Die Oscars sind tot, es leben die Oscars! Die 92. Verleihung ist vorbei und was war das wieder für ein Auf und Ab der Gefühle!
Erst mal der Beginn der Show, abrupt mit Musicalnummer. Aber sehr cool. Dann stehen wild irgendwelche Acts ohne Ankündigungen auf der Bühne, sind einfach da. Und dann Schnitt, Auftritt Komiker. Ein roter Faden fehlt an mancher Stelle, man fühlt sich ein bisschen allein im Oscar-Wald.
Hier alle Gewinner und Verlierer!
Brad Pitt war der erste Gewinner des Abends und brachte damit einen von insgesamt zwei Oscars für Once Upon a Time... in Hollywood. Absolut verdient sind auch die Beste Kamera für Roger Deakins für 1917 und der Oscar für Joaquin Phoenix in Joker. Der schon wie bei den SAG Awards eine herzergreifende Rede hielt. So verdient! Gerne hätten wir auch wenigstens einen Oscar für Scarlett Johansson gesehen, aber weder gewann sie für Marriage Story noch für Jojo Rabbit.
Bei all den Preisträgern waren viele Dankesreden wie immer sehr sympathisch (und kurz) und die öfters auf die Bühne gebetenen Macher von Parasite wirkten sehr herzlich. Ebenso süß Hildur Gudnadóttir, die den Oscar für die Beste Musik bei Joker gewann und von Sigourney Weaver, Gal Gadot und Brie Larson präsentiert wurde. Auch Bernie Taupin und Elton John zeigten Emotionen in ihrer Dankesrede für den Besten Song, doch einer berührte alle: Joaquin Phoenix. Standing Ovations. Er geht auf die Bühne, Blick nach unten. Ein ruhiges "Hi". Alle applaudieren. Ein ruhiges, schüchternes "Stopp" mit einem kleinen Wink und alle setzten sich. Große Ansprache, Menschen, Planet, Ausbeutung, Einigkeit. Am Ende zittert seine Stimme, Tränen kommen ihm, weil er versucht, ein Zitat von seinem Bruder River aufzusagen.
Großer Gewinner des Abends ist dann Parasite, der u.a. neben dem Oscar für den Besten fremdsprachigen Film auch als Bester Film ausgezeichnet wurde - das erste Mal in der Historie. Nix mit Joker, nix mit 1917! 1917 gewann übrigens nur drei von insgesamt zehn Oscars, den ersten auch erst nach knapp zwei Stunden, für den Besten Ton. Wobei uns der Gedanke kam, dass der Effekt-Oscar irgendwie die Bedeutung für Beste Kamera schmälert. Sind die etwa nicht hintereinander weg durch Gräben und brennende Städte gerollt??!
Auch Netflix kann sich nicht beklagen, deren Doku American Factory ausgezeichnet wurde, und mit Laura Dern als Nebendarstellerin in Marriage Story heimste der Konzern einen weiteren Oscar ein (besides, happy Birthday, Laura!). Und der große Verlierer? Eindeutig The Irishman, auch von Netflix, der mit zehn Oscars ebenso als Favorit ins Rennen ging, aber nicht einen davon gewann. Da wurden "alte, weiße Männer" so richtig außen vor gelassen...
Ein großes Highlight waren bei der diesjährigen Show viele Präsentatoren. Zum Beispiel Maya Rudolph und Kristen Wiig, die aus den Ankündigungen für Bestes Szenenbild und Kostümdesign eine witzige Two-Women-Show machten. Ebenso Will Ferrell und Julia Louis-Dreyfus sowie James Corden und Rebel Wilson in ihren Kostümen, die die Special Effects präsentierten und dabei den Straßenfeger Cats auf die Schippe nahmen. Natalie Portman mochte es dagegen etwas eleganter, dafür mit Statement, die eingestickt in ihren Mantel leise die Namen der Regisseurinnen bedauerte, die nicht nominiert worden waren.
Dankesreden werden gehalten. Dann: Licht geht aus, Zeit ist um. Ein großes "Oooooooh" geht durch den Saal, gefolgt von einem Chor, der ruft "Up! Up! Up!", damit das Licht wieder angeht.
Unser Resümee: Überraschend, aber doch verkrampft. Sehr unterhaltsame Präsentationen und rührende Danksagungen wechselten sich mit sehr choreographierter Inszenierung ab. Wirkte an einigen Stellen sehr faul. Eminem durfte "Lose yourself" performen - weil er damals ausgezeichnet wurde, aber nicht auftreten durfte? Es würde ehrlicher wirken, wenn die Academy einfach dazu nen kurzen Satz gesagt hätte, als ihn bloß wie einen Fremdkörper auf die Bühne zu hieven.
Wo es der Academy an Diversität fehlt, wird sie auf der Bühne und mit Kameraschwenk ins Publikum gefeiert. Der Ansatz, offener zu sein, ist gut und richtig, doch wirkt der Bruch im Vergleich zu nicht allzu ferner Vergangenheit noch nicht natürlich. Es fehlt aktuell ein echtes Miteinander. Menschen sind wie Sith sind und denken folglich wie Sith: In Extremen. Schwarz oder weiß. Diversität bedeutet aber bunt. Alles. Jeder. Auch Männer. Die wurden aber z.B. in einigen Ansprachen so bewusst ausgeschlossen, dass das Encouragement von Frauen in Herablassung und Abgrenzung mündet. Vielleicht kann eines Tages alles entspannter gesehen werden, wenn die Zeit gekommen ist, in der vielmehr über Können als über Geschlecht und Hautfarbe geredet wird.
Kurzum, eine Veranstaltung, die die richtige Lockerheit erst noch finden muss, und auf jeden Fall überraschender daherkommt, als man es ihr landläufig zutraut!
Alle Gewinner und Verlierer findet ihr in unserer Oscar-Übersicht!