Bewertung: 4.5 / 5
Das ist meine erste Kritik, aber „Tenet“ und danach das Lesen der offiziellen MJ – Kritik haben mich einfach dazu gebracht, jetzt auch mal eine ausführliche Filmbesprechung zu dem Film, der als „Rettung des Kinos“ gehandelt wird, zu verfassen.
Am Mittwoch, 26.08.2020 war es endlich soweit. Zum ersten Mal seit Januar (Damals 1917) war ich endlich mal wieder im Kino. Und meine Erwartungen an „Tenet“ waren extrem hoch, nichts anderes als ein neues Meisterwerk von Regisseur Christopher Nolan hatte ich mir erhofft. Und um das gleich vorwegzunehmen: Ich wurde nicht enttäuscht!
Trailer zu Tenet
Ich versuche möglichst auf Spoiler zu verzichten, aber „Tenet“ sollte man wenn irgendwie möglich ohne irgendein Vorwissen sehen, deswegen rate ich dazu, Diese und alle anderen Kritiken erst nach dem eigenen Kinobesuch zu lesen!
Aufgrund dessen verzichte ich auch darauf, eine Inhaltsangabe zu schreiben und beginne stattdessen gleich mit den schauspielerischen Leistungen. Und um es kurz zu machen: Abgeliefert haben Sie alle! John David Washington verleiht dem namenlos bleibenden Protagonisten eine starke körperliche Präsenz und kann sowohl in den Action- als auch den ruhigeren Parts durchgehend überzeugen. Elizabeth Debicki darf einige Facetten zeigen – von der sorgenden Mutter bis hin zur verzweifelten und rachsüchtigen Ehefrau. Am Meisten überrascht und überzeugt haben mich aber Robert Pattinson als Neil und Kenneth Branagh als Gegenspieler Andrei Sator. Pattinson meistert seine Aufgabe in jeder Szene bravourös, generell stellt er in vielen Situationen den Szenendieb dar, der die Aufmerksamkeit am Meisten auf sich zieht. Auch einige auflockernde Sprüche baut er sehr gut ein, ohne die nötige Ernsthaftigkeit zu verlieren. Für mich war „Tenet“ quasi der Beweis, das Pattinson einen absolut ernsthaften Kandidaten für die 007-Nachfolge von Daniel Craig darstellt, ich bin auch spätestens jetzt sehr gespannt auf seine Verkörperung von Bruce Wayne aka Batman! Branagh dagegen arbeitet dagegen viel mit seinen Augen und seiner Mimik und schafft es so, einen überzeugenden und glaubwürdigen Gegenspieler darzustellen. Den bösen russischen Oligarchen nimmt man ihm in „Tenet“ auf jeden Fall sehr viel mehr ab als in seinem ersten Auftritt in so einer Rolle in „Jack Ryan Shadow Recruit“. Etwas blass blieb eigentlich einzig Aaron Taylor Johnson als Soldat „Ives“, aber das ist der Natur seiner Rolle geschuldet und fällt daher kaum negativ ins Gewicht. Michael Caines Auftritt ist für die gewisse Kontinuität in Nolans Werken natürlich schön, fällt aber sehr kurz und entsprechend auch relativ unnötig aus.
