
Bewertung: 3.5 / 5
Nachdem die Jahre seit Avengers - Endgame wahrlich nicht die besten des MCUs waren und die Fans eine Enttäuschung nach der anderen ertragen mussten, versucht Marvel Studios jetzt mit Captain America - Brave New World in gewisser Weise einen Neustart. Viele Nachdrehs, mit Anthony Mackie ein neuer Captain und mit Harrison Ford eine Hollywood-Legende neu dabei, soll das MCU endlich wieder auf einen erfolgreichen Kurs gebracht werden. Die Vorzeichen standen dank einer holprigen Produktion und laut Berichten negativ aufgenommener Testvorführungen eher schlecht. Doch wer, wenn nicht Captain America, ist in der Lage, das Blatt am Ende doch noch zu wenden?
Captain America - Brave New World Kritik
Nach einem Treffen mit dem neu gewählten US-Präsidenten Thaddeus Ross (Harrison Ford), findet sich Sam Wilson (Anthony Mackie) plötzlich inmitten eines internationalen Konflikts wieder. Er muss die Hintergründe eines skrupellosen, globalen Komplotts aufdecken, bevor der wahre Strippenzieher die gesamte Welt ins Chaos stürzen kann. Ein atemloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt…
Trailer zu Captain America - Brave New World
Zunächst einmal möchten wir euch versichern, dass wir diese Filmkritik möglichst spoilerfrei halten werden. Dies hat natürlich den Nachteil, dass wir manche Dinge nur vage andeuten können. Gibt es Überraschungen im Film? Vielleicht. Gibt es eine Szene nach dem Abspann? Ja. Muss man die sich unbedingt ansehen? Darüber kann man streiten.
Kommen wir zur Sache. Nachdem sich das MCU eine kleine und bitternötige Auszeit genommen hat und deswegen im letzten Jahr einzig Deadpool & Wolverine erschien, will man ab diesem Jahr wieder so richtig durchstarten. Gleich drei Filme des MCUs erwarten uns in den kommenden Wochen und Monaten und Captain America - Brave New World bildet hier den Startschuss. Ein Film, der deutlich als eine Art Neustart fungieren soll, nachdem man sich inhaltlich neu ausgerichtet und bekanntlich aus Gründen Kang durch Doom ersetzt hat. Details lassen wir hier jetzt aus, da dies in den letzten Monaten wahrlich genug durchgekaut wurde und für den Film auch nicht wirklich eine Rolle spielt.
Denn, obwohl Captain America - Brave New World als Neustart fungiert, können wir hier direkt einen ersten positiven Punkt einbringen: Der Film steht komplett für sich! Ja, hier und da werden Dinge angesprochen oder gezeigt, wo man als Fan weiß, dass dies als Vorbereitung für zukünftige Entwicklungen eingebaut wurde. Aber dies geschieht wirklich nur am Rande und, anders als in so manchen MCU-Filmen der letzten Jahre, stört es nicht wirklich. Tatsächlich erinnert der Film in diesem Punkt an die ersten MCU-Phasen, wo man zumeist ähnlich vorging.
Nicht nur in diesem Punkt hat man sich auf früheres zurückbesonnen. Captain America - Brave New World ist ganz ähnlich wie Captain America - The Winter Soldier wesentlich geerdeter und gleicht oft mehr einem Polit-Thriller mit Superhelden. Dies ist auch an der oft handgemachten Action zu spüren, die sich durchaus sehen lassen kann. Allerdings liegt hier auch das große Problem des Films begraben. Sosehr er es nämlich auch versucht und so manche Szene sogar beinahe schon als Kopie gelten könne, reicht Captain America - Brave New World am Ende nicht an Captain America - The Winter Soldier heran.
Die Action ist zwar gut und es gibt einige spannende Szenen, doch keine davon erreicht eine ähnliche Wirkung wie im besagten Vorgänger. Wer erinnert sich nicht vor allem an die Fahrstuhlszene oder an die Autoverfolgungsjagd mit Nick Fury? Das waren Szenen, die mächtig Eindruck hinterlassen haben, bis heute. Man gibt sich zwar Mühe, aber in Captain America - Brave New World erreicht leider keine Actionszene dieses hohe Niveau.
Leider gilt gleiches für die Story des Films. Hier haben wir unsere größten Probleme und hier kann man wohl am ehesten die Probleme in der Produktion erkennen. Inwiefern die etlichen Nachdrehs etwas geändert haben, können wir höchstens spekulieren, was sie leider nicht geschafft haben, ist, eine glaubhafte Bedrohung oder wirkliche Spannung zu erzeugen.
