Bewertung: 3.5 / 5
Es gibt sie, diese Filme, die zwar nicht herausragen, aber dennoch purer Spaß sind, weil ein durchgehend genialer Soundtrack den Puls des Zuschauers hochtreibt. Atomic Blonde gehört zu dieser Kategorie, der ein vertracktes Agenten-Katz-und-Maus-Spiel um eine superheiße Charlize Theron entspinnt und das Ganze für viele von uns vertraut in die Wendezeit im geteilten Berlin verortet. Die Graphic Novel wurde mit viel Liebe zu den 80ern und klassischen Agententhrillern gedreht und ist beim Blutzoll auf keinen Fall zimperlich.
Atomic Blonde Kritik
Lorraine Broughton (Charlize Theron), Agentin des MI6, erhält die Order, in Berlin höchst brisante Informationen zu beschaffen. Berlin, einer geteilten Stadt, die im Herbst des Jahres 1989 schier Unfassbares erlebt und wo die Grenzen zwischen Freund und Feind in der Agentenwelt nur allzu schnell verschwimmen. Niemandem ist zu trauen - und dieses eherne Gesetz bewahrheitet sich binnen kurzem auch wieder für Lorraine...
Trailer zu Atomic Blonde
Wahnsinn, diese Frauen, bei denen man als Atheist an einen Gott glauben möchte! Charlize Theron gehört dazu, dieses fast unwirkliche Geschöpf mit Köpfchen, Humor und Figur, die in Atomic Blonde die Hauptrolle spielt. An ihr kommt man nicht vorbei, sie ist die, um die sich alles dreht und die sich nimmt, was sie braucht. Vieles mag clevere Inszenierung sein, aber man spürt, dass Theron ihre Rolle nicht dem Zufall überlässt. Zweifellos ist der Film wie auch die zugrundeliegende Graphic Novel "The Coldest City" von Antony Johnston und Sam Hart überzeichnet, aber das in einer Konsequenz, die schmerzt. Qualen, die man mit Freude erträgt.
Und daran ist neben Theron als Lorraine Broughton auch ein James McAvoy schuld, den man hier wieder frei laufen lässt und der fast an die Intensität seiner Rolle in Split erinnert. Die Besetzung kann sich auch weitergehend sehen lassen, über John Goodman, Toby Jones, Bill "Ihr ahnt, warum ich Pennywise bin" Skarsgård und Sofia Boutella. Til Schweiger spielt am Rande eine kleine, aber feine Rolle hinter den Kulissen und wer möchte ihm wahrlich die Chance vergönnen, neben echten Schauspielern aufzutreten?
Abseits der undurchschaubaren und doch recht klassischen Agentenverwicklungsstory bleibt Atomic Blonde nicht allein wegen Superblondine Charlize in Erinnerung. Ihre Affäre mit Boutella ist schon nice, aber unfassbar knallt der Soundtrack rein. Jede(r), der den 80ern nur etwas abgewinnen kann, dem Pop, den elektronischen Klängen, selbst Gothicmelodien, wird in Erinnerungen schwelgen. Oder feststellen wie bedauerlich es ist, dass man damals noch nicht geboren war. Ob Depeche Mode, New Order, A Flock of Seagulls, Bowie oder Nena, es werden überaus bekannte und teils coole Versionen passend zum Film gemixt und da stört es dann auch nicht, dass es 1989 eher unwahrscheinlich war, dass "The Politics of Dancing" in einer Disco noch die Tanzfläche füllte. Aber dass wir Deutschen nicht nur Hasselhoff hören, macht der Film klar und insofern ist es besonders schön zu sehen, wenn auch unbekanntere Songs erklingen.
Ost, West, die Wendezeit, graue Straßenschluchten, Aufbruchsstimmung, Gefahr, dies alles wird dabei recht gewissenhaft im Film transportiert. Besonders was dieses eine Gefühl angeht, das nur wir Deutschen nachempfinden können, die 1989 bewusst miterlebt haben. Die Macher gaben sich große Mühe, Szenerien sowohl in West- als auch Ostberlin detailgetreu wiederzubeleben, selbst wenn überaus akkurate Filmgucker mit Sicherheit Gebäude, Autos oder andere Details ausmachen werden, die anachronistisch sind. Aber was macht das schon, wenn es bloß als Kulisse für einen grandios überzeichneten Wettlauf dienen soll mit Charlize Theron als Königin.
Es kommt nicht drauf an, dass alles perfekt ist, wenn es so bewusst überstilisiert sein soll - auch wenn im Original wie schon in der Graphic Novel falsches Deutsch ("Die Mauer ist gefallt!") zu vernehmen ist. Doch wäre Atomic Blonde in manchen Momenten nicht spannungstechnisch abgesackt, was es kurz vor dem Finale etwas zäh machte, und zudem nicht ganz so klassisch in seiner Erzählung, wir hätten uns zu einer höheren Bewertung entschieden. Und so wie "Atomic" von Blondie vielleicht nicht der bekannteste Song der Band ist, ist er doch einer der coolsten - ebenso wie Atomic Blonde für Charlize Theron.