In M. Night Shyamalans neuem Film geht es mal wieder um das Märtyrertum, das Schicksal und um die liebe Familie und was man so auf sich nimmt, um ebenjene (und nebenher vielleicht mal eben die Welt) zu retten. Über weite Strecken ist Shyamalans neuster Film auch ein packender Home Invasion-Thriller, der die Tropen des Genres wahlweise gekonnt ausspielt oder unterwandert und umkehrt. Der Plot ist angenehm reduziert, dank der Vorlage von Paul Tremblay folgt die Handlung auch einem recht stringenten Verlauf, ohne die Shyamalan-typischen Tangenten zu nehmen. Und dann kommen wir zum wahrscheinlich dümmsten, dreistesten und quatschigsten Ende in der Karriere des Twist-“Experten“ Shyamalan. Aber vielleicht gehen wir mal einen Schritt zurück...
Die Geschichte startet in medias res: die kleine Wen fängt gerade im Wald Heuschrecken, als der Hühne Leonard aus dem Gebüsch auftaucht und das Mädchen anspricht. Schnell finden wir raus, dass das Mädchen mit ihren beiden Väter Eric und Andrew im Urlaub in einer kleinen Waldhütte ist – und dass Leonard nicht alleine ist. Er und drei „Kollegen“ haben die Hütte in Visionen gesehen, die vom Ende der Welt handeln. Nach einer recht intensiven Verschanzungssequenz verschaffen Leonard und seine drei Kollegen sich Zutritt zu der Waldhütte, überwältigen die Dads und enthüllen, warum sie da sind: die Familie muss entscheiden, wer von ihnen geopfert werden soll und diese Person dann auch über die Wupper gehen lassen – anders lässt sich laut Leonard und den anderen Eindringlingen, die sich im Internet zusammengefunden haben, das Ende der Welt nicht mehr aufhalten. Erdbeben, Pestilenz, ja sogar der in Scherben zerberstende Himmel, das folgt, wenn die Familie sich nicht fix entscheidet. Damit die Familie ihnen Glauben schenkt, zeigen die Eindringlinge ihnen das Nachrichtenfernsehen, das Tsunamis, Virenausbrüche und Flugzeugabstürze zeigt. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen... bringen sich die irren Unheilspropheten vor den Augen der Familie selbst um.
Trailer zu Knock at the Cabin
Wie vielleicht oben schon anklang, ist „Knock at the Cabin“ kein freudloses Unterfangen. Mit Anleihen an den religiösen Horror der 70er Jahre erzählt Shymalan eine tighte Plotte, die gekonnt mit unserer Erwartungshaltung spielt. Klar, die Geschichte der Eindringlinge ist wahrnsinnig und rational lässt sie sich auch schnell wegreden. Aber über weite Strecken wissen wir nicht, was für eine Art Film wir sehen: ist das ein Thriller oder ein „richtiger“ Horrorfilm? Der Film saugt viel Spannung aus dieser Ambiguität, die sich in den Vaterfiguren widerspiegelt: während Andrew, voller Wut auf die Welt von Ben Aldridge verkörpert, das perfide Spiel der Eindringlinge keine Sekunde ernstnimmt, machen sich in Jonathan Groffs sanftem Eric Zweifel breit. Was ist, wenn die Welt tatsächlich untergeht? Und was ist, wenn nur ein Menschenopfer diesen Prozess umkehren kann? Wäre dann nicht die einzig moralische Entscheidung, dem Verlangen von Leonard nachzukommen? Da das hier aber ein (fast) guter und kein mutiger Film ist, dürfen solche Fragen nicht ungeklärt bleiben. Aber dazu später mehr.
Mit seinem Leonard beweist Dave Bautista mal wieder, dass er der Beste der „Wrestler turned Actor“-Riege ist. Den Grundschullehrer, dem eine große Bürde auferlegt wurde, und der seinen Opfern nichts böses will, nimmt man ihm zu jeder Sekunde ab. Man könnte Shyamalan jetzt Mut konstatieren, seinen Bösewicht als solch zerissene, fast bemitleidenswerte Figur darzustellen. Immerhin wissen wir: die Bösen, das sind keine Monster, das sind ganz normale Menschen. Doch genau hier wird der Film eben #problematic. Denn Shyamalan verhaftet seinen Film inmitten gesellschaftlicher Diskurse, zu denen er sich natürlich auch irgendwie positionieren will.
