Bewertung: 4 / 5
Neben den Darstellern ist das Setting der große Pluspunkt. Der Film wirkt dadurch ungleich düsterer als die anderen MARVEL-Filme, fast ein wenig wie Indiana Jones mit futuristischem Designeinschlag. Zwar herrscht Krieg, der nie explizit dargestellt wird, dennoch simplifiziert ihn Johnston auch nicht und so wird Captain America zum wohl brutalsten Comicfilm aus der Avengers-Reihe. Mit Red Skull und Hydra ist die Bedrohung etwas größer und es besteht die Gefahr, dass mehr als nur ein Straßenzug, ein Expo-Gelände oder eine Kleinstadt untergeht. Auch die Effekte sind gut und unterstützen den Film, ohne ihn in eine pure CGI-Orgie zu verwandeln, dennoch ist MARVEL an dieser Stelle oft etwas zu sparsam. Für 2011 sind manche Tricks einfach einen Tick zu verwaschen und so bleiben knackig scharfe Effekte wie in Transformers 3 unerreicht. Auch der Soundtrack hätte mehr punkten können, der sich zu dezent im Hintergrund hält. Jedoch soll der wirklich gute "Captain America"-Song, der als Werbemittel zum Verkauf von Kriegsanleihen eingesetzt wird, nicht unerwähnt bleiben.
Bedauerlicherweise teilt Captain America - The First Avenger dasselbe Schicksal wie alle anderen MARVEL-Filme - sie sind gut, aber nicht großartig. Dafür sind die Filme zu begrenzt in ihren Geschichten, in der Charakterentwicklung, in vielem. Klar zielt MARVEL auf The Avengers und die darin allumfassende Weltbedrohung ab, doch muss deswegen in den einzelnen Universen von Iron Man, Thor oder Captain America auf Sparflamme gekocht werden? So gut Hugo Weaving de facto auch Red Skull in Captain America verkörpert, so richtig gefährlich wirkt er nie, zu limitiert ist die Rolle. Zwar will er am liebsten die ganze Welt in Schutt und Asche legen, baut an Superwaffen und tötet alle, die gegen ihn sind, aber deswegen verharrt der Zuschauer nicht gleich in furchtsamem Erstaunen. Die Figur bleibt zu eindimensional in ihrem Handeln, denn sie ist nichts weiter als eine Projektionsfläche für Captain America. Die Wandlung vom Schwächling zum Helden funktioniert beim Captain, doch auf Schurkenseite klappt dies parallel nicht so leicht, hier hätte die Figur weitaus interessanter gestaltet werden müssen. So verkommt auch der Showdown zu einem unspektakulären Etwas, doch gerade Superheldenfilme leben von einem spannenden Finale. Ein Held kann nur so gut sein wie der Schurke, gegen den er antritt, dann wird auch der Endkampf ein Happening. Hinzu kommt, dass offenbar unbedingt ein Grund gefunden werden musste, Captain America in die Gegenwart zu transportieren. Von offizieller Seite wird bis jetzt zwar die Möglichkeit offengehalten, den sicher kommenden Captain America 2 in Teilen oder komplett im Zweiten Weltkrieg anzusiedeln - wir können uns jedoch momentan nicht vorstellen, wie das plausibel geschehen soll. Die Zeitspanne, die der erste Film umfasst, ist ziemlich eng und bietet nur wenig Spielraum für weitere Taten von Steve Rogers zu dieser Zeit. Wir lassen uns aber gerne überraschen. Die zweite Hälfte des Films ist damit deutlich schlechter als der wirklich starke erste Teil, was umso bedauerlicher ist, da diese Mängel nicht hätten sein müssen.
Trailer zu Captain America - The First Avenger
Mit 125 Minuten, von denen der Abspann viel Zeit einnimmt, ist Captain America erstaunlich kurz geraten und einige Minuten mehr für eine ausgefeiltere Charakterentwicklung von Red Skull hätten nicht geschadet. So wäre eine echte Bedrohung erzeugt worden und die von Red Skull angeführte mächtige Hydra Organisation wäre nicht zu einem Haufen Schießbudenfiguren verkommen. Es fehlt Captain America wie allen anderen MARVEL-Filmen im Großen und Ganzen die Tragik, das Drama, fast ein wenig Epik. MARVEL sollte einmal über den Tellerrand schauen und hier ein wenig von Sonys alter Spider-Man-Reihe oder von Warners Batman-Saga lernen. Doch alles in allem bleibt sich der Konzern treu und liefert auch mit Captain America sehr solide Unterhaltung. Der Film ist trotz seines Titels nicht übermäßig patriotisch ausgefallen - und wenn Patriotismus, dann ist dieser angemessen in das geschichtliche Umfeld eingepasst. Captain America ist sehenswert, ob in 2D oder in 3D, denn wem Thor, Iron Man und Hulk gefielen, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Die Ausgangssituation, die MARVEL mit Captain America für The Avengers schafft, dürfte Steve Rogers durch den Generationenkonflikt auch zu dem interessantesten Charakter machen. Wegen der genannten Schwächen gibt es Abzüge in der B-Note, es bleiben aber wirklich gute 4 von 5 Hüten übrig.
(Kinogänger: Alexander S.)