Bewertung: 3.5 / 5
Auch die wahrlich düsteren Konsequenzen der Nymphomanie werden in Nymphomaniac (Part 2) in all ihren Facetten gezeigt, doch wundert uns hier, dass man bezüglich Schmerz, um etwas Fühlen zu können, mit Masochismus als zugleich Selbstbestrafung dennoch recht einschienig sexuell geblieben ist. Provokant ist die gewählte Form, nämlich völlige Selbstaufgabe, nicht einmal ein Sicherheitswort erlaubt der Sadist, dessen Lust sich eher introvertiert abspielt. Auch diese hat er offensichtlich unter Kontrolle und wirkt dadurch selbst als pures Werkzeug der Ausübung seiner Macht. Die sie ihm wiederum gibt, denn sie bräuchte einfach nicht hinzugehen. Die Pose, die Joe dabei einnehmen soll, bedient und bricht zugleich Klischees.
Joes Gefühllosigkeit wirkt sich auch auf ihre Beziehung aus, die sexuell leidet und ihren Partner - wir spoilern ihn mal nicht - an seine Grenzen erträglicher Eifersucht treibt: Der vor der Beziehung durch zig wechselnde Partner erbrachte Kick soll wieder aufgenommen ebenfalls helfen, wieder etwas fühlen zu können. Auch ihre Mutterschaft, die von Beginn an schwierig war, wird für sie immer belastender und eher etwas, wofür sie sich ständig schuldig fühlt, das bleibt ebenfalls nicht ohne Konsequenzen für die Beziehung.
Trailer zu Nymphomaniac (Part 1)
Joes angehimmelter Vater sorgt für weitere Probleme, als dieser ins Krankenhaus kommt - Christian Slater stellt berührend verschiedene Formen des Leidens dar, die natürlich auch bis ins Extrem in physischer wie psychischer Form gezeigt werden. So traurig das für Joe anzusehen ist - immerhin zeigt sie hier wieder Gefühle. Auch mit dem eigenen Alter muss sie sich auseinandersetzen, als sie eine Nachfolgerin für ihren Job anlernen soll, ein Job, indem sie ihre sexuellen "Talente" übrigens als Strafe einsetzt und damit vom Masochist zum Sadist wird, aber anders als man nun vielleicht meint.
Wer nun denkt, Lars von Trier würde nicht jede Grenze bisher übersteigen - doch er tut es. Auch Frauenliebe kommt noch ins Spiel, selbst Mord darf nicht fehlen. So ziemlich alle Extreme werden dadurch mit beiden Teilen durchgekaut, ohne durchgekaut zu wirken. Und das gibt der Länge wiederum ihre Berechtigung, die an einem Wendepunkt passend aufgeteilt wurde. Zumal auch die in Nymphomaniac (Part 1) von Seligman erwähnte Fibonacci-Zahlenfolge dies in Bezug auf die Kapitel schon nahelegte.
Im Ganzen wahrlich ein komponiertes Meisterwerk der Extreme von Lars von Trier, in dem man sicher beim Mehrfachschauen jedes Mal noch etwas Neues entdeckt. Nymphomaniac (Part 1) und Part 2 sind ein krönender Abschluss seiner Trilogie, der die beiden vorherigen Teile deutlich in den Schatten stellt.
Eine Wertung ist schwer, wer Lars von Trier-Filme nicht mag, wird eine positive Wertung von Nymphomaniac nicht verstehen. Als einem seiner komplexesten, extremsten Werke und bezüglich Artkino selbst auch eines der künstlerisch extremsten Filme überhaupt können wir einen Blick jedem Artkinofan nur empfehlen. Die sinnmachende Komplexität gleicht manches gefühlt überdehnte Manko aus. Nymphomaniac (Part 1) ist wahrlich Geschmacksache, auch hier empfinden wir die Grundidee cool, aber hätte es diese Länge gebraucht?