Bewertung: 4.5 / 5
Am Anfang steht ein Ultimatum: Pat Garrett, neu ernannter Gesetzeshüter, gibt seinem ehemaligen Freund, dem Revolverhelden Billy the Kid, fünf Tage, um aus Pats Jurisdiktion zu verschwinden. Billy wäre aber kein ordentlicher Outlaw, wenn er sich von solch einer Drohung beeinflussen lassen würde. Und so kommt es, wie es kommen muss: Pat nimmt Billy fest. Aber jemanden wie Billy hält das nicht lange auf. So knallt er bei der erstbesten Gelegenheit Pats Hilffsheriffs ab und flieht. Pat sieht sich auf Anraten des Gouverneurs und des Großgrundbesitzers Chisum gezwungen, Billy zu jagen und das Handwerk zu legen...
Hatten die Italiener mit ihren Spaghettiwestern dem wahrscheinlich amerikanischsten aller Filmgenres noch kurz neuen Atem verliehen, befand sich der in den USA produzierte Western 1973 bereits auf dem absteigenden Ast. Vier Jahre zuvor hatte Regisseur Sam Peckinpah den Westernhelden bereits mit „The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“ in den blutigen Ruhestand versetzt, mit „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ wagte er sich aber nochmal zurück an die mexikanische Grenze, um eine der bekanntesten und tragischsten Freundschaften des Wilden Westens zu verfilmen.
Besetzt hat er als Pat Garrett James Coburn, der bereits mit den glorreichen Sieben ritt und der seinen Charakter mit einer gewissen Mattheit ausstattet. Ihm gegenüber steht Country-Star Kris Kristofferson als ungleich jüngerer Billy the Kid (der Name kommt schließlich nicht von ungefähr), fast immer lächelnd und charismatisch. Es fiele leicht, einen der beiden Charaktere als Sympathieträger und den anderen als Bösewicht zu zeichnen. Peckinpah und Drehbuchautor Rudolph Wurlitzer gehen jedoch einen anderen, komplizierteren Weg: klar, Billy ist ein sympathischer Outlaw, aber er hat auch kein Problem damit, Leuten in den Rücken zu schießen und bei Pistolenduellen zu betrügen. Und klar, Pat hat sich an das System verkauft und ist damit mit der Grund, warum der Westen keinen Platz mehr für Leute wie Billy, die immerwährend auf der Suche nach Freiheit sind, hat, aber er macht das, weil er zu alt für das Outlawleben geworden ist. Aus dem Konflikt zwischen Gesetz und Gesetzlosem wird somit auch ein Generationenkonflikt. Besonders deutlich wird das, wenn Pat andächtig vor seinem weißen Holzzaun steht: die jugendlichen Ideale weichen dem Drang nach einem sicheren Leben.
Peckinpah-typisch zeigt sich die Gewalt in „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ zugleich als faszinierend und verstörend. Entweder sind Schießereien in Sekunden vorüber oder sie werden, was fast noch unangenehmer ist, Zeitlupe künstlich in die Länge gezogen. Der Zuschauer wird gezwungen, sich die Folgen von Waffengewalt vor Augen zu führen, jeden einzelnen Blutspritzer nachzuverfolgen. Besonders bedrückend und eindrucksvoll geschieht dies in der Fluchtsequenz am Anfang, wenn Billy den bibeltreuen Hilfssheriff mit einer Schrottflinte voller Münzen erschießt. Gleichzeitig gesellschaftskritisch und das Ende vorwegnehmend erschaffen Peckinpah und Kameramann John Coquillon damit eines der stärksten Bilder der Filmgeschichte.
Bob Dylan, der in einer Nebenrolle als Messer schwingender Alias mitspielt, zeichnet sich für den Soundtrack verantwortlich. Er unterlegt den Film mit ruhigen Tönen, die dem ganzen eine gewisse Schwere verleihen. Wer Dylans „Knockin on Heavens Door“ für totgespielt hält, muss den Song im Kontext des Filmes noch einmal richtig erfahren. Selbst nach all den Jahren und all den Coverversionen hat er nichts von seiner Kraft verloren. Peckinpah gelingen mit ihm zwei wirklich ergreifende Szenen, die den Zuschauer lange nicht loslassen dürften.
„Pat Garrett jagt Billy the Kid“ ist ein melancholischer Abgesang auf den Westernhelden, auf den Outlaw, auf die Jugend, auf Ideale und auf einen Wilden Westen, in dem der Einzelne noch Freiheit finden konnte. Und so verwundert es nicht, dass er mit einem gebrochenen Mann endet, der in die Prärie reitet und sich nicht mal mehr wehrt, wenn er mit Steinen beworfen wird. Denn für Männer wie Billy the Kid ist in der modernen Welt kein Platz mehr. Oder wie Pat Garrett selbst sagt: „Goddamn laws ruinin the country...“