„Love the Sinner, hate the sin“ war lange Zeit ein Versuch der amerikanischen religiösen Rechten, sich nicht als Anti-LGBTQ+ outen zu müssen und ihren christlichen Anstrich behalten zu können. Leonard und seine Gruppe von (im Kontext des Films Nicht-so-)Wahnsinnigen sind ähnlich drauf. Gefunden haben sie sich im Internet, weil sie ganz ähnliche Visionen vom Ende der Welt plagen. Dass es hier ein gleichgeschlechtliches Paar getroffen hat, das ist natürlich nur ein Zufall und überhaupt, andere Lebensentwürfe unterstützen sie. Sie müssen sich halt nur dem religiösen Wahn (das Weltuntergangsszenario ist ein dezidiert christliches) beugen, damit die Welt nicht untergeht. Die Eindringlinge stellen sich hier dann auch als Propheten im eigentlichen Sinne dar, Menschen, die in Visionen von Gott Kenner einer größeren Wahrheit geworden sind, die es nun gilt umzusetzen. Denn der große Twist am Ende ist, dass die Eindringlinge recht haben: was wir in den Nachrichten sehen, sind die biblischen Offenbarungen, die Welt ist dem Untergang geweiht, nur ein Menschenopfer kann alles richten. Welche Implikationen das vor dem Hintergrund echter Radikalisierungen hat, darf sich jetzt jeder selbst ausmalen.
Das ist aber natürlich kein genehmes Ende für einen Film, der sich an ein breites Publikum wenden soll. Also muss sich eines der Opfer dem Zuschauer zuwenden und in die Kamera predigen, dass die Bekloppten, die sich in Internetechokammern radikalisieren, arme, ängstliche Schlucker sind, mit denen wir Mitleid haben müssen. Dass hier eine der Figuren vor den Geschehnissen in der Hütte Opfer eines Hate Crimes wurde (dass DIREKT zum eigentlichen Plot des Films führt), ist dabei Teil des göttlichen Plans und muss hingenommen werden: Minderheiten sind Märtyrer und die Welt braucht Märtyrer nunmal, damit sie funktionieren kann. Dass Märtyrer notwendig sind, ist uns in Shyamalans Schaffen schon häufiger begegnet, man denke nur an die Figuren, die er Bruce Willis hat spielen lassen. Bisher hat er damit aber noch nie Verbrechen gerechtfertigt, die uns im echten Leben begegnen können. Nach der Logik, die uns der Film präsentiert, müssen Minderheiten ihr Leiden hinnehmen, damit die Gesellschaft fortbestehen kann. Damit mich keiner missversteht: Shyamalan schließt sich hier nicht Andrews kulturpessimistischer Sicht an (den er einmal äußern lässt, dass eine Welt, die Menschenopfer benötigt, keine ist, die ein Fortbestehen verdient), sondern er versucht die Schönheit im Sterben für die größere Sache zu finden. Führt man Shyamalans schlichtweg antiaufklärerische Logik stringent zu Ende, bringen diskriminerte Minderheiten ein notwendiges Opfer, dass durch ihren Widerstand gefährlich untergraben wird. Lieber mit dem Wissen, dass man moralisch überlegen ist, gen Untergang, das scheint Shyamalans Rezept für die Zukunft. Dass die Plagen im Film, die grob analog zu den Krisen unserer Zeit stehen, sich eben nicht durch solche Opfer lösen lassen und der Film damit der irrationalen Weltsicht der Neurechten („GENDERN IST SCHLIMMER ALS KLIMAWANDEL!!“) implizit zustimmt, das scheint Shyamalan nicht zu stören.
„Knock at the Cabin“ wird so zu einem sehr unbefriedigendem Film, weil er sich auf der Zielgeraden als christlich-fundamentalistische Propaganda entpuppt. Was versucht, sich voller Nächsten- und Feindesliebe zu geben, kann man letztlich nur als ekelhaft menschenverachtend verstehen.