
Bewertung: 4 / 5
Hier ist sie, die Kritik zu dem Film, auf den alle so lange gewartet haben. Veröffentlicht um Punkt 0:01 Uhr, mitten in der Nacht, wo natürlich niemand sie lesen wird. Toll! Können wir was dafür? Nein, das Embargo ist schuld. Wird unsere Kritik deswegen am Morgen danach in der Masse aller anderen untergehen? Natürlich. Werden die üblichen großen Namen die kleinen wie uns in der Wahrnehmung verdrängen? Absolut. Schreiben wir dies mit einem Lachen und dennoch auch einer Träne im Auge, in unserem verzweifelten Bemühen, trotz einer existenziellen Krise unserer Branche, in der die Kleinen nicht mal mehr von den Großen aufgefressen, sondern schlicht verhungernd liegen gelassen werden und ein Kampf ums Überleben vielmehr einem Kampf ums langsame sterben gleicht, uns noch einen Rest von Humor zu bewahren? Mit Sicherheit. Hat das alles, insbesondere dieser viel zu lange Satz, irgendetwas mit dem Inhalt des Films zu tun? Nein, überhaupt nicht. Aber irgendwie müssen wir ja auf uns aufmerksam machen. Aber Schluss jetzt mit dem Versuch, den Humor eines Schauspielers zu kopieren, über den nicht wenige sagen, dass sie ihm längst überdrüssig sind, nur um dann doch in seinen neuen Film zu gehen. Ihr seid wegen Deadpool & Wolverine hier. Und ihr sollt bekommen, wonach ihr verlangt. Um Mr. Wolverine zu zitieren: Let’s Fucking Go!
Deadpool & Wolverine Kritik
Marvel Studios präsentieren ihren bisher größten Fehler: Deadpool & Wolverine. Ein lustloser Wade Wilson (Ryan Reynolds) schuftet im zivilen Leben. Seine Tage als moralisch flexibler Söldner Deadpool liegen hinter ihm. Als seine Heimatwelt einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt ist, muss Wade widerwillig wieder mit einem noch widerwilligen... widerwilligeren? Widerwilligste? Er muss einen widerwilligen Wolverine (Hugh Jackman) davon überzeugen, zu - verdammt. Zusammenfassungen sind so verdammt bescheuert. (Das ist die offizielle Inhaltsbeschreibung des Films, wir haben damit nichts zu tun)
Trailer zu Deadpool & Wolverine
Ihr fragt euch sicherlich: Ist Deadpool & Wolverine die religiöse Erfahrung, die euer Leben für immer verändern wird? Verdammt, nein. Nicht mal ansatzweise. Es ist eine Comicverfilmung mit Leuten in roten und gelben Kostümen. Die Bedeutung, die wir Filmen teilweise zugestehen, ist schon beachtlich. Ist sie zu hoch? Ja und Nein. Auf der einen Seite, und das muss man sich auch hier klarmachen, sind es nur Filme, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf der anderen Seite jedoch haben wir alle diese Filme, die für uns eine besondere Bedeutung haben. Filme, die uns durch schwere Zeiten geholfen haben. Filme, die Charaktere enthalten, die uns ans Herz gewachsen sind. Im Falle von Deadpool & Wolverine trifft alles davon zu.
Ja, es tut uns leid, aber auch Deadpool & Wolverine ist nur ein Film. Er hat Stärken, er hat Schwächen, er enthält typische Elemente, die Filme nun einmal haben. Es ist ein guter Film (Oh, endlich eine Wertung!), aber auch hier wird nur mit Wasser gekocht. Er ist aber eben auch Teil eines inzwischen sehr großen filmischen Universums mit Charakteren, die für viele Menschen eine große Bedeutung haben. Während der Pressetour haben Journalisten erzählt, dass sie mit Hugh Jackman als Wolverine aufgewachsen sind und wie viel ihnen diese Figur und besonders seine Performance in dieser Rolle bedeutet. Und damit kommen wir langsam zum Kern der ganzen Sache, denn: Deadpool & Wolverine ist ein fantastischer, sehr unterhaltsamer und stellenweise sogar emotionaler Film geworden. Und der Grund dafür ist verdammt simpel: Es ist ein Deadpool & Wolverine-Film, im wahrsten Sinne des Titels. Und eben auch nicht viel mehr.
