Bewertung: 4 / 5
Beeindruckende Kriegsfilme, vielmehr Antikriegsfilme, gibt es immer mal wieder. Doch nach vielen Jahren würden wir sagen, dass mit 1917 ein wahrhaft würdiger Vertreter des Genres das Licht der Welt erblickte. Man kann das emotionslose Dunkirk grandios und Gefährten berührend finden, doch zwischen beiden vermittelt 1917, der sehr viel realistischer den Krieg einfängt - und mit zwei perfekt gecasteten Hauptdarstellern und einer exzellenten Kameraarbeit aufwartet.
1917 Kritik
Zwei junge britische Soldaten, Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman) sollen eine äußerst riskante Mission ausführen: Sie müssen in kürzester Zeit die deutsche Frontlinie überwinden, sich unbemerkt an den Feinden vorbeischleichen, um eine Botschaft an eine andere Division zu überbringen. Sollten sie dies nicht schaffen, würden Hunderte britische Soldaten in einen Hinterhalt laufen und ihr Leben verlieren, und unter ihnen auch Blakes Bruder...
Trailer zu 1917
Mit 1917 ist Regisseur Sam Mendes ein beeindruckendes Werk gelungen. Über einen Krieg, der vor 101 Jahren endete, den systematischen Einsatz von chemischen Waffen begründete und der Millionen Todesopfer zählte, Soldaten und Zivilisten. Beeinflusst und berührt durch Geschichten seines Großvaters, ist der Film für Mendes nicht bloß eines von vielen Projekten, sondern eine wahre Herzensangelegenheit. Der Regisseur betont dabei, dass es sich keineswegs um seinen Großvater handelt, aber es diesen Film wegen seines Großvaters gäbe.
Und diese Verbundenheit zum Thema, ohne theatralisch und sentimental zu sein, spürt man als Zuschauer. Die Geschichte schildert, wenn man so will, nur eins der vielen Erlebnisse, die unzählige Soldaten im Krieg machen müssen, doch Kameraarbeit und Nahaufnahmen, gepaart mit einem eindrucksvollen Score, lassen den Film wie einen Einschlag wirken. Wo bspw. Dunkirk auf seine Art einen Schauplatz aus dem Zweiten Weltkrieg kühl und distanziert porträtiert, erlaubt sich 1917 mehr Nähe und menschliche Regung. Ohne jedoch kitschig zu werden, denn über allem steht die Mission, stehen zwei mutige Soldaten in einem Kraftakt sondergleichen, der nahezu aussichts- und hoffnungslos ist.
Die Tortur wird umso beeindruckender, denkt man an den bemerkenswerten One-Shot-Trick, den Mendes mit Kameramann Roger Deakins geleistet hat. Falls sich noch jemand an Janet Jacksons Video zu "When I think of you" erinnert, "Wannabe" von den Spice Girls oder One Cut of the Dead gesehen hat: Diese One Shots sind schon beeindruckend - dasselbe in Schützengräben, über weite Distanzen hinweg und bei unterschiedlichem Tempo ist eine Leistung, die regelrecht unmöglich scheint. Doch das Ergebnis ist grandios, zieht sich wie ein roter Faden von A nach B und lässt den Zuschauer die Gefahr zu jeder Sekunde spüren. Es gab nur einen Moment, der uns tatsächlich zum Schmunzeln brachte: Die Welt kann untergehen, doch deutsche Schützengräben sind akkurat und immer noch die ordentlichsten!
Natürlich möchten wir noch ein Wort über George MacKay und Dean-Charles Chapman verlieren. Bevor ihr im Film sitzt und überlegt, woher euch die Gesichter bekannt vorkommen: Captain Fantastic und Game of Thrones lassen grüßen. Gerade Chapman hätten wir diese Intensität nicht zugetraut, der mit MacKay ein perfektes Duo bildet. Die Mimik der beiden spricht Bände, und umso beeindruckender ist es, wie sich die jungen Männer dieser Aufgabe stellen und ihre Todesangst unterdrücken. Dass die Nebenrollen äußerst prominent besetzt sind, darunter Colin Firth oder Benedict Cumberbatch, fällt fast kaum in Gewicht. Denn mehr als kurze Augenblicke ist keiner dieser Hochkaräter zu sehen, und so lenkt nichts und niemand von der Handlung und den beiden Hauptakteuren ab.
Mendes wollte diesen Film, er war seine Passion für viele Jahre und es ist ihm beeindruckend gelungen. Das Publikum spürt in 1917 die Intensität des Gezeigten und erlebt eine grandiose Kameraarbeit, Kamerafahrt, und spürt die Grauen des Krieges in jeder Pore. Wahrhaft beeindruckend und mit zwei jungen, sich verausgabenden Schauspielern, die uns an die Grenze des Erträglichen bringen.