Der Schauspieler Udo Kier ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Er starb am Sonntagmorgen, wie sein Partner, der Künstler Delbert McBride, mitteilte. Eine Todesursache wurde zunächst nicht genannt.
Kier wurde am 14. Oktober 1944 in Köln als Udo Kierspe geboren - mitten im Krieg, in einem Krankenhaus, das nur kurz zuvor von alliierten Bomben beschädigt worden war. Im Laufe seiner Karriere wirkte er in über 200 Film- und Fernsehproduktionen mit, schlüpfte dabei sowohl in subtile Nebenrollen als auch in prägnante Hauptfiguren. Stets mit jener unverwechselbaren Mischung aus kühler Distanz und präziser Intensität, die Kritiker und Publikum gleichermaßen faszinierte.
Kiers Aufstieg begann in den frühen 1970er Jahren mit künstlerischen Kollaborationen, die ihn schnell zum Geheimtipp im internationalen Filmgeschäft machten. Unter der Ägide von Andy Warhol realisierte Regisseur Paul Morrissey zwei Werke, die klassische Horrorgeschichten in provokante, ironisch gebrochene Kunst verwandelten: 1973 übernahm Kier die Hauptrolle in Andy Warhol’s Frankenstein, einem Horror-Erotikfilm, der die Grenze zwischen Körper und Maschine mit groteskem Charme auslotete. Ein Jahr später folgte Das Blut von Dracula, in dem er dem blutdürstigen Grafen eine überraschende Mischung aus Komik, Tragik und Verletzlichkeit verlieh. Gedreht in Italien mit internationalen Teams, etablierten ihn diese Rollen als Meister des Bizarren. Warhol selbst, der die Projekte finanziell unterstützte, sah in ihm einen Darsteller, der Authentizität mit einer fast hypnotischen Kühle verband.
In Deutschland arbeitete Kier eng mit Rainer Werner Fassbinder zusammen, einem der prägendsten Köpfe des sogenannten „Neuen Deutschen Films“. Ihre Zusammenarbeit begann 1973 und führte schließlich zu Rollen in Werken wie Bolwieser (1977), Die dritte Generation (1979) und Lili Marleen (1981). Hier verkörperte Kier Figuren, die die Nachkriegsidentität und politischen Spannungen der Bundesrepublik widerspiegelten.
Ein künstlerischer Wendepunkt ergab sich Ende der 1980er Jahre durch die Zusammenarbeit mit Lars von Trier. Der dänische Regisseur, Mitbegründer der „Dogma-95-Bewegung“, besetzte Kier erstmals in Epidemic (1987), einem experimentellen Drama über Kunst, Krankheit und Selbstinszenierung. Es folgte Europa (1991), ein visuell außergewöhnliches Werk über das Nachkriegsdeutschland. Von da an war Kier eine feste Größe in von Triers filmischem Universum: Ob in der Serie Hospital der Geister (1994), in Breaking the Waves (1996), Dancer in the Dark (2000), Dogville (2003), Melancholia (2011) oder Nymphomaniac (2013) - stets brachte er jene kontrollierte Intensität mit, die seine Rollen gleichermaßen unheimlich wie faszinierend machte. Von Triers Stil, roh, konfrontativ und oft improvisiert, korrespondierte ideal mit Kiers Fähigkeit, Emotionen gezielt und sparsam einzusetzen.
Der Schritt ins US-Kino erfolgte 1991, als Kier beim Berliner Filmfestival Gus van Sant begegnete. Dieser verschaffte ihm eine Arbeitserlaubnis und eine SAG-Karte - der Schlüssel zum amerikanischen Filmmarkt. In My Private Idaho (1991) spielte Kier an der Seite von River Phoenix und Keanu Reeves eine prägnante Nebenrolle in einem Film, der die Suche nach Identität und Heimat poetisch aufgriff. Es folgten Engagements in Hollywoodproduktionen wie Ace Ventura - Ein tierischer Detektiv (1994), Armageddon (1998) und Blade (1998) - und viele weitere Projekte, die von Arthouse über Comedy bis Blockbuster reichten.
Auch außerhalb des Kinos bewegte sich Kier stets im Grenzbereich zwischen Kunst und Popkultur. 1992 posierte er für Madonnas provokantes Fotobuch Sex und trat in ihren Musikvideos zu „Erotica“ und „Deeper and Deeper“ auf.
Bis ins hohe Alter blieb Kier filmisch aktiv. Sein letzter Film, The Secret Agent von Kleber Mendonça Filho, feierte 2025 Premiere. Kier glänzte darin mit einer subtilen, vielschichtigen Nebenrolle.
Nach Jahrzehnten zwischen Europa und den USA ließ sich Kier schließlich in Los Angeles und Palm Springs nieder, wo er in einem umgebauten Mid-Century-Bibliotheksgebäude lebte und seine Leidenschaft für Kunst, Architektur und Sammlungen pflegte.
Kiers Vermächtnis liegt in seiner Wandlungsfähigkeit: Er bewegte sich mühelos zwischen Kunst und Mainstream, zwischen Arthouse und Blockbuster. Filmemacher wie von Trier oder van Sant schätzten ihn für seine Fähigkeit, Präsenz zu zeigen und Räume zu füllen, ohne sie jedoch zu überfrachten.
Udo Kier, the German actor and cult icon who collaborated with everyone from Andy Warhol to Lars von Trier to Madonna, died on Sunday morning, according to his partner, artist Delbert McBride. He was 81. https://t.co/bfgx18wA2Z pic.twitter.com/OqJPIvRkue
— Variety (@Variety) November 24, 2025