Was wurde in den letzten Monaten und sogar Jahren nicht alles geschrieben und berichtet? Deadpool aka Marvel Jesus rettet das am Boden liegende MCU und bringt es im Alleingang wieder auf Kurs, unterstützt von einer Flut an Cameos, wie sie die Filmwelt noch nicht gesehen hat. Und zwischen all dem steckt dann vielleicht auch noch irgendwo ein Film. Tja, Pustekuchen, liebe Freunde. Wenn ihr das erwartet, steht euch eine große Enttäuschung bevor. Denn zum Glück ist man genau diesen Weg nicht gegangen. Wird Deadpool das MCU wieder auf Kurs bringen? Vielleicht. Aber dies ist überhaupt nicht die Intention des Films. Und was die Flut an Cameos betrifft: Gab es irgendein Gerücht, welches es nicht gab? Glaubt man den Meldungen, hat JEDER einen Auftritt in diesem Film. Stellt euch das aber mal vor. Das kann gar nicht funktionieren. Der Film würde einfach aus kurzen Auftritten bekannter Gesichter bestehen. Stimmen dennoch einige der Gerüchte? Vielleicht. Stimmen 80% mal so gar nicht? Darauf könnt ihr wetten.
Und es ist gut, dass man diesen Weg gegangen ist. Ja, ihr werdet auf manchen Auftritt vergeblich warten und deswegen vielleicht sogar etwas enttäuscht sein. Wir können euch hier nur raten, eure Erwartungen etwas herunterzuschrauben. Streng genommen gibt es sogar nur ganz wenige Cameos, dies hat aber einen fantastischen Grund. Denn Cameos sind per Definition Kurzauftritte. Von "Kurzauftritten" kann man bei vielen der hier überraschend vorbeischauenden Figuren aber nicht reden. Tatsächlich werden sie oft zu einem essenziellen Teil der Handlung und bekommen richtig was zu tun. Insgesamt können wir euch sagen: Deadpool & Wolverine punktet nicht mit der von einigen erhofften Quantität an Auftritten, dies macht man aber mit deren Qualität locker wieder weg. Und wir können euch zudem sagen, dass da einige überraschende Auftritte dabei sind, mit denen ihr gewiss nicht gerechnet habt.
Was das MCU betrifft, so macht der Film schon deutlich, dass er und seine Charaktere ab sofort ein Teil davon sind. Dennoch spielt das MCU selbst doch nur eine überraschend untergeordnete Rolle. Es werden nicht die Machtverhältnisse geändert oder alte Fehler repariert. Inhaltlich ist das MCU nach dem Film im selben Zustand wie zuvor. Und auch hier hat man die absolut richtige Entscheidung getroffen. Dadurch, wie man mit den Cameos und dem MCU umgeht, gewährleistet man, dass dies im Kern eines und nichts anderes ist: Ein Deadpool & Wolverine-Film.
Egal an welchem Ort man sich gerade befindet oder welche Charaktere vorbeischauen, der Film verliert nie seinen Fokus. Dies ist die Geschichte von Deadpool und von Wolverine, der Rest ist nur Deko im Hintergrund. Und die beiden machen richtig viel Spaß zusammen. Viele Jahre mussten die Fans auf dieses Zusammentreffen warten und wir können glücklich berichten, dass man nicht enttäuscht wird. Und weil die Fans so lange darauf warten mussten, ist es umso besser, das man ihnen das Rampenlicht nicht durch zu viele Cameos nimmt. Der ganze Film, von Anfang bis Ende, gehört nur diesen beiden und genau das macht ihn so fantastisch.
Die Macher wissen dabei genau, was das Publikum möchte, wenn es um diese beiden geht und vielleicht forcieren sie es sogar etwas zu sehr. Teilweise hat man schon das Gefühl, dass eine Checkliste an Dingen abgearbeitet wird, von denen man denkt, dass die Leute es sehen wollen. Und leider merkt man dies auch an der Story, die schon recht dünn und simpel ist und im Grunde nur als Vehikel dient, um Spaß mit den beiden Hauptfiguren zu haben. Macht es trotzdem Spaß? Oh ja! Dennoch, etwas mehr wäre schon schön gewesen. So ist Deadpool & Wolverine zwar ein guter und unterhaltsamer Film, aber eben kein sehr guter.
