Bewertung: 3.5 / 5
"Fucking Berlin: Studentin und Teilzeithure" - so nannte Sonia Rossi ihr Buch über ihre Erfahrungen als Callgirl. Das Medienecho war groß, der Mythos von der freizügigen Studentin, die einem Nebenjob wie jedem anderen nachgeht, wurde mal wieder befeuert. Zunächst ist das Geschäft mit dem Sex auch im beinahe nüchtern erzählten Drama Tag und Nacht ein locker-flockiges: Hanna (Magdalena Kronschläger) und Lea (Anna Rot) studieren und brauchen Geld. Kellnern wirft kaum etwas ab, also heuern sie bei einem Escortservice an. Doch allmählich und ganz subtil schleicht sich Unbehagen ein, wird der vermeintlich einfache Job zur seelischen Belastung.
Um diese Entwicklung nachvollziehbar zu skizzieren, muss Regisseurin Sabine Derflinger nicht auf brutale, abartige Freier, die die Mädchen misshandeln, zurückgreifen. Ihre Kunden sind ganz normale Männer: Manche sind schüchtern, andere mögen es, sich beschimpfen zu lassen, wieder andere tragen Strapse. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie üben Macht aus. Sie diktieren, was im Schlafzimmer, in der Hotelsuite passiert, machen Lea und Hanna zu ihrem Spielzeug.
Die Erkenntnis, keine Kontrolle mehr zu haben, trifft Lea unverhofft. Ihre Freundin Hanna war sich dessen von Beginn an bewusst, fühlte sich nie wirklich wohl bei dem, was sie tut. Derflinger verzichtet darauf, die Arbeit als Edelprostituierte zu glorifizieren, seziert vielmehr, was hinter der klischeebeladenen Fassade von Abenteuer, leicht verdientem Geld und Spaß passiert.
In klaren, schnörkellosen Bildern zeigt sie, worum es geht: ums Geschäft. Mit der Lust. Mit dem Körper. Mit Fantasien. So, wie Lea und Hanna von einer Minute zur anderen bei ihrem ersten Kunden stehen, so unvermittelt findet sich das Publikum ab der ersten Kameraeinstellung im Erotikgewerbe wieder. Und das glitzert nicht, sondern ist ein knallhart kalkuliertes Business, in dem die Frauen funktionieren müssen.
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack und zwei Freundinnen, die sich untereinander und von ihrer Identität entfremdet haben: Die Rechnung zahlt am Ende aller Illusionen nicht der Freier, sondern die Seele.
Tag und Nacht bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)