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Attack on Titan

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Staffel 4.2

Attack on Titan Review

Attack on Titan Review
0 Kommentare - 23.12.2022 von luhp92
In dieser Userreview verrät euch luhp92, wie gut "Attack on Titan" ist.
Attack on Titan

Bewertung: 4.5 / 5

Staffel 4.2

Zusammengefasst: In den ersten sechs Episoden auf dem meisterhaften Niveau von Staffel 4.1. In den zweiten sechs Episoden schleichen sich einige dramaturgische Abkürzungen und Holprigkeiten ein, die den Fokus zu stark vom Charakter- und Gesellschaftsdrama weg- und dafür hin zu einem großen Actionfinale lenken.

Trailer zu Attack on Titan

Anbei mein Review, die Schilderung von Beobachtungen und Eindrücken als Ergebnis einer regen Diskussion mit drei geschätzten Onlnebekannten.

Spoiler enthalten.

Gabi vollzieht einen Gesinnungswandel, nach und nach blickt sie hinter die Fassade der Marley-Propaganda, wird ihrer Taten bewusst und bereut unter Tränen die Ermordung Saschas. „Hier gibt es keine Dämonen. Auf dieser Insel leben nur Menschen. Endlich verstehe ich, was Reiner fühlen muss. Wir haben Menschen, die wir nie zuvor gesehen hatten, einfach gedankenlos als Dämonen abgestempelt, und machen immer wieder denselben Fehler!“ Daran anknüpfend reflektiert Episode 22 die Verliesszene aus Staffel 4.1, in der sich Eren einen Dutt bindet und sich selbst zum Kampf motiviert, dieser Charaktermoment wird hier auf Gabi übertragen. Wie Lady Tyburs Dutt quasi auf Eren übergeht, geht er nach Eren (vermeintlicher) Tötung nun auf Gabi über. Anstatt wie früher jedoch analog zu Eren weiter dessen dunklen radikalen Weg einzuschlagen, orientiert sich Gabi jetzt an ihrem Opfer Sascha und beschreitet zum ersten Mal einen lichten Weg. Heldenhaft beschützt sie Kaya und die Familie Braus vor einem Titanen.

Gabis Monolog (siehe oben) wird eine Vielzahl leerer Vogelkäfige gegenübergestellt, im Großformat sieht man einen umgefallenen Käfig mit geöffneter Tür. Käfig- und Vogelmotive sind allgemein prominent vertreten in der vierten Staffel, speziell in den Intros und Outros. Als Symbol für die (Un)Freiheit der Menschen sind die Motive mehrfach interpretierbar, für die Eldians in der Marleyschen Gesellschaft, für die Abhängigkeit der Menschheit von der Macht der Titanen (Zekes Sicht), für die Beziehung der Menschen zum Staat beziehungsweise für die Abhängigkeit von der Staatsgewalt. Der Bezug zu den Kriegsgefallenen gibt zudem noch einen besonders tragischen Aspekt der leeren und des umgefallenen Käfigs preis, der Austritt der Menschen aus dem Leben. Intro und Outro von Staffel 4.2 spiegeln die Grausamkeit und Schönheit des Lebens wieder, wie in der ersten Staffel werden den Kriegs- und Zerstörungsszenarien Blumenwiesen und Schmetterlinge gegenübergestellt.

Allgemein ist „Attack on Titan“ stark von der germanisch-nordischen Mythologie inspiriert (Ymir als erstes Lebewesen, drei Geschwister als Erben der Macht, die Verwertung von Ymir Körper zur Gestaltung der Welt). Mit dem überproportional großen Baum über der Quelle des Lebens und/oder des Titanenkraft spendenden Urwesen kommt nun ein weiteres Element hinzu, der Weltenbaum Yggdrasil. Gleichzeitig erinnert die Manifestierung der alles durchdringenden Koordinate ebenfalls an einen Baum, ein Stamm mit einer Krone, von der aus Äste abgehen, die alles miteinander verbinden.

Die Urtitanin Ymir unterscheidet sich logischerweise von sämtlichen religiösen Vorstellungen der Menschen. Weder ist sie wie nach der Marley-Ansicht einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, noch ist sie wie nach der Eldia-Ansicht eine Göttin oder eine sozialbewusste Jesusfigur. Ihre Titanenform gleicht einem Skelett, während jene in bildlichen Darstellungen der Menschen als fleischliche Frau romantisiert wird. In Wirklichkeit handelt es sich bei Ymir um eine Sklavin der Eldians, des ersten Eldia-Königs/Imperators, kann sich bis zu ihrem Tod psychologisch und emotional auch nicht aus ihrem Sklavendasein befreien. Sei es nun aus wahrer Liebe oder als Folge eines Stockholm-Syndroms, dem Eldia-König ist sie treu ergeben, erobert für ihn Territorien und unterwirft Völker wie Marley. Zugleich entwickelt sich dank ihrer Titanenfähigkeiten allerdings auch das Land, sie erschafft Infrastruktur, das Land gedeiht. Ein Altruismus zwischen Gut und Böse.