Zudem sollte man wissen, dass der Film sich vor allem an die Fans von Marvel richtet. Im großen und ganzen kann er von jedem verstanden werden, doch je tiefer man in der Materie drinsteckt, desto mehr wird man auch verstehen. So ist es beispeilsweise kein Geheimnis, dass die TVA, die wir bereits aus der Serie Loki kennen, eine große Rolle spielen wird. Und auch wenn hier und da ein wenig was im Film erklärt wird, so gehen die Macher schon davon aus, dass die Zuschauer wissen, was die TVA ist. Je größer euer Kenntnisstand in Sachen Marvel ist, desto größer wird euer Spaß mit dem Film sein.
Zum Humor kann man sagen: Entweder man mag ihn, oder eben nicht. Erwartet nicht etwas anderes als in den vorherigen Deadpool-Filmen. Oder generell etwas anderes als in jedem anderen Ryan Reynolds-Film. Vielleicht passt die Figur gerade deswegen so gut mit Wolverine zusammen, dadurch hat man ein schönes Gegengewicht.
Die Action kann sich durchaus sehen lassen. Sie ist zwar meist sehr direkt, aber von einem um sich schlagenden Wolverine erwartet man jetzt auch keine ausgeklügelte Kampf-Choreografie. Etwas störend empfanden wir jedoch den Einsatz von CGI in den Kämpfen. Nicht nur das Blut, auch die Waffen sind, leider etwas zu deutlich, als CGI erkennbar. Dies nimmt dem ganzen dann doch etwas die Wucht. Und auch die Kamera hätte gerne hier und da in manchen Actionszenen etwas ruhiger sein können.
In Sachen der Altersfreigabe können wir übrigens Entwarnung geben, der Film hält sich in keinster Weise zurück. Noch nie wurde in einem Disneyfilm so viel geflucht oder Gewalt auf so verrückte und blutige Weise zelebriert wie hier. Ja, Bambi wurde hiermit deutlich als brutalster Disneyfilm aller Zeiten abgelöst. Wer Angst davor hatte, wegen Disney würde man mit angezogener Handbremse vorgehen, der kann beruhigt sein. Gleichzeitig hat man es geschafft, die Gewalt auf eine Weise zu inszenieren, dass sie nicht wirklich weh tut. Es macht Spaß, wie in einem Bud Spencer & Terrence Hill-Film, nur halt mit deutlich mehr Blut. In gewisser Weise ist Bambi also doch immer noch Disneys brutalster Film.
Da dies im Kern, trotz allem drumherum, ein reiner Deadpool & Wolverine-Film ist, hängt natürlich viel von den beiden Hauptdarstellern ab. Und man merkt ihnen den Spaß sichtlich an. Keiner von beiden hält sich zurück und die Chemie zwischen ihnen ist umwerfend. Und auch wenn dies ein Deadpool-Film ist, so ist sich Hauptdarsteller Reynolds nicht zu schade, Platz im Rampenlicht zu machen. Denn dieser Film, er gehört vor allem einem: Hugh "The Wolverine" Jackman! Es ist beachtlich, wie er sich in diese Rolle sprichwörtlich hineinwirft. Logan ist mittlerweile sieben Jahre her und Jackman inzwischen stolze 55 Jahre alt, aber was er hier abliefert, ist wohl die körperlich intensivste Wolverine-Performance, die er bislang gebracht hat. Seine früheren Auftritte wirken dagegen fast harmlos. Als Fan kann man gar nicht anders und dem Mann danken für das, was er sich für diese Rolle immer noch antut. Sein Wolverine-Comeback, es ist ein unfassbares Erlebnis, welches man gesehen haben muss!
Und um auch dies klar zu sagen: Dies ist im selben Maße ein Wolverine-Film, wie es ein Deadpool-Film ist. Reynolds macht nicht Platz, um einem Nebendarsteller etwas mehr Leinwandzeit zu geben, nein, er hat mit Jackman einen gleichwertigen Hauptdarsteller neben sich.
