Bewertung: 4.5 / 5
Sie erhielt den Publikumspreis in Venedig, und auch in Lübeck bei den Nordischen Filmtagen wurde ihr Film ausgezeichnet. Außerdem hofft Schweden, mit Pernilla Augusts Bessere Zeiten im Februar 2012 den Oscar in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" zu gewinnen. Die durch Stieg Larssons Millennium-Trilogie bekannt gewordene Noomi Rapace ist nur ein Argument von vielen, sich den knallharten Film über eine Kindheit im Alkoholikerhaushalt anzusehen.
Der Film entstand, bevor sich Noomi Rapace von ihrem Mann Ola Rapace trennte - und zwar zusammen mit ihm. Auch in Bessere Zeiten sind sie verheiratet. Ihr Familienleben mit zwei Töchtern scheint in Ordnung, bis Leena (Noomi Rapace) einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommt. Sie soll ihre im Sterben liegende Mutter (Outi Mäenpää) besuchen. Die junge Frau hatte ihre Vergangenheit aber verdrängt: Ihr Mann Johan und die Kinder dachten, die Oma sei bereits tot. Deshalb besteht Johan darauf, dass sie fahren.
In drastischen Ausschnitten wird nun von Leenas Kindheit erzählt. Ihr Vater (Ville Virtanen) wurde als Finne nie richtig heimisch in Schweden. Anfangs findet man noch verschrobene Nettigkeiten, rührende Versuche der Eltern, es der kleinen Leena (Tehilla Blad) und ihrem jüngeren Bruder Sakari (Junior Blad) schön zu machen. Doch viel zu oft flüchtet sich das Ehepaar in den Alkohol, streitet und bemerkt nicht, was alles zu Bruch geht. Die Rückblenden entwickeln ungeheure Dynamik und sparen dabei keine Schlechtigkeit der Welt aus. Tehilla Blad hat in der Rolle der jungen Leena den schwierigsten Job - und meistert ihn grandios.
Der Film gräbt immer tiefer in der Vergangenheit. Zusammen mit Noomi Rapace warten wir auf die Versöhnung, eine Entschuldigung. Nur um festzustellen, dass uns von viel zu vielen Hollywood-Filmen der Blick auf die Realität verschoben wurde.
Regisseurin Pernilla August spielte selbst oft intensive Rollen unter der Regie von Ingmar Bergmann oder Bille August, mit dem sie verheiratet war. Als wäre ihr während der Dreharbeiten bewusst geworden, dass die Geschichte ihres Kinodebüts stark genug ist, lässt die 53-Jährige immer mehr von Noomi Rapace ab, klebt nicht mehr im Minutentakt an ihrem Gesicht und beschört erst recht nicht deren Paraderolle Lisbeth Salander.
Als sie mit Bessere Zeiten begann, dachte Pernilla August, es ginge darum, wie schwer es ist, sich in einem Land zurecht zu finden, dessen Sprache man nicht spricht. So wie es Leenas Vater ging. Dann jedoch wurden die anderen Aspekte wichtiger: Warum lügt man, anstatt die Wahrheit über sich zu erzählen? Und: Unsere Vergangenheit holt uns immer wieder ein. August machte aus ihrem Regiedebüt ein exzellentes und drastisches Drama.
Bessere Zeiten bekommt 4,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)