Bewertung: 3.5 / 5
Der größte Kritikpunkt an Wer ist Hanna? ist eigentlich Regisseur Joe Wright (Der Solist), denn so ganz gelingt ihm eine zusammenhängende Regiearbeit nicht. Der Film hat zwar einen gewissen Fluss, aber manche Entscheidungen sind fraglich. Mitunter vollzieht sich die Erzählung sprunghaft und ist nicht immer plausibel nachvollziehbar. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass die Häscher Hanna immer recht schnell aufspüren und als sie nach ihrem Vater googelt, findet sie schnell alle nötigen Daten. Da er jedoch viele Jahre zuvor mit ihr von der Bildfläche verschwand, also eine Zeit, in der das Internet nicht wirklich weit verbreitet war, erscheint es unlogisch, dass von einem CIA-Agenten so viele Informationen im WWW rumschwirren. Auch der Gewaltgrad in Wer ist Hanna? ist unausgewogen: Mal zeigt Wright Hannas Effizienz in aller Deutlichkeit und auch wie grausam ihre Häscher mit Unschuldigen umgehen, bei anderen Szenen wird weggeblendet oder der Zuschauer völlig im Dunkeln gelassen.
Zum Glück wird der Film von Hannas Schicksal und den Hintergründen ihrer Herkunft zusammengehalten, auch wenn es Wright nicht immer gelingt, alles sauber aufzuklären. Zwar streut er immer wieder Szenen ein, die die Rätsel um Hanna klären sollen, doch dies geschieht willkürlich und ist selten nachvollziehbar. Auch die Kameraarbeit während den vielen Actionszenen ist durchaus verbesserungswürdig. Abseits dessen hätte Wer ist Hanna? etwas mehr Bodenständigkeit gut getan. Eine 14-jährige Killerin sollte der Hauptfokus und ungewöhnlich genug sein. Leider belässt es Wright nicht dabei und so bekommt der Zuschauer im Film den Eindruck, diese Welt ist überrannt ist von Spinnern, Auftragskillern, Geheimagenten und seltsamen Familien. Ab und zu ein paar "normale" Menschen hätten dem Film sehr gut getan und den Realitätsgrad merklich erhöht. So wirkt das alles dann manchmal doch zu abgedreht. Künstlerischer Anspruch schön und gut, es steht Wright frei danach zu streben, aber weniger ist manchmal doch mehr und so manche Szene wirkt zu aufgesetzt durch die Protagonisten. Beim Showdown am Ende geht Wer ist Hanna? auch leider etwas die Puste aus, fehlt hier doch der nötige Pepp, den der Film in den ersten Actionszenen verstrahlte, trotzdem endet - und das ist positiv - der Film so konsequent wie er beginnt.
Nach Unknown Identity ist Wer ist Hanna? schon der zweite Film in diesem Jahr, der einen starken Fokus auf Deutschland legt. Da dies nicht oft vorkommt, ist dies ein netter Bonus. Der Thriller ist für all jene der richtige Film, die mal wieder einen Actionfilm mit durchaus guter Idee sehen wollen, der sich nicht dem Mainstream verschrieben hat. Er ist trotz der uns aufgefallenen Mängel sehenswert und allein die Hauptdarstellerin rechtfertigt den Kinobesuch. Hätte sich jetzt ein Regisseur mit klarer Handschrift ans Werk gemacht, Wer ist Hanna? würde mehr als 3,5 von 5 Hüten schaffen.