Was den Film Logan betrifft, so muss man auch hier keine Angst haben. Deadpool & Wolverine geht sehr respektvoll mit dem beliebten Werk um und die Macher wissen sogar das heroische Ende von Wolverine in diesem Film für die eigene Story sehr gekonnt zu nutzen.
Am Ende müssen wir natürlich doch noch einmal übers MCU reden. Denn auch wenn der Film sich bei dieser Thematik überraschend zurückhält, so ist er doch ganz eindeutig ein Teil davon. Ist das MCU also jetzt wieder auf Kurs? Das wird nur die Zeit zeigen. Deadpool & Wolverine ist aber in jedem Fall einer der besten Filme seit Avengers - Endgame. Vor allem ein Aspekt hat uns im Vergleich zu vielen anderen MCU-Filmen der letzten Jahre sehr gefallen: Schaut man sich Filme wie Ant-Man and the Wasp - Quantumania oder Doctor Strange in the Multiverse of Madness an, so werden dort die Figuren und auch die Geschichten oftmals von den vielen Effekten oder Verknüpfungen zum MCU geradezu überlagert. Bei all den CGI-Pixeln, mit denen dort um sich geworfen wird, verschwindet alles andere irgendwie. Genau hier ist Deadpool & Wolverine anders. Hier stehen die Charaktere und ihre Geschichten stets im Vordergrund. Kein Effekt und auch kein Cameo überlagert dies. Und dies ist eben erneut der Grund, warum wir ganz froh sind, dass man sich in einigen Punkten eher etwas zurückgehalten hat. Weniger ist eben manchmal wirklich mehr.
Dennoch hat Kevin Feige im Vorfeld bereits angedeutet, dass Deadpool & Wolverine für die Zukunft des MCU von großer Bedeutung sein wird. Und wir glauben zu wissen, was er damit gemeint hat. Obwohl man sich mit Verknüpfungen oberflächlich sehr zurückhält, so sind sie doch bei näherem Hinsehen, gerade für Kenner der Comics, deutlich erkennbar. Wir werden hier natürlich nichts verraten und bitten auch euch bei den sicher kommenden Diskussionen, die Spoiler-Funktion zu benutzen.
So gerne würden wir über so vieles noch sprechen, doch das können wir nicht, ohne euch einige Überraschungen und somit auch den Spaß zu nehmen. Ein Hinweis, der nicht fehlen darf: Sitzen bleiben lohnt sich. Nach dem Abspann folgt noch eine Szene, die zwar nicht auf etwas Kommendes ausgerichtet ist, aber ziemlich lustig ist. Und auch der Abspann selbst war schön, wird hier doch deutlich gemacht, dass Deadpool & Wolverine dann doch etwas mehr war als nur ein Film über diese beiden Mutanten. Es ist ein neuer Beginn, aber eben auch ein Abschluss von etwas. Schön, wie man dies noch einmal aufgegriffen und geehrt hat.
Fazit
Deadpool & Wolverine ist der brutalste Disneyfilm aller Zeiten! Und er macht jede Menge Spaß. Dabei ist nicht alles perfekt und aufgrund so manch hoher Erwartung werden einige Fans sicher auch leicht enttäuscht das Kino verlassen. Dennoch macht der Film vieles richtig.
Ryan Reynolds und insbesondere Hugh Jackman haben abgeliefert und uns mit genau dem Film beschenkt, auf den die Fans seit Jahren gehofft haben. Marvel-Fans werden mit Deadpool & Wolverine so viel Spaß im Kino haben, wie seit Avengers - Endgame und Spider-Man - No Way Home nicht mehr. Und bitte, schaut ihn euch im Kino an, in einem vollgepackten Saal, denn vor allem dann werdet ihr zwei tolle Stunden haben.
Marvel Jesus ist gekommen, wahrscheinlich sogar mehrfach, und er ist gekommen, um im MCU zu bleiben. Ein voller Erfolg und die Macher können stolz auf das sein, was sie hier abgeliefert haben. Die Gebete der Fans, sie wurden erhört. Halleluja!
