Bewertung: 4.5 / 5
Die Geschichte von Pinocchio wurde schon sehr oft verfilmt, erstmals bereits im Jahr 1911. Mit Guillermo del Toros Pinocchio erreicht uns jetzt über Netflix die neueste Adaption der berühmten Geschichte und diese könnte sogar die bisher beste überhaupt sein.
Guillermo del Toros Pinocchio Kritik
Der Krieg nahm dem Holzschnitzer Geppetto seinen Sohn. Von Trauer überwältigt baut er sich eine Holzpuppe als neuen Sohn, die kurz darauf von einer Fee als Pinocchio zum Leben erweckt wird. Von der Welt fasziniert, wie auch diese von Pinocchio fasziniert ist, begibt sich der Junge aus Holz auf eine abenteuerliche Reise durch ein faschistisches Italien, ohne zu wissen, in welch Gefahren er sich begibt. In großer Sorge um seinen Sohn reist Geppetto ihm hinterher und gerät dabei selbst in Gefahr.
Trailer zu Guillermo del Toros Pinocchio
1940 erschien mit Pinocchio ein abendfüllender Zeichentrickfilm von Walt Disney. Diese ist bis heute wohl die berühmteste und für viele auch beste Verfilmung der bekannten Geschichte. Disney selbst hat sich in diesem Jahr an einer Realverfilmung ihres legendären Klassikers gewagt und ist damit krachend gescheitert. Doch zum Glück war dies nicht die einzige Neuverfilmung der Geschichte, die uns in diesem Jahr erwartet.
Guillermo del Toro arbeitet bereits seit vielen Jahren an diesem Wunschprojekt. Erstmals haben wir 2017 davon berichtet und auch da war er bereits seit einiger Zeit dabei, zu versuchen, das Projekt zu realisieren. 2018 wanderte der Film schließlich zu Netflix, zwei Jahre später gab man den Voice-Cast bekannt, angeführt von Ewan McGregor als sprechende Grille. Jetzt endlich ist Guillermo del Toros Pinocchio fertig und verfügbar. Und eines können wir direkt sagen: Die jahrelange Arbeit hat sich gelohnt!
Del Toro hat nicht weniger als ein kleines Meisterwerk abgeliefert. Seine Adaption gehört zu den besten, die es zu Pinocchio jemals gegeben hat und man darf gerne darüber streiten, ob diese nicht sogar besser ist als der legendäre Zeichentrickklassiker von Disney. Del Toro greift für seine Adaption auf bekannte Elemente der Vorlage zurück, fügt jedoch auch viel Neues hinzu. Dadurch ist es zum einen die bekannte Geschichte, zum anderen eine spürbare Guillermo del Toro-Interpretation. Nicht selten mussten wir sogar an sein Pans Labyrinth denken.
Interessant an Guillermo del Toros Pinocchio ist, dass hier dieselbe Ausgangslage verwendet wird, die auch schon Disney in diesem Jahr seiner Realverfilmung hinzufügte, nämlich, dass Geppetto um seinen echten Sohn trauert und aus dieser Trauer heraus Pinocchio baut. Diese Parallele ist schon interessant, zumal sie nicht Teil des Romans von Carlo Collodi ist. Doch wo man sich bei Disney noch fragte, warum sie diesen Hintergrund hinzufügten, ergibt es hier komplett Sinn, da dies ein enorm wichtiger Teil der Geschichte ist. Denn ein zentrales Element von del Toros Adaption ist das Thema Sterblichkeit, was sie bedeutet und warum sie etwas so Zerbrechliches, aber auch so Wertvolles ist.
Diese Thematik bekommt noch mehr Gewicht, da del Toro die Geschichte, die erstmals im Jahr 1883 als Buch veröffentlicht wurde, ins faschistische Italien des Zweiten Weltkrieges verlegt. Dadurch ergeben sich weitere Veränderungen in der Geschichte. So reist beispielsweise Pinocchio in del Toros Version nicht in einen Freizeitpark, wo die Kinder in Esel verwandelt werden. Tatsächlich geschieht hier mit den Kindern noch etwas viel Schlimmeres, denn sie werden zu Soldaten gemacht, die für Mussolini in den Krieg ziehen sollen.
Del Toro liefert damit einen durchaus düsteren Ansatz, schafft es aber so, Themen wie Tod und Sterblichkeit, aber auch freies Denken und blinder Gehorsam in eine märchenhafte Verfilmung zu packen und das ohne, dass sie zu überladen wirkt. Wem das jetzt zu depressiv klingt, der kann beruhigt sein. Ja, Guillermo del Toros Pinocchio ist durchaus düster und liefert auch so manch traurige Szene. Vor allem Eltern werden das ein oder andere Mal schlucken müssen. Doch der Film bietet auch Humor, Hoffnung und vor allem viel Herz.
Der ganz große Pluspunkt von Guillermo del Toros Pinocchio ist das Design und die Machart des Films. Komplett mit der Stop-Motion-Technik umgesetzt, erwartet euch der vielleicht schönste Film des Jahres und einer der schönsten Animationsfilme überhaupt. Jedes einzelne Bild in dieser Umsetzung ist reiner Genuss. Vor dieser Arbeit muss man sich einfach verbeugen, erst recht, wenn man die Making-ofs dazu kennt. Es muss schon sehr viel passieren, wenn del Toro für dieses meisterhafte Werk nicht seinen nächsten Oscar erhält, dieses Mal für den besten Animationsfilm.
Guillermo del Toros Pinocchio bietet alles, was die berühmte Pinocchio-Geschichte ausmacht und sogar noch mehr. Zum letzten Drittel hin hat der Film zwar einige Längen, doch dies täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass euch hier eine der besten Adaptionen der berühmten Geschichte erwartet. Von der ersten bis zur letzten Minute spürt man, wie viel Herz Guillermo del Toro in diesen Film gesteckt hat. Ohne eine lange Nase zu bekommen, können wir zu Recht behaupten, hier ein neues Meisterwerk gesehen zu haben.
Wiederschauwert: 80%