Dass sich Ymir 13 Jahre nach dem Erlangen der Titankräfte bei einem Attentat auf den König für diesen opfert, offenbart, warum Titanshifter selbst nur 13 Jahre zu leben haben, ein weiterer tragischer Aspekt. Selbst nach ihrem Tod bleibt Ymir in der Zwischenwelt ein Sklave ihres menschlichen und titanischen Wesens, befolgt 2000 Jahre lang die Befehle der königlichen Blutlinie ihrer Nachkommen sowie die Befehle des Trägers des Founding Titans. Das schöpferische Urwesen spendet Lebenskraft, ist aber auch ein grausamer Konservator.

In den Episoden 19, 20 und 21 schließt sich ein gewaltiger Kreis, allein schon verdeutlicht durch den Episodentitel „From You, 2000 Years Ago“, der auf den allerersten Episodentitel „To You, 2000 Years From Now“ Bezug nimmt. Die Historie und Mythologie der Titanen wird näher beleuchtet und in ein neues Licht gerückt, wodurch sich nun auch diverse frühere Ereignisse und Verhaltensweisen der Träger des Attack Titans (Kruger, Grisha, Eren) erklären, beispielsweise warum sich nur Eren zum Verwandeln in die Hand beißt. Vorausdeutungen kommen zum Punkt. Ferner wird die Vater-Sohn-Bruderbeziehung zwischen Grisha, Zeke und Eren vertieft, in diesen Episoden haben die drei womöglich ihre zentralen Charaktermomente und Dialoge. Eine sprich- und wortwörtlich bodenerschütternde Emotionalität mit teils zu Fratzen verzerrten Gesichtszügen, Grisha vor und nach dem Massaker an der Familie Reiss, Eren während seiner Ankündigung des Genozids. Bis hierhin dachten Zeke und der Zuseher noch, Grisha sei das wahre manipulierende Monster, es ist jedoch Eren.

Freiheit wird zu noch einem größeren, bedeutungsvolleren Leitmotiv der Serie. Eine charakteristische Eigenschaft des Attack Titans ist es, sich gegen die Diktatur des Founding Titans und des Eldia-Königs auflehnen und in Opposition treten zu können. In der Handlung manifestiert sich das im Duell zwischen Zeke und Eren, sich drehend um die Frage, was mit den Eldians geschehen soll. Zeke möchte bekanntlich zum Wohle der Menschheit und zur Befreiung vom Titaneneinfluss die Sterilisation der Eldians umsetzen, Eren hingegen stellt die Freiheit der Eldians und insbesondere das Wohlergehen seiner Freunde über alles, selbst wenn das die Vernichtung der restlichen Menschheit zur Folge hat. Eren glaubt, den Kreislauf bestehend aus Hass, Rassismus und Krieg nur durchbrechen zu können, indem er die anderen Parteien restlos vernichtet. Bezeichnend ist dabei Erens exorbitant wutentbrannter Gesichtsausdruck (siehe oben, eine weitere Fratze) in Grishas Erinnerung, als Frieda Reiss unter Kontrolle des „Vow to denounce war“ selbstgerecht über die Erbschuld der Eldians spricht. Über die Notwendigkeit, die Eldians gefangen zu halten, Gedanken und Erinnerungen zu kontrollieren, die Eldians zur Not auszulöschen.

In der 23. Episode emanzipiert sich Armin schließlich von Eren. Er denkt strategisch und rational, gewichtet die Problematiken des Status Quo und versucht, der Menschheit zumindest noch irgendeine Siegchance gegen Eren, die Jägerfraktion und die Mauertitanen zu bewahren. Währenddessen wirkt Mikasa hilflos, nach Erens Verschwinden und aufgrund seines Handelns scheint sie ihren Lebenzweck verloren zu haben. Sie ist bestürzt über das Verschwinden ihres Schals und fragt Armin, was nun zu tun sei.


Episode 24 kann man als die erste enttäuschende Episode der Serie bezeichnen, eine Episode der Antiklimax. Annie erwacht nach vier Jahren aus ihrer Verhärtungsstarre, worauf man als Zuseher 3,5 Staffeln gewartet hat, und alles was den Drehbuchautoren dazu einfällt, ist eine comichafte Szene, in der sich die Charaktere darüber lustig machen, wie Annie mit intensivem Schmatzen ein Stück Kuchen isst. Wie reagiert der Aufklärungstrupp, Annie tötete schließlich Dutzende ihrer Kameraden; wie reagiert Armin, der Jahre lang mit der erstarrten Annie redete und als Colossal Titan möglicherweise Bertholds Liebe für sie erbte; wie reagiert ihr Marley-Kamerad Reiner? All diese Konfliktpunkte scheinen wie ausgewischt. Der Handlungsstrang über Connies Mutter wird wieder aufgegriffen und die Serie beschreitet einen spannenden Weg, der Connie auf einen dunklen Pfad führt; er möchte Titanshifter Falco opfern, um seine Mutter aus ihrem Dasein als purer Titan zu befreien. Dies erfährt auch eine sehr gute Auflösung (siehe unten), nur bleibt hier im Folgenden alles beim Alten, Connies Taten werden nicht weiter aufgegriffen, alle Charaktere verhalten sich wie zuvor, als sei nichts gewesen. Der Schluss der Episode zeigt diverse, vorher verfeindete Charaktere, die sich auf einmal zusammenschließen, um (Zitat) „die Welt zu retten“. Dieser Zusammenschluss wirkt zu gehetzt, wird zu bewusst on the nose und daher peinlich auf episch getrimmt umgesetzt, fühlt sich insgesamt unglaubwürdig an.