Das 225-Millionen Dollar Budget sieht man „Tenet“ in jeder Szene an, das fällt schon ab der ersten Action-Szene in der Ukraine auf und steigert sich im Verlauf des Films bis hin zum spektakulären Finales immer weiter. Handwerklich und inszenatorisch ist der Film natürlich (bei Nolan als Regisseur) über jeden Zweifel erhaben. Die in den allermeisten Fällen handwerklichen Effekte sehen durchgehend super aus, besonderes Highlight stellt hier natürlich die Sache mit dem Flugzeug dar. Aber auch „gewöhnliche“ Actionszenen wie eine Schlägerei in einem Restaurant oder eine Auto-Verfolgung werden bei Nolan zu einer waren Augenweide! Für solche Momente geht man einfach ins Kino. Auch die smart und relativ sparsam eingesetzten Inversions-Effekte sehen allesamt fantastisch aus und der besondere Kniff, den sich Nolan für „Tenet“ überlegt hat, bietet Raum für einige der spektakulärsten und einzigartigsten Action-Choreographien der letzten Jahre, vielleicht sogar aller Zeiten! Dabei fällt es einem gar nicht so leicht, immer den Übersicht über alle mehr oder weniger gleichzeitig ablaufenden Handlungsstränge zu behalten. Besonders im actionreichen Finale passiert unfassbar viel gleichzeitig, allein um dort alles genau nachvollziehen zu können, lohnt sich eine zweite Sichtung schon! Natürlich ist das aber auch genauso beabsichtigt, deswegen soll das natürlich kein Kritikpunkt sein! Noch ein großer Pluspunkt ist der Soundtrack. Ein neuartiger Sound, der immer wieder eine ganz besondere Intensität und Atmossphäre schafft. Die Experimentierfreude mit einzelnen Noten und Instrumenten hat mich immer wieder - positiv - an den einzigartigen Soundtrack von Nolans "The Dark Knight" erinnert.
Wo wir dann aber trotzdem bei einigen kleineren Schwächen wären, die „Tenet“ trotz aller Qualitäten hat. Das Drehbuch ist in den ersten 45 Minuten etwa ein wenig zerfahren. Nach der eröffnenden Action-Sequenz springt die Handlung in unglaublichem Tempo von einer Location zur Nächsten. Im Grunde ist dieser Part nur dazu da, den Protagonisten mit den unterschiedlichen Charakteren bekannt zu machen und die Regeln der Inversion zumindest anzudeuten. (Siehe der Auftritt von Michael Caine!) Ein anderer Punkt wäre der unglaublich viel Potential bietende Konflikt um Sator und zukünftige Generationen, der zum Ende hin immer mehr angedeutet wird. Aber anstatt aus Sator einen deutlich vielschichtigeren Gegner zu machen, werden hier viele Möglichkeiten ungenutzt gelassen und somit letztendlich verschenkt. Zugegebenermaßen wäre es zeitlich aber auch sehr schwierig gewesen, diesen Konflikt in dafür angemessen Rahmen in die Handlung einzubauen, aber wenn ich das jemandem zutrauen würde, dann ja wohl Christopher Nolan. Ein dritter Kritikpunkt sind die oft etwas gewöhnungsbedürftigen Schnitte, die den Film immer wieder unnötig zerstückeln. Eine potentiell beeindruckende Action-Szene, in der die Protagonisten ein Gebäude erklimmen müssen, wird dadurch beispielsweise ziemlich beiläufig abgehandelt. Nachdem man sich aber daran gewöhnt hat, fallen die gesetzten Schnitte im weiteren Verlauf aber deutlich weniger negativ auf.
Insgesamt hat Christopher Nolan für mich aber trotzdem wieder einen neuen bombastischen Film geschaffen und meine persönlichen Erwartungen absolut erfüllt. Ich wurde zweieinhalb Stunden super unterhalten, wurde zum Mitdenken angeregt und konnte über zahlreiche absolut beeindruckend inszenierte Action-Choreographien staunen. Diesen leicht „kühlen“ Stil Nolans konnte man schon bei „Dunkirk“ beobachten. Ich verstehe durchaus, dass manche damit nicht allzu viel anfangen können, mir gefällt er aber sehr gut. Aufgrund der vorhandenen kleineren Kritikpunkte kann zumindest nach der ersten Sichtung nicht ganz die Höchstwertung für „Tenet“ vergeben, auch kommt er mMn nicht ganz an „Inception“ heran. Trotzdem hat mich „Tenet“ insgesamt auf jeden Fall überzeugt und ich kann nur dringend den Kinobesuch empfehlen! Und dabei gilt natürlich, noch mehr als bei den allermeisten anderen Filmen: Je weniger man vor dem Gang ins Kino weiß, desto besser!