Schwer wiegt die Last der Krone, die Riot Games trägt. Nach einer phänomenalen ersten Staffel von Arcane sind wir gespannt, ob der Auftakt zur Fortsetzung dieses Niveau halten kann.
Review "Arcane" Staffel 2 Episode 1-3
Lange mussten wir auf die Fortsetzung einer der besten Videospieladaptionen überhaupt warten. Es hat sich bezahlt gemacht. Zwar reichen die ersten drei Episoden nicht ganz an den nahezu perfekten ersten Akt aus Staffel eins heran, doch zeigen sie erneut, dass Arcane auf einem völlig anderen Level agiert als viele andere Serien.
Episode 1: Die Last der Krone - Bewertung 4,5/5
Während bei uns drei Jahre seit dem Finale von Staffel eins vergingen, waren es in Piltover kaum mehr als drei Minuten. Wir setzen genau da an, wo die Handlung aufhörte. Der Anschlag von Jinx (Ella Purnell) auf den Rat von Piltover hat die Stadt bis ins Mark erschüttert. Mehrere Mitglieder des Rates verlieren ihr Leben oder bleiben mit dauerhaften Schäden zurück. Mel (Toks Olagundoye) & Jayce (Kevin Alejandro) überstehen die Explosion überraschenderweise nahezu unverletzt. Viktor (Harry Lloyd) muss hingegen mit dem korrumpierten Hex-Kern verschmolzen werden, um seine Wunden zu überleben. Caitlyn (Katie Leung) verliert bei dem Anschlag ihre Mutter Cassandra Kiramman (Abigail Marlowe) und schwört Rache an Jinx. Dadurch entfremdet sie sich nicht nur von Vi (Hailee Steinfeld), sondern auch ihrem alten Selbst. Es ist eine Episode der Trauer, die vor allem Ereignisse aus dem letzten Akt der ersten Staffel verarbeitet.
Bei der Beerdigung von Caitlyns Mutter zeigt uns Arcane erneut, wie stilsicher die Serie auftritt und gleichzeitig neue Elemente einfließen lässt. Das Spiel mit der Sättigung erinnerte uns nur zu gut an das andere große Animationsmeisterwerk der letzten Jahre, Spider-Man - Across the Spider-Verse . Kaum sind die Scherben des Anschlags aufgehoben, diskutiert der verbliebene Rat auch schon über einen Gegenschlag, eine Enforcer-Invasion der Unterstadt. An dieser Stelle beginnt auch Mels Mutter, Ambessa Medarda (Ellen Thomas), sich in die Angelegenheiten Piltovers einzumischen. Jayce und Mel können den Rat lediglich von der Nutzung von Hex-Waffen bei der Invasion abbringen.
Die trauernde Caitlyn versucht indes Vi zu überzeugen, den Enforcern beizutreten. Da genau diese es waren, die damals ihre und Powders Eltern getötet haben, lehnt sie zunächst ab. Abseits der uns bekannten Figuren, werden uns auch ein paar unbekannte Charaktere vorgestellt, wie zwei Enforcer, die sehr abrupt Teil eines Teams werden, das sich in den kommenden Episoden auf die Jagd nach Jinx macht. Generell wirken die neuen Figuren zwar, als hätten sie bereits in Staffel eins existiert, doch wird bei ihnen aufgrund des hohen Tempos der Serie an der Charakterentwicklung gespart. Bei der Fülle an Akteuren erhalten sie einfach zu wenig Screen time, damit wir eine Bindung zu ihnen aufbauen können.
Schließlich kommt es zur Zeremonie, bei der die verstorbenen Ratsmitglieder und Opfer der Explosion geehrt werden sollen. Staffel zwei drückt hier nicht erneut auf die Tränendrüse, sondern inszeniert einen hoch spannenden Anschlag der aufgestiegenen Kriminellen Renni (Abigail Marlowe). Ihr Ziel ist es vor allem Jayce, den Mörder ihres Sohnes aus Staffel eins ums Leben zu bringen. Vi erkennt als Erste, dass etwas in der Luft liegt und folgt dem mysteriösen Enforcer Richtung Mel. Die Serie demonstriert dabei hervorragend, wie stark sie mit der Tiefenunschärfe spielen kann. Das Chaos bricht aus, doch der Enforcer entscheidet sich dazu, Mel am Leben zu lassen. Renni geht mit Jayce weniger rücksichtsvoll um und verwundet ihn schwer. Die Angreifer werden schließlich wie aus dem Nichts durch Ambessa und ihre Leibgarde ausgeschaltet.
Zum Ende der Episode wird Vi Teil der Enforcer und Caitlyn nimmt das Erbe ihrer Mutter an. Damit offenbart sie, dass sich der Titel der Episode auf sie, statt Mel, bezieht. Der rockige Soundtrack zeigt auch in Staffel zwei, dass er bereits starke Szenen, nahezu unvergesslich machen kann. Songs wie "Heavy is The Crown" oder "Sucker" vom Beginn der zweiten Episode unterstreichen das Gefühl, ein wahres Epos und eine emotionale Geschichte zu erleben.
