Bewertung: 3.5 / 5
Mit "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" landete der Publizist Richard David Precht einen Bestseller. Etwa dieselbe Frage plagt den jungen Halb-Pakistani Sajid (Aqib Khan) in der gelegentlich etwas behäbigen britischen Culture-Clash-Komödie West Is West, dem Sequel zu East Is East (1999). In einer englischen Kleinstadt geboren und aufgewachsen, fühlt sich Sajid als Brite. Die Mobber in der Schule beschimpfen ihn jedoch als "Scheiß-Paki". Obwohl der trotzige, freche Teenie selbst kein Kind von Traurigkeit ist, hat man ein wenig Mitleid mit ihm - erst recht, als sein pakistanischer Vater (Om Puri) ihn in die alte Heimat schleppt.
Dort soll Sajid lernen, wo seine Wurzeln liegen und wer er wirklich ist. Zuerst sperrt sich der störrische Spross gegen sämtliche Sozialisierungsversuche - kein Wunder, schließlich sind ihm sowohl die weitläufige Sippe als auch Land und Sprache völlig fremd.
Im Kinosessel lässt sich dieses Gefühl recht gut nachempfinden: Ebensowenig wie Sajid kennt sich das Publikum mit den komplexen Verwandtschaftsverhältnissen aus, die jedoch bald humorvoll erläutert werden. Auch die recht rustikalen, von der Kamera aber pittoresk und lebendig eingefangenen Lebensumstände der Familie muten für Außenstehende befremdlich an.
Gemeinsam mit Sajid lernt man das Fremde kennen und allmählich auch verstehen: Dem Dorfweisen Pir Naseem (Nadim Sawalha) gelingt es schließlich, die Neugier des Jungen zu wecken. Sajid geht auf Entdeckungsreise und macht eine nachvollziehbare, von Nachwuchstalent Aqib Khan gut gespielte Entwicklung durch.
Der Junge ist jedoch nicht der Einzige, der dazulernt: Auch sein Vater George, der vor 30 Jahren seine erste, pakistanische Ehefrau Basheera (Ila Arun) sitzenließ, um nach England zu gehen, muss sich über seine Identität klar werden. Bleibt er in Pakistan bei seiner ersten Familie, oder entscheidet er sich für seine zweite Frau Ella (Linda Bassett)?
Die Authentizität der Geschichte ist dem pakistanisch-stämmigen Drehbuchautor Ayub Khan Din zu verdanken, der nach East Is East mit West Is West eine weitere Episode seiner eigenen Kindheit ironisch aufbereitet. Seine Figuren sind liebenswert und wirken oft ein wenig hilflos, aber nie albern. Vielmehr sind sie alle bemüht, den äußeren Ansprüchen an ihre Person gerecht zu werden - und scheitern zwangsläufig.
Khan Din und Regisseur Andy DeEmmony nehmen ihr Publikum mit auf eine Reise in eine bunte, faszinierende Welt - wenngleich der Erzählung an manchen Stellen etwas Tempo fehlt.
West Is West bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)