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Win Win

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Weglaufen zwecklos

Win Win Kritik

Win Win Kritik
0 Kommentare - 25.08.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4 / 5

Es ist schon ein lustiger Titel: Win Win ist die Geschichte von Menschen, denen nirgendwo ein roter Teppich ausgelegt wird. Oberflächlich zumindest sind ein erfolgloser Anwalt, ein einsamer Teenager, ein alter Mann auf dem Abstellgleis und eine Ringer-Mannschaft, die sich gerne die Hallendecke aus der Rückenlage ansieht, krasse Außenseiter in dem Spiel, das Leben heißt. Aber wie schon in seinen Vorgängerfilmen Station Agent und Ein Sommer in New York - The Visitor hat Filmemacher Thomas McCarthy ein großes Herz für die vermeintlichen Verlierer und erzählt lakonisch und sensibel von ihren Ängsten und Sorgen - und von ihrer Kraft, sich aus dem Schlamassel zu befreien.

"Wo ist denn Vati?", fragt Abby ihre Mutter. "Laufen", antwortet sie. "Wovor läuft er denn weg?" - Vor so ziemlich allem. Mikes (Paul Giamatti) Leben zerfällt: Der Baum vorm Haus ist morsch und droht das Dach zu zerstören. Der Boiler und die Toilette im Büro des Anwalts haben schon lange ihren Geist aufgegeben. Mandanten verirren sich selten in seine Kanzlei.

Das Leben der Mittelschicht ist in New Providence (New Jersey) nicht einfach. Der in New York lebende Thomas McCarthy kehrte für Win Win in seine Heimatstadt zurück und drehte einen Film über die Normalität, über den Alltag, darüber, wie sich die Menschen durchwurschteln. Und darüber, dass sie beim Durchwurschteln nicht immer die richtigen Entscheidungen treffen.

Mike, ein herzensguter Familienvater, ergaunert sich die Vormundschaft über einen demenzkranken Rentner - und schiebt ihn ins Altersheim ab. Ihm ist unwohl dabei. Das ist nicht zu übersehen. Aber es ist seine einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Rechnungen müssen bezahlt, die Familie ernährt werden.

Nun dienen nachvollziehbare Motive schwerlich als moralische Rechtfertigung für falsches Handeln. Mike weiß das und fürchtet sich vor den Reaktionen seiner Umwelt: Damit Familie und Freunde nichts von seiner Verfehlung erfahren, muss er einen Heidenaufwand betreiben. Erst recht als Kyle (Alex Shaffer) auftaucht, der Enkel des alten Mannes.

Auch Kyle, von der alleinerziehenden Mutter vernachlässigt, wurde bislang nicht gerade auf Rosen gebettet. Ein bisschen impulsiv ist er, der einsame Teenager, wirkt abwesend und abweisend. Er hat längst nicht alles richtig gemacht in seinem jungen Leben. Aber er ist ein ehrlicher Typ, den Mike und seine Frau Jackie (Amy Ryan) bei sich aufnehmen.

Win Win ist eine Geschichte von ganz normalen Menschen und ihrem ganz normalen Alltag. Mehr nicht. Aber sie ist ungemein sympathisch erzählt und steckt voller Humanismus. Das Leben wird zum großen Abenteuer - auch wenn es von außen betrachtet gar keins ist. Dafür sorgen nicht zuletzt der großartige Hauptdarsteller Paul Giamatti und der beeindruckend coole Newcomer Alex Shaffer.

Herzlich und sehr lebensnah zeigt McCarthy mit vielen aberwitzigen Situationen ein realistisches Bild vom Leben in New Jersey. Der Himmel und die Straßen sind recht häufig grau, aber der Filmemacher gönnt seinem präzise gezeichneten Figurenensemble viele ehrliche Momente kleiner und großer Freuden.

Klar, nicht jeder kann gewinnen, nicht alles ist einfach - man muss Kompromisse eingehen. Das lernen Mike und Kyle gemeinsam - vor allem beim Training: Kyle ist ein begnadeter Ringer, den Mike in seinem Team chronischer Loser durchaus gebrauchen kann. Win Win ist irgendwie auch ein Ringerfilm. Vielleicht lässt sich dieser Sport, der noch nie so lustig gezeigt wurde, auch als Metapher verstehen: Das Leben ist ein verschwitzter Kampf und Gewinnen eine mühselige Angelegenheit. Klare Schultersiege jedenfalls gibt es selten. Und Weglaufen, in der Fachsprache: Mattenflucht, ist auch keine Lösung.

Win Win bekommt 4 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)

Win Win Bewertung
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810

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