Episode 2: Zusehen, wie alles brennt - Bewertung 4/5
Während wir Charaktere wie Sevika (Amirah Vann) oder Jinx in dem Staffelauftakt nicht weiter zu Gesicht bekamen, nehmen sie die Hauptrollen in der zweiten Episode ein. Silcos (Jason Spisak) Tod hat ein wahres Vakuum in den Gassen hinterlassen. Sein Traum eines vereinten Untergrunds unter der Nation Zaun liegt in Scherben. Stattdessen ringen die Chem-Barone um die Vorherrschaft und bekämpfen sich bis aufs Blut. Sie werden zu Beginn in einer Montage vorgestellt, die dank dem Soundtrack und der Inszenierung einem Musikvideo gleicht. Diese Nutzung der Songs kann einem in der Häufigkeit durchaus missfallen. Im Vergleich zur ersten Staffel verliert Riot Games hierbei die Bescheidenheit. Die Anzahl der benutzen Songs verdoppelt sich nahezu und sticht somit heraus. Auf der einen Seite, sehen wir diesen Umstand auch problematisch, wohingegen diese Sequenzen auf der anderen Seite uns die emotionalsten Momente der Serie bescheren.
Die Einführung der Chem-Barone ist sinnbildlich für die Kunst, die Arcane durchschnittlichen Serien voraus hat. Ihre Figuren müssen nicht erzählen, wer sie sind und wie ihre Beziehungen zueinander und zu Silco aussahen. Die Bilder dürfen für sich sprechen und werden vom Soundtrack in ihrer Aussagekraft unterstützt. Genau wie die Unterstadt, spürt auch Jinx die Leere, die Silco nach seinem Tod hinterließ. Geschichte wiederholt sich, sie hat erneut, in ihrem Versuch alles geradezubiegen, ihren Vater ermordet. Perspektivlos streift sie durch die Gassen und rettet ein Waisenkind vor den Schergen eines Chem-Barons. Durch das hohe Lösegeld, welches auf sie ausgesetzt ist, gerät sie ins Visier der Barone und wird von einem von ihnen gejagt. Sevika fühlt sich ebenso verloren und verbündet sich kurzerhand mit Jinx im Kampf gegen den Chem-Baron. Sie gewinnt dabei einen neuen Arm. Zusammen wollen sie zusehen, wie alles brennt.
In der Oberstadt erholt sich Viktor unterdessen von seinen Verletzungen und verlässt seinen ehemaligen Laborpartner Jayce, der sich selbst eingesteht, seinen Freund aus den Augen verloren zu haben. Als zurückgekehrter Viktor der Weiße...sorry, nur Viktor, macht er sich auf in seine Heimat, die Unterstadt. Dort verwandelt er mittels seiner neu gewonnenen Kraft durch die "Wilde Rune" den obdachlosen Huck (Bill Lobley) und wird von den Schimmer-Abhängigen verehrt.
Auch zwischen Professor Heimerdinger (Mick Wingert) und Jayce gibt es ein Wiedersehen. Zusammen mit Ekko (Reed Lorenzo Shannon) macht dieser sich auf die Suche nach der Ursache für die Krankheit, die den Baum ihres idyllischen Zufluchtsortes befallen hat. Damit wurden alle bisher bekannten Figuren aus Staffel eins aufgegriffen und ihnen neue Herausforderungen gegeben. Die dritte Episode verknüpft einige dieser Handlungsstränge miteinander und führt sie zu einem ersten Höhepunkt.
Episode 3: Endlich stimmt der Name - Bewertung 4/5
Die Jagd nach Jinx hinterlässt erste Spuren auf Caitlyn, die vor Nichts zurückschreckt, um die Mörderin ihrer Mutter zur Strecke zu bringen. Auf diese Rücksichtslosigkeit macht Vi sie aufmerksam und es kommt zum lange ersehnten Fan-Service, einem Kuss zwischen den beiden. Dieser wirkt jedoch keineswegs als wäre er nur für den Selbstzweck hineingeschrieben. Er ist der logische Schritt in der Charakterentwicklung der beiden. Mel hinterfragt parallel die Motive ihrer Mutter und spioniert ihr nach. Diese wird hingegen, unter falschem Deckmantel, von den Mördern ihres Sohnes Kino heimgesucht. Dadurch sieht sie sich gezwungen ihre Bemühungen, Piltover zum Einsatz von Hex-Waffen zu lenken, zu verstärken. Es stellt sich heraus, dass sie hinter dem Anschlag auf die Zeremonie steckte, um damit den Rat zu Taten drängen zu können. Ihre Tochter gerät schließlich dennoch in die Fänge ihrer mysteriösen Feinde.