Glücklicher- und angenehmerweise werden mehrere der Konflikte zwischen den beiden Fraktionen sowie zwischen Einzelpersonen in der 25. Episode doch noch aufgegriffen, auch wenn dies noch ausführlicher hätte ausgearbeitet werden können/müssen. Es kommt jedenfalls noch zu Streitereien und Handgreiflichkeiten, unter anderem bemühen manche Charaktere dabei die 2000 Jahre alte Eldia-Marley-Historie, bis die Gruppe einsieht, dass es müßig ist, in dieser Form über die gegenwärtige Situation und die gegenwärtigen bis jüngeren Verbrechen zu urteilen. Unweigerlich reflektiert dies den Nahen Osten mit seinem seit dem 19. Jahrhundert schwelenden Konflikt und bis in die Antike zurückreichenden, proklamierten Gebietsanspruch. Allerdings spiegelt dies auch im Allgemeinen nationalistische und religiöse Denkmuster wieder, die sich gerne mal auf Jahrhunderte bis Jahrtausende zurückliegende Ereignisse beziehen.
Während des Großteils der Episode befinden sich die Charaktere in einem Wald, ihre Streitereien werden mit Standbildern der Bäume und Äste parallelgeschnitten, was als Analogie nochmals auf „Children of the Forest“ verweist. Jedoch geschieht dies in Form von Stakkatoschnitten und einer Vielzahl an immer gleichen Standbildern auf unelegante Art und Weise, es beraubt die Waldszene auch ihrer vollen emotionalen Kraft, weil somit nicht auf die Gesichter der Charaktere fokussiert wird.

Zu Connies Handlungsstrang (siehe oben): Wie geschrieben möchte er Falco opfern, um seine Mutter aus dem Dasein als purer Titan zu befreien. Armin eilt zur Rettung, weil er Falcos Beziehung zu Gabi, Reiner, Pieck und Magath als essentielles Fundament dafür ansieht, dass eine Allianz Marleys mit den Eldians gegen Eren und die Jägerfraktion zustande kommt. Mit Falcos Tod wäre dies zum Scheitern verurteilt. Armin beschließt, sich selbst zu opfern - ein schöner, bitterer und gut ausgearbeiteter Zwiespalt, Connie wird radikal vor die Wahl zwischen seiner Mutter und einem engen Freund gestellt, wodurch er erkennt, dass er selbst gerade einen Menschen opfern wollte und seine Mutter auch als Titanshifter weiterhin zum Titanendasein verdammt sein würde. Armin kam zuvor zu der Erkenntnis, als Erwins Nachfolger als Kommandant versagt zu haben, für ihn scheint zu diesem Zeitpunkt die Gründung der Anti-Jäger-Allianz wichtiger und erfolgsversprechender zu sein, als sein eigenes künftiges Zutun.

Die stark actionlastigen Episoden 26 & 27 verlieren etwas an Reiz, es hat wenig Spannendes an sich, dem Kampf der ad-hoc gebildeten Anti-Jäger-Allianz gegen die Jägerfraktion zu beobachten. Als Drama bleibt die Staffel hier zumindest in den Momenten erschütternd, in denen Connie und Armin früheren und nun verfeindeten Freunde gegenüberstehen. Mit der 28., letzten Episode findet Staffel 4.2 aber noch einen schönen und runden Abschluss, indem per Flashback eine Brücke zurück zu den Anfängen der Staffel 4.1 geschlagen wird. Es werden die ursprünglichen, diplomatischen und friedlichen Annäherungsversuche des Aufklärungstrupps beleuchtet, sie erscheinen in Marley sogar in Zivilkleidung. Im vergangenen Marley erfahren sie eine kulturelle – für sie exotische – Bereicherung, danach wird zu Erens Verrat und zum Angriff der Mauertitanen im gegenwärtigen Marley geschnitten. Im Flashback sieht man außerdem, wie sich Eren im Schützengraben für sein Veteranenalibi unter Schmerzen das Bein absägt und sich das Auge aussticht, der eiserne Einsatz für seine Sache ist zweifelsohne beeindruckend.

Die wichtigste Frage im Hinblick auf Staffel 4.3 bezieht sich meiner Meinung nach nun auf Mikasas Gewissenskonflikt, kann sie sich entgegen ihrer Liebe für Eren letztendlich von ihm emanzipieren? Kann sie seine Tötung im Zweifelsfall akzeptieren, ihn zur Not sogar selbst töten? Zum Glück sind es nur noch ein paar Wochen bis zur Veröffentlichung der finalen (Teil)Staffel, allzu lange muss man nicht mehr warten.

Attack on Titan Bewertung
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