Ja, es gibt einen eindeutigen Bösewicht. Aber man schafft es überhaupt nicht, ihn so wirklich bedrohlich erscheinen zu lassen. Und man kommt am Ende eher zum Schluss, dass es ein sehr schlechtes Licht auf die Welt wirft, wenn so jemand mit so wenig Mitteln solch ein Chaos auslösen kann. Das kann man jetzt positiv sehen, weil es den Film noch geerdeter macht, oder negativ, weil es ja immer noch eine Comicverfilmung sein soll, aber um diesen Bösewicht aufzuhalten, hätte es keinen Superhelden benötigt.
Die Story ist dabei in ihren Ansätzen gar nicht mal so schlecht und denkt man hinterher darüber nach, wirkt es fast schon wie ein Tom Clancy-Roman oder direkt eine Jack Ryan-Verfilmung. Leider bleibt es jedoch bei den Ansätzen, da der Film es vermeidet, mehr tiefe aufzubauen. Und das ist wirklich schade, denn hier hätte man wirklich das Potenzial gehabt, mindestens auf Augenhöhe mit Captain America - The Winter Soldier landen zu können. So bleibt alles viel zu oberflächlich.
Was die Spannung betrifft, so liefert der Film einem einfach nichts, wodurch man Spannung empfinden sollte. Normalerweise geschieht dies, weil man mit den Schicksalen der Charaktere mitfiebert. Am ehesten würde dies im Falle von Captain America - Brave New World noch auf den von Carl Lumbly gespielten Isaiah Bradley zutreffen, der so etwas wie den emotionalen Kern des Films bildet und in der Tat, berührt seine Geschichte einen auch. Um hier jedoch emotional wirklich involviert zu sein, muss man im Vorfeld besser The Falcon and the Winter Soldier gesehen haben, denn erst dann versteht man seine Geschichte wirklich. Bradley spielt eine durchaus große und wichtige Rolle, was uns besonders nach der Serie sehr gefreut hat, doch man hätte ihn noch mehr als emotionalen Anker nutzen müssen. Denn abseits dessen bleibt nicht viel.
Danny Ramirez spielt den neuen Falcon, der zwar seine Momente hat, aber zu dem man halt noch überhaupt keine Bindung aufgebaut hat. Und dann wäre da eigentlich nur noch Anthony Mackie als Sam Wilson übrig, dem neuen Captain America. Er macht seine Sache gut und er füllt die Schuhe von Chris Evans auch wirklich gut aus. Aber selbst hier fehlt es an Spannung, an Emotionalität. Evans Charakter Steve Rogers hatte eine turbulente Vergangenheit, er musste Verluste erleiden, schwierige Entscheidungen treffen, mit den Konsequenzen leben und man könnte sogar von inneren Dämonen sprechen, mit denen er zu kämpfen hatte. Unter anderem wegen all dem hat man mit ihm mitgefiebert. Aber bei Sam Wilson? In nicht einer einzigen Szene hat man Angst um ihn. Er macht immer alles perfekt, er weiß immer, was genau jetzt zu tun ist und was das Richtige ist und egal was passiert, nichts bringt ihn aus der Ruhe. Er ist schlicht zu perfekt. Aber selbst Steve Rogers war nicht perfekt, obwohl gerade er es sein müsste. Und genau deswegen war er auch so sympathisch, deswegen hat man mit ihm mitgefiebert. Menschen scheitern, Menschen machen Fehler, Menschen erleiden Verluste. Sam Wilson hat man diese Menschlichkeit genommen, weswegen es einem schwerfällt, mit ihm mitzufiebern, weswegen einfach keine Spannung aufkommt, weder in Actionszenen noch auf emotionaler Ebene.
Dies muss man aber mehr dem Film, als dem Charakter selbst oder gar Anthony Mackie ankreiden. Sam Wilson wurde in den früheren Filmen und auch in The Falcon and the Winter Soldier durchaus menschlich dargestellt, mit einer Vergangenheit, mit persönlichen Problemen und Zweifeln. Es wäre schön gewesen, wenn einiges davon in seinem eigenen Film eingeflossen wäre. Doch dies geschieht bestenfalls oberflächlich.
Aus irgendeinem Grund hat man sich dazu entschieden, ihn möglichst perfekt und dadurch auch langweilig erscheinen zu lassen, was sich auch in den Actionszenen widerspiegelt. Entweder hat er keinerlei Probleme mit seinen Gegnern, immer das richtige technische Hilfsmittel zur Hand oder aber er bekommt zum genau richtigen Zeitpunkt die nötige Hilfe. Es läuft immer perfekt für ihn. Und wenngleich der Film zumindest ein wenig versucht zu erklären, warum er so unfassbar gut kämpfen kann, wirkt es schon ein wenig merkwürdig, dass er ohne Superheldenserum auf einem Level zu agieren scheint wie ein Steve Rogers, und auch genauso gut einstecken kann. Dabei würde es ihn doch gerade deswegen so viel interessanter als Charakter machen, eben weil er nur ein normaler Mensch ist. Warum zeigt man das nicht? Auch hier lässt der Film Potenzial liegen.