Währenddessen treffen Vi und Caitly in den Tiefen der Unterstadt auf Jinx und ihre neue Verbündete Sevika. Für sie ist ihre kleine Schwester am Ende von Staffel eins gestorben, sie gibt vor jegliche Hoffnung aufgegeben zu haben. Endlich stimmt der Name auch für Vi. Dabei zeigt das Eingreifen des Waisenkinds doch, dass sie nur darauf gewartet hat, einen Grund zu finden, Jinx zu verschonen. Die vor Wut rasende Caitlyn feuert unablässig auf die blauhaarige Chaosstifterin ein, bis diese einen Finger verliert und sich das Waisenkind schützend vor sie stürzt. Sevika löst indes eine Sprengladung aus, die einen unbändigen Wind aus der versiegelten Kammer befreit, der, gemischt mit Jinx’ Farbstempel, in der gesamten Stadt Chaos verursacht.
Auf der Suche nach der Ursache für die Veränderungen in ihrer Zuflucht, begeben sich Jayce, Ekko und Professor Heimerdinger in die Tiefen des Hex-Kerns von Piltover. Dort stoßen sie auf eine Anomalie, die bei Kontakt beginnt, sämtliche Hex-Waffen temporär zum Glitchen zu bringen. Hier haben die Entwickler sich möglicherweise ebenso bei dem letzten animierten Spiderman-Abenteuer inspirieren lassen. Konkrete Antworten auf den Einfluss der Wilden Rune auf Hex-Tech bleibt uns die Serie dennoch schuldig.
Der erste Akt endet mit einer Zusammenkunft der großen Häuser und Ratsmitglieder. Dort soll eine neue Führung für die Zukunft von Piltover gefunden werden. Ambessa Medarda hält dazu eine Ansprache und schlägt überraschenderweise Caitlyn als Beschützerin der Stadt vor. Durch gemeinschaftliches Klopfen auf die Brust, aller The Wolf of Wall Street, wird sich für sie entschieden. In den Post-Credit-Szenen der drei Episoden, die technisch gesehen keine sind, sehen wir den Wissenschaftler Singed (Brett Tucker), der sich, nach Shimmer, nun einem neuen Projekt zugewandt hat. Im Finale des ersten Akts sehen wir ihn an einer monströsen Kreatur arbeiten.
ACHTUNG SPOILERGEFAHR!
Fan-Theorien zu urteilen könnte es sich dabei um Vanders (J. B. Blanc) Überreste handeln, die der Wissenschaftler in das Monster Warwick verwandeln wird. Dieses ist ein weiterer spielbarer Champion aus der Vorlage League of Legends. Laut der Lore des Spiels macht er in den Gassen von Zaun Jagd auf Kriminelle.
Fazit
Wir waren überaus erfreut zu sehen, dass der Staffelauftakt zum Finale der Serie an das Niveau der ersten Staffel von Arcane anknüpfen kann. Geradzu erstaunt waren wir von der ersten Episode mit all ihren Facetten und emotionalem Gewicht. Die anderen beiden Episoden erreichen diesen Grad an Spannung nicht ganz, denn auch wenn wir auf den ersten Showdown zwischen Vi, Caitlyn, Jinx und Sevika in Episode drei hingefiebert haben, war uns doch bewusst, dass sich die Entwickler die wirklich dramatischen Ereignisse für später aufheben werden.
Es war ein turbulenter erster Akt, der nicht ganz an die Finesse des Gegenstücks aus Staffel eins heranreicht. Grund dafür sind insbesondere die zahlreichen offenen Fragen. Zu den kommenden drei Episoden wird es keinen Zeitsprung geben, weshalb es sinnvoll erscheint, gewisse Geheimnisse erst zu einem späteren Zeitpunkt aufzulösen. Ein Aspekt, der im Kontext der uns noch bevorstehenden Episoden durchaus zu Kritik führen könnte, ist der überaus präsente Soundtrack. Zwar ist dieser integraler Teil von Arcanes Identität, doch könnten zu viele Songs einander gegenseitig entwerten. Nach unserer subjektiven Einschätzung hätte Riot Games auf zwei bis drei Songs bisher verzichten können. Keine Frage, das ist meckern auf sehr hohem Niveau, doch waren unsere Erwartungen an Arcane Staffel zwei auch dementsprechend monströs.
Akt eins von Staffel zwei knüpft emotional und qualitativ hervorragend an den ersten Teil der Serie an und bietet ein Set Up für ein grandioses Serienfinale, das dieses Jahr seinesgleichen suchen wird. Alex Yee, einer der beiden Köpfe hinter der Geschichte von Arcane, äußerte sich kürzlich in einem Interview zu der allerletzten Zeile Dialog in der zweiten Staffel:
"I spent just an insane amount of time on the last line of the show. It was literally like 27 hours or something like that. I was just sitting there trying to be like ’what is the line? How do you end a show like this?’"
Während es für die Zukunft Piltovers zurzeit düster aussieht und ein versöhnliches Ende in weite Ferne rückt, wächst unsere Vorfreude auf den kommenden zweiten Akt umso mehr. Diesen könnt ihr ab dem 16. November auf Netflix streamen.