
Bewertung: 2.5 / 5
Spoiler- & Triggerwarnung:
Gewalt, Tod, Drogen, Prostitution
Actionkino für das Abendprogramm:
"The Equalizer"
Eine (gesellschaftspolitische) Analyse.
Trailer zu The Equalizer
"The Equalizer" ist ein widersprüchlicher Titel für den gleichnamigen Film. Denn der Protagonist, der wortwörtliche "Gleichmacher", dient dem Werk in erster Linie als Kontrast. Und auch "Kanone" ist als Übersetzung paradox, da Robert McCall die Laufzeit über keinerlei Schusswaffen einsetzt. Er ist viel mehr - und so kann man den Begriff "Equalizer" ebenfalls ins Deutsche übertragen - ein Ausgleich für all jene, die dem Bösen nichts entgegenzusetzen haben.
Schließlich erklärt der Film Gewalt, Korruption und Verbrechen zum Störfaktor einer heilen Welt. Er inszeniert eine friedliche Vorstadtidylle, in welcher Zivilcourage noch großgeschrieben wird. Die Menschen helfen einander, Robert McCall allen voran: "Wenn irgendendwann jemandem etwas Unaussprechliches angetan wird, dann ... jemandem, den du kaum kennst, ja dann ... tust du etwas dagegen, weil du es kannst." Im Angesicht hilfloser Menschen, deren gegenwärtige Lage sie daran hindert, zu sein, wer sie sein wollen, verwirft er seine anfängliche Verbitterung durch den Verlust seiner Frau und revidiert die Auffassung, dass man sein müsse, wer man ist.
In "The Equalizer" ist der amerikanische Traum noch lebendig: Es ist keinesfalls ein ungerechtes Gesellschaftssystem, das die Figuren bremst, sondern die Ausbeutung durch Kriminalität, welche zwischen ihnen und ihren Träumen steht. Ein Mord im Fenster unschuldiger Häuser, ein Szenenwechsel, der den Mafiaboss und Antagonisten Nicolai "Teddy" Itchenko über der nächtlichen Stadt thronen lässt. Die Waffen seiner Handlanger wirken wie Fremdkörper in ihr, nicht einmal die russischen Sätze werden untertitelt. Die Gegner repräsentieren eine ausländische Bedrohung, kein innenpolitisches Versagen; ihre Verbrechen geschehen aus Gier und Bosheit, statt aus Ohnmacht gegenüber sozialer Ungleichheit.
Das Gesellschaftsbild von "The Equalizer" ist ein Bürgerliches. Eines, in dem Polizisten*innen zwar korrupt sein können, dies aber bei weitem nicht Teil der Polizei als problematische Institution ist, sondern ein angeblicher Verrat an ihr. So führt die Frage nach den Ursachen für Alinas Prostitution auch nicht zu einer Kritik am Kapitalismus, viel mehr sind ihr Drogenkonsum und einzelne Verbrecher Schuld an ihren Umständen. Und daraus kann sie ja gerettet werden; für den Film ist die beschauliche Vorstadt - im Sinne ihrer bewussten Einfachheit - das perfekte Setting, um Selbstjustiz zu rechtfertigen.
Denn wo politische Phänomene keine Relevanz haben, ist Platz für alternative Lösungen. Für einen Ausgleich. Unrecht und Gefahr auf der einen Seite, Robert McCall auf der anderen. Er ist der klare Gegensatz zur Russenmafia: Statt zu drohen versucht er zu helfen, statt wahllos zu töten gibt er zweite Chancen, statt Waffen nutzt er Alltagsgegenstände im Kampf. Seine Gewalt ist demnach keinesfalls eine Annäherung an die der Antagonisten, sondern ihre Antithese. Eine Verteidigung gegen Kriminalität: "Wer nach dem Regen betet, muss auch den Matsch verkraften", prophezeit er Teddy - und tötet ihn stilvoll im Finale unter einem selbstgeschaffenen Regenguss.
Dabei ist die Action mehr ein klimatisches Element, ein Kontrast zum alltäglichen Vorstadtleben. Die plötzliche Unterbrechung eines sonst ruhig inszenierten Filmes, schnell geschnitten und grausam. Ihre Brutalität ist nicht nur die Verbildlichung dieser Gegensätzlichkeit, sondern auch die Konsequenz der vorherigen Verbrechen. Im Finale geht "The Equalizer" sogar noch einen Schritt weiter: Die Perspektive wechselt zu den Antagonisten, für welche Robert McCall, ganz der Charakterisierung der Figur entsprechend, wie ein Horrorelement funktioniert. Einem Jumpscare gleich - Gewalt als Schockwirkung - nutzt er das Setting, die Gänge und die Mittel eines Baumarktes, um seine Widersacher auszuschalten. Bedrohliche Atmosphäre unter einem treibenden Song, welcher Rache ankündigt, verstärkt noch von der den Film tragenden Präsenz Denzel Washingtons. Doch auch Roberts Welt ist nach der ersten Actionszene blutbefleckt, festgehalten in einem Bild der Mutter Maria, an dem Blut klebt.
"The Equalizer" versteht sich als Rachefantasie des einfachen Mannes. Ja, Mannes: Sein Ziel ist es, den rechtschaffenen Actionfan abzuholen, der nach einem harten Arbeitstag vor dem Fernseher sitzt und davon träumt, eines Tages selbst gegen Unrecht ins Feld zu ziehen. Der, gefrustet vom kapitalistischen Büroalltag und familiären Problemen, nur darauf wartet, einer hübschen, jungen Frau zu begegnen, die er aus den Fängen des Bösen befreien kann. Und der zwar weder die Komplexität gesellschaftlicher Probleme überblickt noch sich mit diesen auseinandersetzen will, aber in seinem eintönigen Leben dennoch etwas Bedeutsames erreichen möchte. Ein verkürztes "wir gegen die", das gerade für Amerikaner noch zusätzlich patriotische Vorstellungen erfüllt, kommt da gerade recht. Einfacher Eskapismus, frei von Politik und Zweifeln.
Und selbstverständlich braucht es auch solche Filme, für ein solches Publikum. Sie haben dieselbe Daseinsberechtigung wie jede andere Form von Kunst. Nur scheitert Regisseur Antoine Fuqua an seinen eigenen Ansprüchen, an der Inszenierung dessen. Abseits der genannten Motive ist der Film formsprachlich weitestgehend uninteressant; er erzählt seine Geschichte, ohne filmisch viel zu sagen zu haben. Der Fokus auf für die Actionszenen relevante Alltagsgegenstände wird plakativ ausgespielt, die Kämpfe selbst verlieren sich zum Teil in Unübersichtlichkeit. Immer wieder folgt die Kamera den Bewegungen der Akteure, nur um sie damit zu kaschieren, immer wieder schneidet man zu Nahaufnahmen von Verletzungen, nur um damit die Dynamik zu nehmen. Der Stilismus, den das Werk aufzubauen versucht, kann in seinen Actionszenen nicht eingelöst werden. "The Equalizer" fehlt die Schlagkraft hinter erschlagender Brutalität.
5,5 von 10 Enten.