Anthony Mackie beweist, dass er ein guter Captain America ist und das er in der Lage ist, Menschen mit dieser Rolle zu inspirieren. Leider versäumt es der Film, dafür zu sorgen, dass wir mit seiner Rolle mitfiebern können. Denn es gibt schlicht nichts, wo man hier mit ihm mitfiebern könnte.
Übrigens: Folgte der Schild schon bei Steve Rogers nur selten physikalischen Gesetzten, wirkt er hier teilweise sogar ferngesteuert, so perfekt wie er jedes Mal fliegt und zurück kommt. Aber cool aussehen tut es schon!
Wir müssen natürlich Harrison Ford noch erwähnen. Dieser Mann ist für so ziemlich jeden Film eine Bereicherung, so auch hier. Wir können aber nicht verhehlen, gerade mit dem Hintergrund, wie die Geschichte von Thaddeus Ross hier weitererzählt wird, dass wir William Hurt vermisst haben. Dies ist keine Kritik an Ford, aber es hätte die Geschichte um Ross einfach runder gemacht, hätte Hurt ihn hier noch ein letztes mal spielen können. Es hätte einfach besser gepasst. Leider war dies bekanntlich nicht mehr möglich und wenn man schon einen Ersatz für die Rolle finden muss, kann man es kaum besser treffen als mit Harrison Ford. Er kopiert Hurt nicht und legt seinen Ross etwas anders an, was auch nur natürlich ist. Aber er macht es gut. Er ist halt Harrison Ford und genau das bekommt man auch.
Manches vom hier genannten mag etwas sehr negativ klingen, aber vergesst nicht, dass wir in einigen Punkten mit Captain America - The Winter Soldier auch einen der besten MCU-Filme überhaupt als Vergleich heranziehen. Diesen kann Captain America - Brave New World zwar nicht standhalten, was ihn aber nicht zu einem schlechten Film macht. Tatsächlich waren wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Wenn das Ziel der vielen Nachdrehs es war, das MCU mit diesem Film nach einigen eher chaotischen Jahren wieder zu beruhigen und zu stabilisieren, dann ist es unserer Meinung nach gelungen.
Und obwohl der Film angenehmerweise komplett für sich allein stehen kann, werden Marvel-Fans sich über so einiges freuen dürfen. Es ist z.B. längst kein Geheimnis mehr, dass hier endlich die Ereignisse aus Eternals eine Rolle spielen werden und man schafft es sogar, dem ganzen eine große Bedeutung zu verleihen, auch für die Zukunft des MCUs.
Kurze Anmerkung zum Schluss: Es ist schön, dass diese Filme endlich auch in Deutschland unter ihrem eigentlichen Titel Captain America und nicht länger First Avenger laufen, was ja auch inhaltlich anders keinen Sinn mehr gemacht hätte.
Fazit
Handgemachte Action, kein nerviges CGI-Feuerwerk und sogar mit dem gefürchteten Marvel-Humor hält man sich (größtenteils) zurück. Anthony Mackie gelingt es, in die Fußstapfen von Chris Evans zu treten und beweist, dass er würdig ist, den Schild zu tragen. Dennoch wurde leider sowohl charakterlich als auch was die Story betrifft sehr viel potenzial liegen gelassen. Weder gelingt es, wirklich Spannung zu erzeugen, noch, eine emotionale Bindung zu den Figuren herzustellen. Nicht nur in diesen Punkten, auch wenn es um die Actionszenen geht, kann Captain America - Brave New World daher leider nicht mit seinen direkten Vorgängern mithalten.
Wir haben oft den Vergleich mit The Winter Soldier bemüht und jetzt könnte man sagen, dieser Vergleich sei unfair. Aber: Das Potenzial war tatsächlich vorhanden, dieses hohe Niveau zu erreichen. Doch leider hat man es versäumt.
Dennoch, trotz manch negativer Punkte, haben wir das Kino zufrieden verlassen. Gerade im Hinblick auf die holprige Produktion waren wir positiv vom soliden Endergebnis überrascht. Ein runder, vor allem in sich schlüssiger sowie abgeschlossener und für sich alleinstehender Film, ohne irgendwelche großen multiversalen Verknüpfungen, der gleichzeitig aber auch nicht vergisst, in welchem Universum er spielt. Mit Captain America - Brave New World besinnt Marvel Studios sich endlich wieder auf alte Werte und bereitet damit die inhaltlich neu ausgerichtete Zukunft vor. Man möchte fast sagen: Na, es geht doch!
