Revolution auf und man fragt sich, wo sie denn hinwollen mit ihrer Idee. Dabei wird gleichzeitig auch die Politik innerhalb der Geschichte runtergfahren, und es wird mehr auf das Liebesdrama eingegangen. Was dem ein oder anderen Geschichtslehrer sicherlich sauer aufstoßen wird, ist für mich eine wirklich gute Idee, um die Bedeutung von Allem zu erklären. Dabei bleibt es aber nicht bei einer einfachen Erklärung, sonderen dem Gefühl dahinter. Welches wesentlich autenthischer ist.
Dies alles wird untermalt von der phantastischen Musik von Maurice Jarre. Macht, Liebe, Hingabe, Verlust und so ziemlich jede weitere große Emotion wird hier mit einer Grazie untermalt, daß man nicht anders kann sich auch in diese Musik zu verlieben. Sie ist sicherlich sehr klassisch gehalten, aber passt einfach zu dieser einen Liebesgeschichte.
Nicht ganz so phantastisch dagegen ist der Mittelteil. Denn ja, auch ältere Filme dürfen sich gerne mal die Frage gefallen lassen, warum sie denn so lange gehen. Und wirft man diese Phrase in den Raum, so kann sie auch David Lean nicht beantworten. Denn die Geschichte lässt sich auch schneller erzählen und so passiert es, daß gerade im mittleren Teil des Films eigentlich nichts mehr passiert. Sicherlich ist dies nicht das allerschlimmste was es in Sachen Pacing zu bieten gibt, allerdings hätte der ein oder andere Cut dem Film gut getan.
Doch auch das vergisst man wieder schnell, wenn man sich der Schönheit der Romantik hingeben möchte. Was dem ein oder anderem sicherlich zu kitischig erscheint, ist in meinen Augen wahre Poesie. Poesie in starken Bildern, starken klängen und starken Ausdrücken.
Doktor Schiwago kratzt so sehr an einem brillantem Film, daß es fast ärgert, das er so seine Längen hat. Omar Sharif ist phantastisch und besitzt das Nötige Charisma, aber auch Talent um den Film zu tragen. Man kann diesem Film so viel abgewinnen, wenn man sich auf diese Odysee einlassen kann. Dort bekommt neben weiteren phantastischen Schauspielern, auch etwas, daß sich Authentizität nennt. Ein Wort, daß man viel zu selten bei Filmen dieser Art anwenden kann.