
Bewertung: 4 / 5
[Spoiler] Ich bin eigentlich kein Fan von langen Einleitungen, also mache ich es wie der Film selbst: „Fantastic Four“ stolpert relativ schnell ins Geschehen und gibt uns nur einen kurzen Überblick darüber, was bisher geschah – und das ist völlig okay, sogar ziemlich gut abgestimmt.
Im ersten Akt lernen wir recht anschaulich, wo das Team der Fantastic Four in ihrer Welt steht: Sie haben dort quasi absoluten Kultstatus. Die ganze Welt (Erde) dreht sich nur um sie. Und genau das macht den Film stellenweise ein bisschen seltsam, das Setting wirkt fast schon skurril. Aber um das direkt zu sagen: Mir persönlich hat das sehr gut gefallen. Es ist mal wieder etwas komplett anderes als das, was man bislang gewohnt war. Solche Abweichungen von der Norm waren schon immer eine der großen Stärken des MCU. Während ich vor dem Film noch dachte, dass es am Ende vielleicht nur „more of the same“ sein würde, war ich dann doch positiv überrascht, dass hier tatsächlich mal wieder etwas Neues versucht wurde bzw. man in einer wirklich anderen Welt war.
Trailer zu The Fantastic Four - First Steps
Was die Hauptfiguren betrifft, gelingt es dem Film erstaunlich gut, allen ausreichend Raum zu geben. Niemand wirkt belanglos, niemand bleibt ohne Entwicklung oder Tiefe. Es gibt sowohl Momente, in denen einzelne Figuren im Fokus stehen, als auch viele unterschiedliche Dynamiken zwischen allen Teammitgliedern. Gerade Johnny Storm hat vielleicht einen der stärksten Parts: Er entwickelt sich vom überhörten Sunnyboy zu jemandem, der durch sein Köpfchen am Ende den Tag rettet.
Um auch mal etwas Kritisches zu sagen: Die einzige echte Schwäche ist für mich Reed Richards. Seine Rolle wirkt ein wenig zu sehr wie eine klassische Mary Sue – alle guten Ideen sprudeln scheinbar mühelos aus ihm heraus, alles klappt auf Anhieb. Schauspielerisch wird Pedro Pascal hier auch nicht besonders gefordert. Er steht meist mit einer gewissen Schwere, aber emotional eher blass herum. Man könnte fast glauben, er sei eine Maschine – oder ein Autist. Vielleicht tut es dem Film aber auch gut, dass er dadurch etwas in den Hintergrund tritt.
Rund ums Baby bieten sich dann ein paar der stärksten Szenen. Z.B. direkt zu Beginn, beim Abendbrot, als The Thing Sue schon ansehen kann, dass sie schwanger ist. Trotz steinernder Mimik schaut er mit so einem besonderen Blick zu ihr herüber. Und es zeigte letztlich auch, dass er als Fels vielleicht das beste emotionale Feingespür hat. Aber auch später, bei der ersten Begegnung mit Galaktus, als das Schiff gescannt wird und der Scanner auf dem Baby-Bauch von Sue stehen bleibt. Das hat fast schon Alien-Horror-Vibes und es spielt sich ein gewisses Kopfkino ab. Auch auf der Flucht, als die Hand von Silver Surfer in den Baby-Bauch greift, um das Baby zu klauen...das ist schon irgendwie packend.
Sehr gelungen sind hingegen die Gegenspieler. Sie haben allesamt nachvollziehbare Motivationen und sind nicht bloß das klassische „böse Spiegelbild“ der Helden. Auch wenn die Motivation nicht bis ins letzte Detail ausgeleuchtet wird, lässt sich zumindest nachvollziehen, dass im Prinzip jeder dort nur um das eigene Überleben kämpft. Interessant ist auch, dass der Film über weite Strecken kein reines Action-Gekloppe ist, sondern sich eher wie ein Strategiespiel anfühlt – wie man Gegner, die eigentlich viel stärker sind, mit einem guten Plan besiegt.
Soweit, so gut. Jetzt kommt allerdings ein relativ großes Aber: In mehreren Aspekten bleibt der Film für meinen Geschmack zu oberflächlich und kratzt nur an den spannenden Fragen und Konflikten, die er eigentlich aufwirft.
Wie schon beschrieben: Die Welt dreht sich komplett um die Fantastic Four. Sie sind nicht nur Stars, sondern auch Politiker, Götter, Gesetzgeber. Sie bestimmen, was auf der Erde passiert. Das MCU hat solche Fragen schon früher aufgeworfen, etwa in Civil War mit den Sokovia Accords. Auch Batman v Superman greift ähnliche Themen auf. Doch hier bleibt alles nur angedeutet. Die Welt hat Glück, dass die Fantastic Four moralisch einwandfrei zu sein scheinen – aber was, wenn das mal nicht mehr der Fall ist? Agieren sie überhaupt mit einem Mandat? Wer hat sie gewählt? Wer gibt Reed Richards das Recht, Polizeidrohnen zu bauen und einzusetzen? (Damit lebt er letztlich den Traum von Tony Stark aus Age of Ultron bzw. Man merkt eine ähnliche Motivation)
Dass sich in dieser Welt alles um die Fantastic Four dreht, ist kultig – und das macht den Film vom Setting her so „seltsam“. Aber im eigentlichen Wortsinn ist es eben auch ein Kult, eine Sekte, eine Religion, berauscht von den F4 wie unter Drogen. Und das ist eigentlich ziemlich problematisch, wenn man so drüber nachdenkt.
Sehr spannend fand ich auch die ethische Frage, ob man ein Baby opfern darf, um einen ganzen Planeten zu retten. Dieses moralische Dilemma wird zwar kurz angedeutet – die Welt scheint eine andere Meinung zu haben –, aber am Ende wird es viel zu beiläufig abgehandelt. Das ist schade, denn hier steckt enormes erzählerisches Potenzial. Ich vermute, dass dieses Thema vielleicht im kommenden Doomsday etwas näher beleuchtet wird. Es wird auf jeden Fall spannend, zu sehen, wie sich die Fantastic Four in eine Welt einfügen werden, deren Mittelpunkt sie nicht mehr sind.
Unterm Strich macht „Fantastic Four“ vieles richtig und ist endlich mal wieder ein sehr guter MCU-Film: frisch und ernsthafter als vieles der letzten Zeit – und weitgehend befreit vom üblichen Marvel-Humor und den ständigen Punchlines. Ein Film, der irgendwie "Quirky" ist, der locker ist, sich aber nicht in Albernheit verliert, der sympathische Charaktere und starke, emotionale Anker hat.
Aber: In Bezug auf einzelne Figuren und die großen moralischen Fragen bleibt er für mich zu oberflächlich. Deshalb reicht es am Ende nicht ganz für die volle Punktzahl.


